Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen. Michael Schenk
Die Bewohner der Burg und die Schwertmänner waren
Fangschlags Anblick mittlerweile zwar gewohnt, doch in der Stadt und in den
Weilern rief das Rundohr noch immer Abwehr hervor. Daher verbarg sich der
Ork stets unter seiner unförmigen Kutte, und Nedeam achtete darauf, dass der
Krieger mit der dunkel gescheckten Haut nicht allein durch die Hochmark
streifte.
»Fangschlag hat recht, Schwertmänner der Hochmark«, wandte sich
Nedeam an den Beritt, in den nun langsam wieder Ordnung kam. »Die Pferde
müssen sich an seinen Anblick und Geruch gewöhnen. Sie dürfen nicht davor
zurückscheuen.«
»Das tun nur die neuen Tiere«, wandte der Berittführer ein. Der Mann
hatte den Wimpel in die Armbeuge gelegt und folgte leicht amüsiert dem
Treiben. »Wir haben hier einige Pferde, die gerade erst zugeritten wurden.
Das bringt immer etwas Unordnung hinein, Hoher Herr.«
»Das ist wohl wahr«, bestätigte Nedeam. Er bemerkte, wie Beißer
begehrlich auf Duramonts Flanke schielte, aber der braune Hengst war auf der
Hut. »Du solltest dir wirklich ein anderes Pferd zulegen«, raunte er
Fangschlag zu.
»Beißer ist ein gutes Pferd. Groß und stark und bösartig.« Der Ork grunzte
und klopfte seinem Hengst gegen den Hals. »Das Pferd eines wahren
Kriegers.«
»Nun, wenn du es so siehst«, lenkte Nedeam ein und lächelte. »Wir hätten
sicherlich auch Mühe, ein anderes für dich zu finden.«
»Dorkemunt hat es ausgesucht. Eine wahrhaft gute Wahl.« Fangschlag
schürzte die Lippen. »Ein ruhmvolles Ende. Er war ein guter Krieger.
Dorkemunt hatte Ehre.«
»Und er war ein guter Freund«, ergänzte Nedeam.
Fangschlag sah ihn abschätzend an und nickte dann. »Auch Fangschlag ist
betrübt, Freund Nedeam. Ein großer Verlust.«
Der Erste Schwertmann seufzte. Dieser Tag schien voller schmerzlicher
Erinnerungen zu sein. »Ich werde zur Burg reiten, um der Hohen Dame zu
berichten, und danach freue ich mich auf ein Bad und auf Llaranya.«
»Arm umschlingen und Lefzen berühren?«
»Ja, auch darauf freue ich mich«, gestand Nedeam lachend ein.
»Menschliche Wesen sind sehr seltsam.« Fangschlag kratzte sich im
Nacken.
»Manchmal verstehen wir uns selber nicht.« Der Erste Schwertmann sah
zur Burg hinüber. Er glaubte die schlanken Gestalten von Larwyn und
Llaranya auf der Plattform des Signalturms zu erkennen. »Aber wir lernen
dazu.«
Während Nedeam sich der Burg näherte, musste er an die vergangenen
Jahre mit Llaranya denken. Sie waren ein Paar, wie es der Tradition des
Pferdevolkes entsprach, auch wenn die Vereinigungszeremonie nach dem
Brauch des elfischen Volkes ungewohnt gewesen war. Nedeam liebte sein
Weib über alle Maßen und war glücklich mit ihr, doch zugleich stellte diese
Liebe ihn immer wieder auf eine harte Probe. Denn die Elfin war nicht nur
eine schöne Frau, sondern zugleich eine hervorragende Kriegerin. Während
die Frauen des Pferdevolkes das Kriegshandwerk ihren Pferdelords
überließen, scheute Llaranya keineswegs davor zurück, ihre Meinung dazu
kundzutun. Im Prinzip hatte Nedeam auch nichts dagegen einzuwenden,
zudem vermochte er ihrer Beharrlichkeit ohnehin wenig entgegenzusetzen.
Doch gelegentlich wurmte es ihn, dass sie weit besser focht und ritt als er
selbst. Ihre Fertigkeiten waren bei den Schwertmännern anerkannt, dennoch
achtete Nedeam darauf, dass sie nicht allzu oft an den Waffenübungen
teilnahm. Hin und wieder hatte er es zugelassen und dann bemerkt, wie sehr
seine Männer darauf schauten, ob die schöne Elfin vielleicht bei einer ihrer
Übungen die Stirn runzelte. Im Volk der Pferdelords bewunderten die Frauen
die Kunstfertigkeit ihrer Männer im Umgang mit den Waffen, statt ihre
Haltung zu korrigieren und Verbesserungsvorschläge zu machen. Nein,
manchmal fiel es Nedeam nicht leicht, die Eigenheiten des elfischen Volkes
hinzunehmen.
Der Erste Schwertmann ritt in den vorderen Burghof ein, wich einem
Gespann aus, das Mist aus den Ställen zu den Feldern brachte, und stieg am
achteckigen Brunnen aus dem Sattel. Im Schatten des Haupthauses stand der
alte Tasmund. Einst Erster Schwertmann unter dem Pferdefürsten Garodem,
war er aufgrund der im Kampf erlittenen Verletzungen nicht mehr in der
Lage, in den Krieg zu ziehen. Er hatte Nedeams Mutter Meowyn zum Weib
genommen und beriet die Herrin Larwyn in Dingen, welche die Führung der
Hochmark betrafen.
»Verbreitet die Bestie wieder Schrecken?« Tasmunds Lächeln nahm seinen
Worten die Schärfe. Es hatte lange gedauert, bis er Fangschlag akzeptiert
hatte, und gelegentlich klang noch immer etwas von den alten Vorbehalten
durch. »Ich bemerkte Unruhe bei der Formationsübung und glaubte, das
Rundohr zu erkennen.«
»Ja, er bleckt ein wenig die Fänge«, räumte Nedeam ein.
»Nun, das schadet nicht.« Tasmund stützte sich schwer auf einen kurzen
Stock. Sein Rücken schmerzte wieder einmal. »Solange der Bursche nicht
beißt … Der nächste Ork, dem die Männer begegnen, wird nicht bloß seine
Fänge zeigen. Er wird ihr Fleisch wollen.«
Nedeam ließ Duramont am Brunnen saufen und sah am Mauerwerk des
Haupthauses empor. Die Sonne spiegelte sich in den Klarsteinscheiben der
Fenster. »Der Winter kommt in diesem Jahr sehr früh. Morgens liegt schon
Reif auf den Feldern.«
»Der Winter kommt jedes Jahr ein wenig früher und bleibt ein wenig
länger«, brummte Tasmund. »Vor einigen Jahreswenden war es um diese Zeit
noch warm, und es blieb reichlich Zeit, die zweite Ernte einzufahren. Aber
vielleicht