Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen. Michael Schenk
Den leicht
kehligen Klang der Kommandostimme kannte er nur zu gut, und er war
neugierig, wie sich ihr Besitzer unter den Schwertmännern schlug. Kurz
entschlossen zog er Duramont herum, erwiderte noch den Salut der Torwache
der Burg und trabte langsam zu den Gebäuden der Schwertmänner hinüber,
die vor einigen Jahren um den Platz herum errichtet worden waren.
Vor Nedeam übte ein Beritt von hundert Schwertmännern die engen
Reitformationen, für die sie beim Gegner so gefürchtet waren. Aber die
mustergültige Ordnung war dahin. Pferde bockten, und einige der Reiter
hatten Mühe, sich im Sattel zu halten. Stimmen schwirrten durcheinander und
wurden nur noch von dem mächtigen Organ des verärgerten Berittführers
übertönt.
Den Männern gegenüber saß ein riesiger Kämpfer auf einem gewaltigen
schwarzen Hengst. Im Gegensatz zu den Schwertmännern mit ihren grünen
Umhängen war er in eine wallende braune Kutte gehüllt. »Haltet die Tiere
ruhig, Pferdemenschen!«, brüllte Fangschlag wütend und bleckte seine
scharfen Fangzähne.
»Bei den finsteren Abgründen, Ihr habt leicht reden«, keuchte ein Reiter,
der krampfhaft versuchte, sein Pferd unter Kontrolle zu bringen. »Die Tiere
sind den Geruch von Orks nicht gewohnt, und außerdem schnappt Euer
verdammter Gaul nach ihnen!«
»Beißer ist ein gutes Pferd«, erwiderte Fangschlag und nickte dazu. »Ein
guter Kämpfer. Angemessen für einen großen Krieger.«
Beißer war ein bösartiges Biest. Das riesige Rundohr war der Einzige, der
sich ihm einigermaßen gefahrlos nähern konnte. Natürlich versuchte der
Hengst immer wieder, auch nach ihm zu treten oder ihn zu beißen, aber es
waren eher halbherzige Versuche, denn Fangschlag war sich nicht zu schade
zurückzubeißen. Wenn das Pferd gar zu störrisch wurde, hieb der Ork ihm mit
der flachen Hand auf den Schädel. Jedes andere Tier wäre davon gefällt
worden, doch auf Beißer hatte es eine besänftigende Wirkung. Pferd und
Reiter passten zusammen, obwohl man sich immer wieder fragen musste, wer
von ihnen am Ende die Oberhand behielte. Aber die beiden waren ein
wahrhaft Furcht einflößendes Gespann. Vielleicht war dies der Grund dafür,
dass man sich noch immer nicht an Fangschlags Gegenwart gewöhnt hatte,
obwohl er nun schon seit sechs Jahren bei den Pferdelords lebte.
Das Rundohr Fangschlag hatte bei der Schlacht von Rushaan die orkischen
Legionen des Schwarzen Lords als Oberkommandeur geführt. Er war den
Pferdelords schon zuvor begegnet und hatte sich im Kampf gegen Nedeams
Ziehvater Dorkemunt als ehrenvoller Kämpfer erwiesen. Er war seit vielen
Jahren von einem leidenschaftlichen Widerwillen gegen das Spitzohr Einohr
beseelt, durch dessen Feigheit und Hinterhältigkeit die Legionen Fangschlags
in Rushaan vernichtet wurden, während sich das Spitzohr selbst in Sicherheit
brachte. Das allein hätte Fangschlag vielleicht noch hingenommen, doch dann
hatte Einohr auch noch einen von Fangschlags Kohortenführern ermordet, um
keine unliebsamen Zeugen zu hinterlassen. Diese feige Tat hatte in
Fangschlag einen abgrundtiefen Hass gegen Einohr wachgerufen. Er hatte in
einen Waffenstillstand mit den Pferdelords eingewilligt, wenigstens so lange,
bis Einohr sein verdientes Ende gefunden haben würde, und war zusammen
mit ihnen in die Hochmark gekommen. Ein einsames Wesen ohne Heimat
und zunächst auch ohne Freunde. Dann gab es Verrat im Pferdevolk und
einen heimtückischen Mordanschlag gegen die Hohe Dame Larwyn. Man
bezichtigte Fangschlag der Tat, doch der alte Pferdelord Dorkemunt befreite
seinen alten Feind und zog mit ihm in das vergangene Reich von Jalanne, um
die Unschuld des Orks zu beweisen. Dort war der tapfere kleine Mann wie ein
wahrer Pferdelord gefallen, und während er in Ehren hinauf zu den Goldenen
Wolken ritt, wuchs zwischen Nedeam und Fangschlag eine tiefe
Verbundenheit. Aus dem feindlichen Ork war ein Freund geworden und ein
wertvoller Verbündeter im Kampf gegen den Schwarzen Lord.
Einer der Schwertmänner wurde nun endgültig abgeworfen und landete
direkt vor den Hufen von Nedeams Duramont. Benommen kam der Mann auf
die Beine und erkannte seinen Oberkommandeur. »Wahrhaftig, Hoher Herr
Nedeam, mein Pferd scheut sicherlich vor keiner einzelnen Bestie zurück,
doch dies hier sind gleich zwei.«
»Fangschlag ist keine Bestie«, rief der Ork und reckte sich im Sattel.
Beißer wollte diese günstige Gelegenheit nutzen, um ihn abzuwerfen, doch
das Rundohr hieb ihm beiläufig die Hand auf den Schädel, und der schwarze
Hengst schnaubte empört. »Fangschlag ist ein Krieger.«
»Wie wir alle schon feststellen konnten.« Nedeam lachte gut gelaunt.
»Und ganz offensichtlich macht es dem Krieger Fangschlag noch immer
Freude, meine braven Schwertmänner zu erschrecken.«
Der Ork entblößte erneut seine Fänge und stieß ein heiseres Bellen aus.
»Nedeam, mein menschlicher Freund, du weißt, ich bin ein friedfertiges
Wesen. Ein zahmer Ork, sozusagen. Und doch erschrecken deine Pferdereiter,
wenn sie mich und meinen kleinen Beißer sehen. Ha, wie müssen sie dann
erst erschrecken, wenn sie meinen wilden Brüdern begegnen?« Fangschlag
bellte erneut und krümmte sich dabei im Sattel. Die Unruhe, die seine
Gegenwart im Beritt ausgelöst hatte, amüsierte ihn. »Deine Männer müssen
sich an mich gewöhnen. Ich bin harmlos. Ich beiße nicht und benutze nicht
mein Schlagschwert. Aber andere werden das tun. Deine Pferdereiter müssen
vorbereitet sein.«
»So ist es, mein Freund.« Nedeam trabte an Fangschlags Seite. Er tat dies
demonstrativ, denn auch wenn man Fangschlag als Kämpfer respektierte, war
es wichtig, den Männern zu zeigen, dass der Erste Schwertmann das Rundohr
als Kampfgefährten und Freund sah. Viele der Pferdelords hatten schon gegen
die