Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen. Michael Schenk
hatte. Duramont schnaubte erneut, als Nedeam in den Sattel stieg und
sich vergewisserte, dass seine Waffen und der runde Schild mit dem Zeichen
der Hochmark griffbereit waren.
Ein letztes Mal schaute er zurück, dann gab der Erste Schwertmann seinem
Hengst die Zügel frei. Der Reitwind war schneidend kalt, und doch genoss
Nedeam diese Frische, die seine Gedanken frei machte. Für ihn gab es außer
Llaranyas Armen nichts, was trübe Gedanken rascher vertrieb als ein
schneller Ritt.
Er erreichte das lang gestreckte Tal, das sich vom Südpass der Mark bis
zum Tal von Eternas erstreckte. Auf halbem Weg lag der
Hammergrundweiler. Der Boden war hier besonders reich an Erz und Gold,
was in den letzten Jahren zu einem rapiden Wachstum des kleinen Weilers
geführt hatte. Noch vor wenigen Jahren hatte man sich kaum um den Abbau
von Gold bemüht. Es war für das Pferdevolk immer nur ein hübsch
glänzendes, aber nutzloses Material gewesen, da sich daraus keine tauglichen
Waffen oder Rüstungen fertigen ließen. Man hatte es als Zierrat benutzt oder
wertvolleres Metall damit überzogen, da es immerhin witterungsbeständig
war und edlen Stahl vor Rost schützte. Doch mittlerweile war sein Ansehen
gestiegen.
Der König des Reiches Alnoa hatte vor etlichen Jahren die Währung der
goldenen Schüsselchen eingeführt. Inzwischen verdrängten diese zunehmend
die einst üblichen Tauschgeschäfte. Selbst der Pferdekönig Reyodem ließ nun
eigene Schüsselchen herstellen, und der Hammergrund lieferte den dafür
notwendigen Rohstoff. Nedeam musste eingestehen, dass die neue Währung
den Handel vereinfachte, da jede Leistung oder Ware darin ihren Gegenwert
hatte. Aber ihm missfiel die zunehmende Gier mancher Menschen, denen es
immer stärker darum ging, ihren Besitz an Schüsselchen zu mehren.
Das steinerne Band der Handelsstraße zog sich von Süden nach Norden
durch die Hochmark und führte inzwischen bis zu den Städten des
Zwergenvolkes, jenen kleinen Männern und Frauen, die im
freundschaftlichen Waffenbund mit dem Pferdevolk standen. Immer wieder
stießen Handelskarawanen bis zu den Kristallstädten Nal’t’rund und
Nal’t’hanas vor, brachten Nahrungsmittel zu den »kleinen Herren« und
kehrten beladen mit kostbaren Edelsteinen und Erzen zurück.
Die Sonne stieg nun höher, und ein feiner Dunst begann vom Boden
aufzusteigen. Es würde also noch ein warmer Tag werden, und Nedeam war
froh darüber. Hoffentlich gelang es den Bauern im Tal von Eternas noch
rechtzeitig, den Rest der zweiten Ernte einzufahren. Viele Menschen mussten
versorgt werden, und auch wenn man Nahrungsmittel aus den anderen
Marken einhandeln konnte, so mochte sich Nedeam darauf nicht verlassen. Es
war wichtig, dass sich die Mark selbst versorgen konnte. Zu leicht geriet man
in Abhängigkeiten, und in Zeiten des Krieges konnte sich das als
verhängnisvoll erweisen. Niemand vermochte zu sagen, wie lange die Zeit
des Friedens anhalten würde. Im Grunde war es ja kein Frieden. Der
Schwarze Lord wartete nur auf eine Gelegenheit, die freien Länder erneut mit
Krieg zu überziehen, obwohl er vor sechs Jahren am Pass von Rushaan
geschlagen worden war. Es war nur eine Frage der Zeit, wann er seine
Legionen erneut entsenden würde. Dann würde sich zeigen, wie gut man
darauf vorbereitet war.
Der Erste Schwertmann überholte eine Gruppe von drei Planwagen, die
das Handelszeichen des Hauses Helderim an den Seiten führten.
Wahrscheinlich brachten sie wieder Klarstein für Fenster, feinste Tücher und
jenen unnützen Tand, den man im Reich Alnoa so sehr schätzte. Filigranes
Essbesteck mit sorgsam gearbeiteten Verzierungen, glitzernde Steine, die sich
die Frauen um den Hals hängten, und aufwendig gearbeitete Kleidung.
Nedeam empfand es als überflüssig, ein Messer mit feinen Ziselierungen und
Ätzarbeiten zu versehen. Ein Feind sollte schließlich keine Gelegenheit
finden, solchen Schmuck zu bewundern. Für ihn selbst musste eine Waffe
praktisch, für den Gegner jedoch tödlich sein. Allerdings schätzte seine
Llaranya solchen Zierrat durchaus. In mancher Hinsicht waren die
unsterblichen Wesen noch immer ein Rätsel für Nedeam, obwohl er mit
einem von ihnen verbunden war. Vielleicht hatten die Jahre der Kämpfe
seinen Blick für die Schönheit getrübt. Er führte ja selbst eine jener
geschwungenen elfischen Klingen anstelle des geraden Schwertes des
Pferdevolkes. Das Elfenschwert war schlank und mit filigranen Mustern
versehen. Dennoch musste er zugeben, dass sich damit Stoff und Harnisch
gleichermaßen mühelos zerteilen ließen.
Er ritt am Hammergrundweiler vorbei und wechselte ein paar Worte mit
einem der Herdenwächter. Die Bewohner des Weilers begannen soeben, ihr
Tagewerk aufzunehmen. Überall flimmerte die Luft über den Schornsteinen.
Kratzläufer stoben gackernd vor Nedeam auseinander, um dann nicht weit
entfernt erneut nach Nahrung zu picken. Aus einer nahe gelegenen
Bodenmulde war stetes Hämmern zu vernehmen, das noch eine Weile in
Nedeams Ohren nachklang, nachdem er dem Weiler schon längst den Rücken
gekehrt hatte.
Endlich erreichte er das Tal von Eternas und schließlich auch die Stadt.
Zügig trabte er die Hauptstraße von Eternas entlang und nickte den Männern
und Frauen zu, die ihm einen Gruß entboten. Entgegen seinen sonstigen
Gewohnheiten ließ er sich jedoch in kein Gespräch verwickeln. An diesem
Tag störten ihn die Enge und der Lärm der Stadt, obwohl er sie eigentlich
gewohnt war. Vielleicht lag es daran, dass der Besuch auf dem alten Gehöft
so viele Erinnerungen in ihm wachgerufen hatte. Er war erleichtert, die Stadt
bald wieder hinter sich zu lassen und die massiven Mauern der Burg von
Eternas vor sich aufragen zu sehen.
Als er in der Nähe des Tores war, hörte Nedeam Kommandos