Himmelsvolk. Waldemar Bonsels

Himmelsvolk - Waldemar Bonsels


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auf der Wiese an, es war

       sehr schwer, ihre Gestalt und Eigenart rasch zu begreifen, täglich brachen neue Blumen auf, und die

       Farben und Düfte im Sonnenschein oder im Regen überwältigten zu immer neuem Glück. Wäre den

       Seelen der Elfen nicht eine tiefe Ahnung vom Wesen alles Lebendigen eigentümlich, so hätte

       sicherlich sein Herz der Fülle der Eindrücke nicht ohne Verwirrung standgehalten.

       Ein heimliches Brennen in den Tiefen seiner Brust führte ihn langsam allem näher, was er erkannte.

       Er wußte noch nicht, daß es Liebe war, die wie ein stilles Licht in den Kammern des Herzens

       emporglühte, aber er empfand, daß diese brennende Süßigkeit der Hoffnung und des Heimwehs

       nach Gemeinschaft seine Führer und seine Freude wurden. Ihm war, als leitete dies hilflose Weh in

       der Tiefe ihn dem Licht immer näher, dieser unfaßbaren Fülle, die die ganze Erdoberfläche erstrahlen

       ließ. Dies Glühen des Verlangens war es, das ihn sehen und lauschen lehrte, so daß er alle Stimmen

       um sich her verstehen lernte, und er erkannte, noch wie in einem Traum, daß dies heiße Begehren

       seiner Brust nach Zugehörigkeit das eine, große, treibende Element des Lebendigen um ihn her war.

       In träumerischem Staunen schritt er dahin, lernte den Tag und die Nacht begreifen und erbebte vor

       Glück über ihre Treue. Er sah die Sternbilder, die er wie aus ferner tiefer Erinnerung einer anderen

       Jugend wiederzuerkennen glaubte, strahlen, wandern und singen und doch immer gleichbleiben, er

       begriff den hohen Himmelsweg des Wassers, das die Sonne aufsaugte und das die Wolken den

       Irdischen zurückgaben, und liebte über alles den Himmelswiderschein im Tau. Am meisten aber

       beseligte ihn die gewaltige Sonne, ihre Gnadenbahn im Blauen, ihre Milde und Fülle, ihre

       unaussprechliche Freigebigkeit. Ihren Glanz und ihre Wärme liebte er in betörend hingebender

       Demut, sein Vertrauen zu ihr war so groß, daß schon der kleinste Lichtblick ihrer Herrlichkeit ihn wie

       in einen Rausch von Zuversicht versetzte.

       Oft konnte er stundenlang dasitzen und in den Tannenwald schauen, durch dessen hohe, gerade

       Stämme das Sonnenlicht auf das Moos sank und überall helle Inseln von strahlendem Goldgrün

       zurückließ. Die Lichtflecke rührten sich nicht, der Waldboden sah wie ein stiller Teppich mit

       strahlenden Ornamenten aus. Aber hoch oben in den Kronen rauschte es in einer gewaltigen

       Lebensmelodie im Frühlingswind, als zögen himmlische Heerscharen im Goldrauschen ihrer

       Gewänder darüber hin. Dieses Rauschen der Baumkronen verwandelte sein Herz in einen einzigen

       schimmernden Traum, ihm war, als erklängen darin die ewige Heiterkeit der freien Bewegung und

       zugleich die Schwermut der irdischen Fesseln.

       Als er eines Nachts, nachdem er schon manchen Tag auf der Wiese wohnte, erwachte, lockte der

       Mondschein ihn aus seiner grünen Höhle im Moosgrund in die Stille der strahlenden Nacht empor.

       Am Bach waren die Lilien aufgeblüht, sie leuchteten wie Schnee über dem dahinziehenden Wasser,

       es war still und kühl und schon nahe dem Morgen, die Stimmen der Nachttiere waren verstummt.

       Es war Halbmond, aber sein Licht schien so klar, daß die Sterne in seiner Nähe nur blaß schimmerten,

       die Erde umher duftete von Nässe, denn es hatte am Tag vorher geregnet. Als der Elf sich auf einen

       niedrigen Zweig der Linde setzte, fielen ein paar große Tropfen ins Gras nieder, auf ihrem kurzen

       Weg zur Erde blinkten sie auf, kleine durchschienene Kugeln, sie trugen Mondlicht durch die Luft und

       Glanz und Frische.

       Der Elf sah dem fallenden Wasser nach und dachte an die Pflanzen, die es im Schlaf trinken würden.

       Wenn die Erde die hellen Tropfen aufnimmt, sann er, so kehrt das Licht zum Himmel zurück. Der

       Gedanke beschäftigte sein Gemüt, er rührte die Blätter in seiner Nähe an und sah zu, wie die

       fallenden Tropfen, erfüllt von Licht, die Pflanzen tränkten. Die Waldtiefe schimmerte schwarz wie

       Teer, nur die ersten Stämme waren vom Mond beschienen, und zwischen ihnen zogen sich

       Lichtstreifen in die stille Finsternis hin. Gibt es auf der Erde ein Fleckchen, so groß wie meine Hand,

       dachte er, auf dem nicht Leben schlummerte? Überall, wo Leben pocht, da glüht ein kleiner

       Lichtherd, eine Stätte, wo das Licht einmal in Verlangen erwartet und empfangen wird, wo es

       beglückt und zurückstrahlt. Nichts hat so viele Heimatrechte auf der Erde, wie das Licht.

       Die Luft wurde von einem Surren erfüllt, das kaum vernehmlich zwischen den schwarzen Stämmen

       begann, langsam anschwoll und nun beinahe drohend und feierlich über ihm dahinzog. Es war ein

       großer Wasserkäfer, der sich ein neues Gewässer suchte, um dort den Tag zu verbringen. Wie mag es

       ihm in der silbernen Dunkelheit und in der Ruhe der Luft behagen, dachte der Elf und sah ihm nach.

       Es wurde wieder still, dicht neben ihm glitzerte ein Tropfen so hell wie ein Diamant, fast wurden

       seine Augen geblendet, der Mond spiegelte darin, wie in geschliffenem Glas, aber es wurde darüber

       umher nicht heller, hinter ihm war die Nacht so schwarz wie Kohle. Der Tropfen behielt das Licht, es

       kreiste in seinem kühlen Rund, in freier Klarheit entstand eine unbeschreiblich erstrahlende kleine

       Welt für sich.

       Vielleicht leben auch in ihr Geschöpfe, dachte der Elf, halten die Sekunden ihrer Zeit für ein langes

       Dasein und empfangen unser Himmelslicht in eigenen Lichtherden, aus denen es als Freude

       widerstrahlt.

       Der Tropfen sank und erlosch in der Finsternis am Boden.

       Dem Elfen kamen die Schwalben in den Sinn, die er bis in die Stunde des sinkenden Abendlichts in

       schwindelnder Himmelshöhe hatte fliegen sehen. Eine von ihnen war am Tage mit ihm bekannt

       geworden, sie hatten sich auf dem Felde getroffen, wo der Vogel am Erdboden Lehm für sein Nest

       suchte, und die Erzählung der Schwalbe war wie ein strahlendes Bild der fernen Welt in sein Herz

       gesunken.

       Wie mag euch Schwalben die Erde erscheinen, die ihr bewohnt, dachte er nun in der Erinnerung ihrer

       Worte, wie anders werdet ihr sie kennen und empfinden als ein kleines Bodentier des ebenen Feldes,

       oder als der Mensch. Eure Reise nach dem Süden führt euch Jahr für Jahr über das schimmernde

       Meer, über welchem, wie über einer unabsehbaren, runden Silberfläche, die Sonne rot aufwacht,

       ihren hohen Strahlenweg geht, einsam über dem tausendfältigen Glitzern, und am Abend langsam,

       feuerrot in ihr helles Bett sinkt. Dann fliegt ihr


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