Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt. Michael Schenk
geht.«
Parnuk und der andere Axtschläger waren erleichtert und beeilten sich, die
Tiere zu versorgen. Sie erhoben keinen Widerspruch, als Elmoruk entschied,
in die hereinbrechende Nacht zu marschieren. »Je eher wir den Schutz unserer
Berge erreichen, desto besser«, seufzte Parnuk. »In dieser Öde fühle ich mich
nicht wohl.«
Elmoruk sah nachdenklich in die Richtung, in der die Elfen verschwunden
waren. »Es heißt, sie werden das Land bald verlassen.«
Maratuk lachte und schulterte den gefesselten Felsbock. »Wer? Die Elfen?
Das kümmert mich wenig. Kommt, lasst uns lieber zusehen, dass wir das
Fleisch nach Hause schaffen. Ich möchte hier nicht länger bleiben. Das ist ein
Land des Todes.«
Elmoruk nickte. Er glaubte nicht, dass einer der Elfen aus der Öde
zurückkehren würde. Egal, was ihr Ziel war, sie würden nur den Tod finden.
Kapitel 2
Sie marschierten im Kampfschritt des elfischen Volkes. Zehn Schritte gehen,
zehn Schritte laufen, immer im steten Wechsel; eine rasche Schrittart, welche
die Männer nicht zu schnell ermüdete. Die Hundertschaft hatte nun fast
dreihundert Tausendlängen in der nördlichen Öde zurückgelegt. Fünf
Tageswenden, in denen sie dem Verlauf des Gebirges Noren-Brak gefolgt
waren, wobei sie vermieden hatten, die Öde von Rushaan zu betreten. Nun
waren sie fast am Ziel, und der Führer der Bogen war erleichtert, als er die
gewaltige Felsklippe von Niyashaar vor sich sah. Sie ähnelte einem
zerklüfteten Kegel und ragte mehrere Hundertlängen in den Himmel auf.
Dabei schien sie sich auf gefährliche Weise dem Vorposten zuzuneigen, der
sich an ihrem Fuß erhob. Elgeros beschlich jedes Mal ein unangenehmes
Gefühl, wenn er diese Klippe sah und sich vorstellte, sie könnte in sich
zusammenstürzen. Zweifellos würde sie Niyashaar dabei zerstören. Aber die
Klippe hatte all die Äonen ohne merklichen Schaden überstanden, und es gab
keinen Grund, warum dies nicht auch in Zukunft so sein sollte. Klobig und
aus massivem Fels würde sie noch stehen, wenn die Elfen das Land längst
verlassen hatten.
»Noch drei Zehnteltage, ihr Elfen des Hauses Tenadan«, sagte er an die
Männer gewandt, »dann haben wir Niyashaar erreicht.«
»Die Wachen dort werden erfreut sein, uns zu sehen«, erwiderte
Unterführer Neolaras. »Wir kommen früher als erwartet.«
Die Anspannung der Männer ließ nun, da sie in der Nähe des Vorpostens
waren, ein wenig nach. Keiner von ihnen fühlte sich in dem toten Land der
Öde wohl, und der befestigte Posten versprach Schutz, die Nähe anderer Elfen
und die Ruhe, die man nach einem anstrengenden Marsch benötigte.
Die Kleidung und das Schuhwerk der Männer waren ebenso von Staub
bedeckt wie ihre Gesichter. Nur der Schmutz abweisende Stoff der hellblauen
Umhänge wirkte fremdartig in seiner Sauberkeit und hellen Farbe. Elgeros
verzog das Gesicht zu einem Lächeln voller Vorfreude, als er an den
erfrischenden Wein dachte, der im Stützpunkt auf sie wartete. Gut gekühlt,
leicht sauer und auf der Zunge prickelnd. So, wie ein elfischer Wein sein
sollte, der einem Krieger zu entspannen half.
»Sie werden neugierig auf das sein, was sich ereignet hat.« Neolaras
schloss zu seinem Freund auf und deutete auf den Vorposten, der mit jedem
Schritt näher kam. »Sechs Monde halten sie hier schon die Stellung. Eine
einsame und lange Wache.«
»Eigentlich müssten sie bis zur Ablösung eine volle Jahreswende wachen.
Sie können sich also denken, dass wir wichtige Kunde bringen.«
»Ja, wir werden die letzte Wache am Pass von Rushaan sein.« Neolaras
nickte zufrieden zu seinen Worten. »Die letzte Wache, bevor der Posten
Niyashaar aufgegeben wird und wir endlich das Land verlassen. Auf zu den
Neuen Ufern.« Er schob seinen Bogen weiter auf die Schulter zurück.
»Wahrlich, Elgeros, mein Freund, ich habe viele Jahrtausendwenden auf
diesen Tag gewartet.«
»Das haben wir alle, Neolaras.«
»Ich frage mich, warum die Besatzung überhaupt noch abgelöst wird. Man
sollte Niyashaar schon jetzt aufgeben.«
Elgeros lachte. »Du weißt, dass das nicht geht. Bevor nicht die letzten
Häuser die Schiffe bestiegen haben, muss die Grenze noch gesichert werden.
Eine Jahreswende mag das noch dauern, aber dann werden wir endlich in die
neue Heimat reisen.«
Schon seit vielen Jahrtausenden planten die elfischen Häuser, das alte Land
zu verlassen und die künftige Heimat an den Neuen Ufern aufzusuchen. Zur
Zeit des Ersten Bundes, als die Häuser der Elfen mit den Reichen der
Menschen gegen den Schwarzen Lord und seine Orks standen, war eine
Expedition zu den Neuen Ufern aufgebrochen. Auf ihrer Rückreise erlitt sie
Schiffbruch, und nur Jalan-olud-Deshay, der Erste und Älteste des Hauses
Deshay, erreichte die alte Heimat. Aber dann ereilte ein verhängnisvolles
Schicksal die Elfen, und gelähmt durch den Fluch eines Grauen Wesens
konnte Jalan sein Wissen über die Neuen Ufer nicht mehr weitergeben. Erst
vor wenigen Jahreswenden war er von dem Fluch befreit worden, und nun
bereiteten sich die Elfen darauf vor, endgültig abzureisen.
Die Häuser der See bauten die notwendigen Schiffe, und Vorräte wurden
angelegt und an Bord gebracht, denn die Reise würde lange dauern, und viele
Tausend Elfen würden versorgt werden müssen. Zwei der Häuser des Waldes
waren bereits aufgebrochen, andere sammelten sich an den Weißen Sänden,
wo die Schiffe bereitlagen. Das Haus Tenadan würde zum nächsten Transport
gehören.
»Niyashaar hätte auch von der jetzigen Besatzung gehalten werden
können«,