Die Hexe und der Schnüffler. Inga Kozuruba

Die Hexe und der Schnüffler - Inga Kozuruba


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leicht golden schimmerndes, rosiges Pulver enthielt. Einen Hauch davon ließ sie in ihr Glas rieseln, dann verschloss sie das Gefäß wieder sehr sorgfältig und ließ es da verschwinden, wo es hergekommen war. Andy staunte einfach nur darüber, dass sie mal nicht wie ein Wasserfall redete. Währenddessen stürzte sie ihren Drink in einem Zug herunter und seufzte wohlig.

      „Wissen Sie, sie sehen gar nicht so übel aus, Steve hatte sie wesentlich schlimmer beschrieben. Na ja, eigentlich hatte er sie gar nicht so recht beschrieben, aber in seiner Wortwahl war er selten besonders wohlmeinend. Muss wohl das Testosteron sein“, sie kicherte. „Ach, und wenn wir schon dabei sind – ich bin erst kürzlich hier angekommen und suche noch eine Bleibe. Sie haben nicht zufällig etwas Platz?“

      Andy trank ganz langsam seinen Drink leer, bevor er ihr eine Antwort gab. In dieser Zeit wartete sie ganz geduldig und still und wirkte nicht im geringsten genervt oder gereizt. Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl bei der Sache, aber andererseits hatte sie eine überzeugende Vorstellung geliefert.

      „Ich nehme an, Sie... sind auch etwas... Besonderes?“ Auch wenn sie sehr charmant war, wollte er sich nicht sofort zum Trottel machen und ihrer Bitte nachkommen. Er wollte zumindest wissen, mit wem er es zu tun hatte.

      „Ja, aber ich würde meine... Berufsbezeichnung vorerst noch nicht ausbreiten. Die ist nicht für die Ohren dieser Leute hier bestimmt. Sie würden es nicht verstehen. Ach, ich weiß“, sie beugte sich zu ihm vor um in sein Ohr zu flüstern. Gänsehaut raste über seinen Körper, als er ihren warmen Atem an seiner Haut spürte und ihr feminines, würziges Parfum in die Nase bekam. Das war wirklich unfair.

      „Vulgäre Zungen würden mich eine Liebeshexe nennen. Für die meisten bin ich eher so was wie eine gute Fee der besonderen Art. Und meine geschätzten Feinde nennen mich einfach nur Schlampe, und aus ihrem Mund ist es eine Auszeichnung. Aber in erster Linie bin ich ein Springer.“ Arina lehnte sich wieder zurück und lächelte verspielt.

      Andy seufzte: „Gut, bis auf den letzten Punkt habe ich alles verstanden, aber was bitte ist ein Sp...“

      Sie legte ihm einen Zeigefinger mit goldschimmernd lackiertem Fingernagel auf die Lippen: „Nicht aussprechen, bitte. Das Wort zieht Ärger an wie das Licht die Motten, wenn man es laut sagt. Ich bin einer. Steve ist auch einer. Der Spinnenmann und seine Freundin inzwischen auch. Sie könnten auch einer werden, wenn sie lange genug überleben. Und glauben Sie mir, das könnte sich zu einem Kunststück entwickeln, wenn die Gnadenlose sie auf dem Kieker hat. Also, kann ich bei Ihnen übernachten oder nicht?“

      Andy seufzte erneut und nickte: „Ich werde es vermutlich bereuen, aber ja, Sie können.“

      Sie strahlte: „Wunderbar! Sie sind ein Schatz! Ach, und von mir aus können wir das Siezen bleiben lassen und gleich zum Du übergehen. Ich meine, wir haben ja so was wie gemeinsame Freunde und das alles.“

      Andy zuckte mit den Schultern: „Von mir aus. Wie sind... bist du eigentlich hierher gekommen? Auch mit dem Zug?“

      Sie schüttelte den Kopf: „Nein, der bedient nicht alle Stationen, um es mal so zu sagen. Ich kann mich recht gut durch die Grenzen mogeln. Weißt du, wenn man ein wenig Chaos im Blut hat... ähm... ich glaube, wenn ich deine Neugier noch weiter befriedigen sollte, sollten wir besser zu dir gehen. Es geht doch nichts über einen abgeschirmten, privaten Bereich.“

      Andy war sich nicht sicher, warum seine Gedanken ausgerechnet da zum Hexen-Teil des Wortes Liebeshexe zurückkehrten, aber es war auch nicht wichtig. Viel interessanter war für ihn an diesem Punkt, ob sich ihre Hexerei irgendwie nutzen ließ, um die Schatten davon abzuhalten, ihrem Opfer etwas anzutun. Vielleicht war sie ja so mächtig und konnte gleich alle drei Männer verzaubern oder etwas in der Art. Dann müsste er sich nur noch etwas überlegen, um die Blondine außer Gefecht zu setzen. Womöglich ließen sich sogar ihre bezauberten Kollegen dafür nutzen.

      Weiter kam er nicht mit seinen Gedanken, weil Arina aufgestanden war und offensichtlich beschlossen hatte, allein für die Drinks aufzukommen, bevor er sich auch nur zu dem Thema äußern konnte. Fasziniert und missmutig zugleich beobachtete er, wie sie die Angelegenheit mit einem Kuss regelte. Der Blick des Barkeepers, nachdem sie ihre Lippen von seinen löste, erinnerte Andy an einen der zugedröhnten Drogensüchtigen, die er hin und wieder bei der Arbeit zu Gesicht bekam. Das war eine überzeugende Demonstration von Arinas Fähigkeiten und er nahm sich vor, dieser Frau besser nicht zu nahe zu kommen.

      Als Andy mit Arina zusammen auf die Straße hinaustrat, schlug ihnen ein kalter Windzug entgegen und peitsche ihnen winzige Wassertropfen ins Gesicht. Er warf einen kurzen Blick in ihre Richtung und war sich nicht sicher, ob sie in ihrem doch eher luftigen Trägerkleid nun fror oder nicht. So oder so war er jedoch zu gut erzogen, also bot er ihr seinen Mantel an. Sie dankte ihm lächelnd und schlüpfte hinein.

      „Ich rufe uns mal ein Taxi“, schlug er vor.

      Sie lächelte: „Lassen Sie das besser mich machen. Ich würde so etwas ungern dem Zufall überlassen.“

      Er hatte zwar keine Ahnung, was sie damit meinte, nickte aber. Sie streckte den Daumen der linken Hand aus und ließ einen durchdringenden, lauten Pfiff auf den Fingern der rechten Hand los. Andy zuckte zusammen; einen solchen Laut hätte er nicht von ihr zu hören erwartet. Er passte eher zu rücksichtslosen, harten Typen, die es gewohnt waren, immer und überall ihren Willen durchzusetzen. Aber ihm blieb nicht allzu viel Zeit, um zu staunen, denn wenige Augenblicke später bog ein Taxi um die Ecke und hielt neben ihnen an. Arina deutete Andy mit dem Blick, er möge auf dem Rücksitz Platz nehmen, während sie selbst den Beifahrersitz wählte. Als sie angekommen waren, wurde ihm auch klar, warum sie unbedingt vorne sitzen wollte. Sie entlohnte den Fahrer auf dieselbe Weise wie den Barkeeper.

      Andy merkte, dass seine Hände ein leichtes, nervöses Zittern angenommen hatten, während er die Zugangstür zum Gebäude aufzuschließen versuchte. Zum Glück war es schon dunkel, so dass dieser Umstand ebenso gut dafür herhalten konnte, dass er den Schlüssel nicht sofort ins Schloss bekam. Nach drei Etagen mit dem Aufzug standen sie vor seiner Wohnung und waren wenig später drin. In der ganzen Zeit sagte sie kein Wort und er ebenso wenig. Er für seinen Teil wusste einfach nicht, was er sagen sollte, und außerdem sah sie so aus, als ob sie darauf wartete, anzukommen, bevor sie weitersprach. Sie war zwar eine Quasselstrippe, aber anscheinend wusste sie, wann es besser war, nichts zu sagen.

      „Bitte schließe mit mindestens zwei Drehungen ab. Nur zur Sicherheit“, sagte sie leise, als er sie in seine Wohnung gelassen hatte, ihr nachgefolgt war und die Tür hinter sich leise ins Schloss zog. Er war sich nicht sicher, warum er sich so vorsichtig verhielt. Vielleicht war ihr Verhalten ansteckend. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, auf ihren Stilettos so leise wie nur irgendwie möglich zu sein. Tatsächlich waren ihre Schritte im Gebäude selbst kaum zu hören gewesen, während sie auf dem Bürgersteig das gewohnte Klacken von Absätzen hervorgebracht hatten.

      „Mehr als zwei Drehungen werden auch gar nicht drin sein. Bitteschön“, entgegnete er, als er ihrer Bitte nachkam. Sie schlüpfte inzwischen aus seinem Mantel und hängte ihn vorsichtig an die Garderobe.

      „Ich muss mich für das Chaos hier entschuldigen, ich habe nicht mit... Besuch gerechnet“, fügte Andy hinzu, als sie weiter in die Wohnung hineinging.

      „Ach, das ist schon in Ordnung. Ohne Vorwarnung perfekt aufgeräumte Junggesellenwohnungen sind mir suspekt. Solche Männer sind nicht ganz dicht im Kopf und entweder fürchterlich langweilig oder extrem gefährlich. Na ja, oder sie sind ständig unterwegs, dann ist das natürlich absolut in Ordnung. Hm, ich finde, die Wohnung hat ihren Charme. Ich hatte schon wesentlich schlimmere Behausungen gesehen. Gegen die meisten ist das hier ein Palast.“

      Sie spazierte wie beiläufig geradewegs in sein Wohnzimmer und ließ als erstes die Jalousien vollständig herunter, bevor sie das Licht einschaltete. Dann lächelte sie ihn an: „So, jetzt können wir reden, glaube ich.“ Sie setzte sich sehr dekorativ auf die Couch und sah ihn erwartungsvoll an.

      Andy räusperte sich: „Gut... willst du vielleicht einen Kaffee?“

      Sie überlegte kurz und schüttelte den Kopf: „Nicht unbedingt, außer du willst auch einen. Ansonsten


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