Das Zeichen der Eriny. Lara Elaina Whitman

Das Zeichen der Eriny - Lara Elaina Whitman


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es Thomy gut ging.

      »Maman, Papa, Oma, das ist so schön. Vielen Dank.« Ich fiel meiner Mutter gerührt um den Hals. Sie hatte sich so viel Mühe gegeben.

      »Wir haben noch etwas für dich!«, sagte mein Vater mit wichtiger Miene, nachdem ich alle ausgiebig an mich gedrückt hatte. Er drehte mich an den Schultern um und führte mich ins Wohnzimmer hinüber. Dort stand eine riesige Schachtel, verpackt in wunderschönes Geburtstagspapier mit kleinen Einhörnern darauf und einer riesigen rosa Schleife. Kurz runzelte ich die Stirn. War das Papier nicht schon ein wenig zu kindisch für mich?

      »Pack es aus!«, rief meine Mutter ungeduldig.

      Zögernd trat ich näher. Die Schachtel war schon sehr groß. Was wohl darin war? Ich hoffte inständig dass nichts darin war, das der Altersstufe des Geschenkpapiers entsprach. Nachdem ich Schleife und Papier sorgfältig entfernt hatte, stockte mir der Atem. Ich traute meinen Augen kaum. Meine Eltern hatten mir einen Gamer-PC gekauft. Auf den ersten Blick sah ich, dass die Ausstattung vom Feinsten war. Ich kannte das Modell. Es war das, das ich mir auch gekauft hätte. Sprachlos stand ich da und starrte meine Eltern an. Die beiden freuten sich offenbar diebisch über ihre gelungene Überraschung und die Freude, die sie mir gemacht hatten. Ich hatte die besten Eltern der Welt. Eine Träne rollte aus meinem Augenwinkel und ich warf mich in die Arme meines Vaters und meiner Mutter.

      Nach dem Frühstück half mir mein Vater den PC nach oben zu tragen. Er wollte mir beim installieren helfen, aber ich schob ihn mit Nachdruck aus dem Zimmer.

      »Papa, ich glaube das kann ich auch alleine«, sagte ich, was auch den Tatsachen entsprach. Das erste was ich einrichten würde, war ein Passwort, damit meine Eltern nicht mehr an meinen PC konnten.

      Es dauerte geschlagene zwei Stunden, bis ich alles installiert hatte, meinen E-Mail-Account angelegt hatte und alles andere, was ich so benötigte. Thomy hatte sich immer noch nicht gemeldet. Nach dem Mittagessen würde ich bei ihm vorbeifahren, obwohl ich mich mittlerweile ein wenig krank fühlte. Wäre heute nicht mein Geburtstag gewesen, hätte ich mich vermutlich ins Bett gelegt, aber Thomy hatte bis jetzt noch keinen Geburtstag von mir vergessen. Ich war mir sicher, dass etwas passiert war. Meine Unruhe wuchs mit jeder Minute die verging. Meinen alten PC packte ich in den leeren Karton und schob ihn unter den Schreibtisch. Bis ich nicht mit Thomy gesprochen hatte, würde ich den nicht mehr anfassen. Ich musste noch die Festplatte ausbauen, da dort meine persönlichen Daten drauf waren. Die wollte ich nicht mit entsorgen.

      Nach dem Mittagessen ging mein Vater in die Klinik. Er hatte Wochenenddienst. Ich half meiner Mutter die Küche aufzuräumen, obwohl ich heute davon eigentlich befreit war.

      »Du musst mir nicht helfen, Sarah. Heute nicht!«, sagte meine Mutter und versuchte mich zur Tür hinaus zu schieben.

      »Schon ok. Kein Problem. Ich mach´ das gerne«, wehrte ich ab.

      »Sollen wir etwas unternehmen oder willst du lieber deinen PC ausprobieren?«, fragte sie mich, während sie die Spülmaschine ausräumte.

      Ich schüttelte den Kopf. »Weder noch, Maman. Thomy hat sich nicht gemeldet. Ich werde kurz zu ihm hinüber radeln, wenn das für dich ok ist.«

      Meine Mutter machte ein fragendes Gesicht. »Ist etwas passiert?«

      »Keine Ahnung. Bestimmt ist alles ganz harmlos«, wiegelte ich ab, aber das ungute Gefühl verstärkte sich noch ein wenig mehr in mir.

      »Geh ruhig. Ich mach das alleine fertig.« Sie schaffte es endlich mich zur Küchentür hinauszuschieben.

      Ich ging in die Garage und holte mein Fahrrad heraus. Es war nicht weit nach Stetten. Thomys Mutter hatte ein Reihenhaus direkt am Waldrand. Ich musste nur den Fesslerweg und den Mittleren Birkenweg entlang radeln, der durch den Wald von Filderstadt-Plattenhardt nach Stetten führte. Die Sonne glitzerte auf den nassen Blättern und die Vögel zwitscherten um die Wette. Es war ziemlich warm für Ende April. Ich brauchte nicht einmal eine Jacke. Meine Unruhe ließ mich förmlich über den Waldweg fliegen, als ich plötzlich aus dem Augenwinkel einen Schatten vorbeihuschen sah, etwas weiter drinnen im Wald. Irritiert bremste ich und blieb stehen, ein Bein auf einem Pedal, das andere auf dem Boden. Ich sah mich gehetzt um.

      »Was war das denn gerade?«, fragte ich mich mit klopfendem Herzen. Etwa ein Reh? Ich war schon fast einmal mit einem zusammengestoßen, das vor irgendetwas geflüchtet war und direkt vor mir den Weg überquert hatte. Ein hüstelndes Schnattern drang aus dem dunklen Dickicht links des Weges zu mir heraus. Das Dickicht reichte bis hinunter an den kleinen Bärensee und war durchsetzt mit hohen Buchen und anderen Bäumen. Das wusste ich, weil Thomy und ich oft durch den Wald abseits der Wege streiften. Eine Gänsehaut lief mir den Rücken hinunter. Ich musste unwillkürlich an die Tierreste an der Keltenschanze, an der Federlesmahd, nördlich von Echterdingen, denken, die in den letzten Wochen immer wieder Schlagzeilen in der örtlichen Presse gemacht hatten. Der Jäger hatte das Raubtier immer noch nicht erwischt, das die Tiere riss. Es waren sogar Rehe oder auch Wildschweine darunter.

      Mit angehaltenem Atem lauschte ich in den Wald hinein, aber ich hörte nichts mehr, als das vereinzelte Gezwitscher eines Vogels. Das Geschnatter hatte in meinen Ohren nicht wie ein Tier geklungen, aber ich kannte auch nichts Vergleichbares. Eine seltsame Furcht stieg in mir auf und ließ mich endlich das Richtige tun. Ich suchte das Weite und radelte so schnell ich konnte den Waldweg entlang. Meine verbrannte Hand klopfte wie wild vor Schmerz, den der Druck auf das Lenkrad verursachte. Völlig außer Atem kam ich in Stetten an und sprang vor Thomys Haus aus dem Sattel. Das Fahrrad lehnte ich gegen den Zaun, ich schloss es nicht einmal ab. Vielleicht sollte ich Frau Mahler von dem unheimlichen Schnattern im Wald erzählen, aber jetzt kam mir das Ganze auf einmal ziemlich lächerlich vor.

      Mein Blick fiel auf den Streifenwagen der Polizei, der in der Einfahrt zur Garage stand. Noch bevor ich läuten konnte, öffnete mir Thomys Mutter die Haustür. Ihre Augen waren rot verweint. Wie angewurzelt stand ich da und starrte sie an. Meine Befürchtungen bezüglich Thomy hatten sich offenbar bewahrheitet. Es musste etwas passiert sein.

      »Sarah!«, schluchzte sie und zog mich in ihre Arme.

      Thomys Mutter war etwas kleiner als ich, so dass es eher so aussah, als würde ich sie in den Arm nehmen, was ich dann auch tat. Sie hatte dunkles, kinnlanges Haar und große, braune, sanftmütig blickende Augen, die immer auch ein wenig traurig schauten. Sie weinte und schniefte. Ich mochte Thomys Mutter sehr gerne. Es tat mir unendlich leid, dass es ihr so schlecht ging. Thomy hatte keinen Vater mehr. Er war vor vielen Jahren gestorben, da war Thomy fast noch ein Baby gewesen.

      »Was ist denn passiert?«, stotterte ich mitfühlend.

      Sie zog mich ins Haus und schloss die Tür. »Thomy ist verschwunden. Seit Freitag.«

      »Verschwunden?«, sagte ich mit zitternder Stimme. »Was heißt das?«

      »Er ist vorgestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Er hat nicht einmal seinen PC ausgeschaltet, als er ging. Das tut er sonst nie!« Sie putzte sich die Nase und schob mich ins Wohnzimmer.

      Ich war starr vor Furcht. In meinem Inneren hörte ich das hüstelnde Schnattern von eben. Fast schaffte ich es nicht, vorwärts zu gehen. Vielleicht hatte das wilde Tier ihn erwischt?

      Zwei Polizeibeamte saßen auf dem Sofa. Einer schrieb gerade ein Protokoll, der andere blickte mich von oben bis unten prüfend an.

      »Eine Freundin von Thomy?«, fragte er Thomys Mutter.

      Sie nickte nur stumm und setzte sich in den Sessel. Ich nahm mit wackeligen Beinen den anderen.

      Der Polizeibeamte musterte mich noch einmal prüfend. »Wann haben Sie Herrn Mahler das letzte Mal gesehen?«, sagte er zu mir.

      Ich überlegte kurz. »Am Donnerstag. Freitag haben wir nur telefoniert.« Es war das erste Mal, dass mich jemand siezte. Ein seltsames Gefühl.

      »Ist Ihnen da etwas an ihm aufgefallen?«, fragte er mit sachlicher Miene.

      »Nein, er war wie immer.« Das war gelogen. Thomy war nicht wie immer, aber das konnte ich nicht sagen. Die würden mir das nicht glauben und mich in die Klappsmühle stecken. Ich beschloss auch


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