Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge. Michael Schenk

Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge - Michael Schenk


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damit

      gerechnet, dass sein Gegner sich zur Flucht wenden würde. Eher instinktiv

      sprang der Ork zur Seite, um hinter einem Felsblock am Rand des Pfades

      Deckung zu nehmen. Aber sein Fuß traf auf loses Gestein, das unter ihm

      wegzurutschen begann. Das Spitzohr schrie auf, ließ den Bogen fallen, um

      sich herumwerfen zu können, und krallte die Hände in das unter ihm

      nachgebende Erdreich. Doch dann verlor es endgültig den Halt, und sein

      Schrei verhallte, als der schmächtige Körper in den Abgrund stürzte.

      Balruk hörte das blutrünstige Gebrüll weiterer Orks, darunter die tieferen

      Stimmen der Rundohren, und folgte dem Pfad mit hastigen Schritten weiter

      nach Süden. Er fühlte, dass sein Blut aus der Schulterwunde sickerte und sein

      Wams unter der Rüstung von der klebrigen Nässe getränkt wurde, die ihm

      seine zunehmende Schwächung ankündigte. Aber er konnte die Wunde nicht

      erreichen, konnte nur Fuß vor Fuß setzen. Balruk, König der Zwerge der

      grünen Kristallstadt Nal’t’rund, hoffte, die Orks würden sich etwas Zeit mit

      der Verfolgung lassen und sich damit begnügen, ihre Fänge in das

      bluttriefende Fleisch der Axtschläger zu graben. Seine Füße schmerzten, und

      seine rechte Schulter war ohne Gefühl, doch jeder Schritt führte ihn weiter

      nach Süden. Vielleicht würde er dort Hilfe für sein Volk finden, im Süden, im

      Land der Pferdelords.

      Kapitel 2

      »Lehn dich nicht so weit aus dem Fenster, mein kleiner Pferdefürst Garwin«,

      lachte Larwyn auf und verließ den massiven Schreibtisch, um an das Fenster

      zu treten. »Wir mögen schnell zu Pferde sein, doch können wir deshalb noch

      nicht fliegen.«

      Garwin versuchte dennoch, die Brüstung des Fensterbogens zu erreichen,

      und krähte empört, als seine Mutter ihn sanft, aber bestimmt vom Fenster

      fortzog. Doch die Frustration des Dreijährigen verflog rasch, und sein

      Interesse wandte sich der rotbraunen Rüstung seines Vaters Garodem zu, die

      im Hintergrund des Arbeitszimmers des Pferdefürsten der Hochmark stand.

      Larwyn sah ihrem Sohn lächelnd bei der Untersuchung der stählernen

      Beinschienen zu und setzte sich dann wieder hinter den Schreibtisch ihres

      Gemahls.

      »Er wird ein rechter Pferdelord werden«, sagte ein schlanker und

      hochgewachsener Mann mit tiefschwarzem Haar aus der Mitte des Raumes.

      Tasmund, der Erste Schwertmann der Hochmark und Führer der Wache der

      Schwertmänner, hielt seine linke Hand ehrerbietig am Griff seines Schwertes.

      Wie gewöhnlich hatte er den rechten Arm ein wenig steif unter seinem langen

      grünen Umhang verborgen. Als vor Jahren eine orkische Legion gegen

      Eternas stürmte, war er gegen eine Mauer geschleudert und seine Schulter

      beinahe zerschmettert worden. Die Kunst der elfischen Heilerin Leoryn hatte

      bewirkt, dass er sie wieder bewegen konnte, aber der Arm war an der Schulter

      ein wenig steif geblieben, sodass Tasmund sein Schwert mit dem rechten Arm

      nie wieder richtig würde schwingen können. Er hatte sich zwar antrainiert, es

      mit der linken Hand zu führen, aber aus Tradition heraus hing die Waffe stets

      an seiner linken Hüfte.

      »Das mag noch Zeit haben«, erwiderte Larwyn auflachend. »Vorerst wird

      er sich eher unter dem Bauch eines Pferdes als auf dessen Rücken bewegen.«

      Drei Jahre war Garwin nun alt, und etwas mehr als drei Jahre lag es

      zurück, dass die Legionen der Orks erneut das Menschenvolk bedroht hatten.

      Ein neuer Bund von Elfen und Menschen war geschmiedet worden und hatte

      in der großen Schlacht vor der weißen Stadt des Königs von Alnoa zum Sieg

      gegen die Horden des Schwarzen Lords geführt. Zur gleichen Zeit hatte auch

      die Hochmark um ihr Überleben gekämpft, und die Spuren dieses Ringens

      waren noch an vielen Stellen zu sehen. Nun war Garodem, der Pferdefürst der

      Hochmark, in die Stadt des Königs der Pferdelords gereist, denn Reyodem,

      der König und zugleich der Sohn von Garodems in der Schlacht gefallenem

      Bruder, hatte den Rat der Pferdefürsten einberufen.

      Larwyn blickte auf ihren Sohn und die Rüstung ihres Mannes, und ihre

      Gedanken schweiften einen Moment in die Vergangenheit.

      Vor vielen Jahren war das Volk der Pferdelords von den Barbaren im

      Westen aus seinen angestammten Gebieten vertrieben worden und hatte in der

      großen Ebene eine neue Heimat gefunden. Das Volk hatte sich entwickelt,

      sich vermehrt und Marken gegründet, die von den Pferdefürsten im Auftrag

      des Königs geführt wurden. Die Pferdelords waren ein Volk von Hornvieh- und

      Wolltierzüchtern, deren ganzer Stolz die kräftigen Pferde waren, auf denen sie in

      die Schlacht ritten. Garodem, Larwyns Gemahl, war einer von zwei Söhnen

      des Königs der Pferdelords gewesen, und es lag nun schon über dreißig Jahre

      zurück, dass er sich mit seinem Bruder wegen eines von beiden begehrten

      Weibes entzweit hatte. Garodem war seinem Bruder nicht mehr begegnet,

      bevor dieser bei einem Angriff der Orks vor der weißen Stadt gefallen war,

      und Larwyn wusste, dass dies ihrem Gemahl ein heimlicher Kummer war.

      Larwyn strich sich eine Strähne ihrer blonden Locken aus dem Gesicht und

      blickte zu der großen Landkarte, die an einer Wand des Raumes hing. Sie

      zeigte die Marken der Pferdelords und die anderen ihnen bekannten Länder.

      Doch waren darauf auch Gegenden dargestellt, die noch kein Pferdelord

      jemals gesehen hatte, denn es war eine elfische Karte. Sie wurde Garodem

      von den beiden Elfen Lotaras und Leoryn zum Geschenk gemacht, die damals

      der Hochmark im Kampf gegen die Legionen der Orks beigestanden hatten

      und inzwischen zu ihrem elfischen Volk zurückgekehrt waren.

      Die Karte erschien Larwyn als ein Symbol für das neue Bündnis zwischen

      den Menschenwesen und dem Volk der Elfen. Sie war aus einem glatten und

      sehr weichen Stoff gewirkt und fein bemalt. Aber dieser Stoff


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