Himmelsvolk. Waldemar Bonsels

Himmelsvolk - Waldemar Bonsels


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träume und bin doch allein.

       Der Mond leuchtet hell, wenn seine Strahlen die Erde erreichen, scheint mir die Welt ohne Elend,

       ohne Schmerz, alles und alle erscheinen mir sanft. Er bringt helle Tücher, als wollte er mich vor dem

       schützen, was kommen soll, als wollte er mich erwärmen, und ich fühle wieder wie durstige Pflanzen,

       die sich öffnen und zu blühen anfangen.

       Enttäusche ich euch jetzt, weil ich dürr und kahl dastehe? Ihr habt mich grün gesehen! Ich gab der

       Erde Schatten, den Vögeln Ruhe und den Tieren Früchte. Ich habe die Blicke entzückt, und nun liebt

       ihr mich weniger, weil ich es nicht vermag? Müßt ihr nicht stets an jene Zeit denken, wo ihr mich

       anders saht?

       Ihr denkt nicht mehr daran! Meine Klage erniedrigt mich. Nun fühle ich zum erstenmal, daß mein

       irdisches Gefühl mich von der Welt trennt. Einst erzählte ich, ich teilte das Neue, das Leben den

       Blumen, den Bäumen mit. Dort oben liebkoste mich der Wind, als wollte er zu mir sagen: Du hast

       nicht unrecht. Da wußte ich, daß mein irdisches Gefühl mich mit der Welt verband. Ich rief: Nehmt

       mich nur auf, laßt mich euer Teil sein, ein Glied eurer reichen Familie. Ich fühlte die Welt und

       vereinte mich mit ihr und wurde zum erstenmal mündig. Alles tönte in mir und mein Herz strömte

       über. O, wie ich der Erde verschuldet bin, wie kein Wesen vor mir!«

       Der Blumenelf lag im Moosgrund und lauschte der Klage, er begriff die Wirklichkeit des Todes und

       erbebte. Aber er vermochte seine Sinne nicht vom Sterben des Baumes abzuwenden.

       Da hörte er wieder die alte Stimme über sich im Wind:

       »Es forscht ohne Aufhör in mir und will doch von nichts wissen. Meine Wurzeln werden vom Wasser

       berieselt, das alle Pflanzen zu neuem Sprossen ernährt. Ich fürchte mich vor dem Tage, die Sonne, die

       mein Blut beeinflußt hat emporzudrängen, blendet mich nun. Wie lockt mich die Weite, die ich lange

       ohne Begehren im Bild erblickt habe! Wo sind die Tiere? Ich höre nur die Vögel. Und doch ist alles

       Weite so nah, so möglich geworden.

       Mein Herz war einst in der Sonne so weit offen, daß es nicht nur sich selber trug und ahnte, sondern

       die ganze Welt. Da wußte ich die Wahrheit über mich. Nun umgibt es mich rings wie eine Wand, so

       kalt wie Eis, so durchsichtig wie Glas, so nah, daß mir ist, als spiegelte ich mich wider. Sie macht die

       Seele zum Verbrennen durstig, und ich fühle Angst. Lebt wohl!«

       Da drückte der Elf erzitternd sein Herz fest, fest an die Erde, die Auferstehung und Vermoderungen in

       sich barg und einen herben Geruch von Harz ausströmte. Ihm war, als durchdränge dieser Geruch

       seinen vergänglichen Leib, er schloß seine Augen und schwieg, denn es redete mit vielen Stimmen zu

       ihm, die wie eine Stimme waren.

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