Die Midgard-Saga - Jötunheim. Alexandra Bauer

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      Thea nickte bestätigend. Schon meldete sich Frau Helmken zu Wort. Thea hatte völlig vergessen, dass sie noch keine Zustimmung gegeben hatte.

      „Ohne Thea! Wenn ihr etwas zustößt!“, rief sie.

      Thea holte augenblicklich Luft, nicht um zu widersprechen, sondern um Wal-Freya an einer Antwort zu hindern, die einen Blick aufgesetzt hatte, der nichts Gutes verhieß. Die Walküre verlor die Geduld, das konnte Thea deutlich erkennen. Wal-Freya war schneller und entgegnete ungerührt: „Ich bin sicher, dass meine Walküren sie im Falle ihres Todes gerne nach Sessrumnir bringen.“

      Frau Helmken wurde kreidebleich. Schon sprang sie vom Stuhl, packte Theas Handgelenk und versuchte, ihre Tochter mit sich zu ziehen. Im gleichen Moment, da Thea sich gegen ihre Mutter stemmte, stand auch Wal-Freya auf. Schon hatte die Göttin ihre Handfläche gegen Frau Helmkens Stirn gepresst. Diese fiel zurück auf den Stuhl und sackte bewusstlos in sich zusammen. Thea riss die Augen auf. Starr beobachtete sie, wie sich die Walküre zurück in ihren Stuhl setzte und nach der Kaffeetasse griff, während ihre Mutter in ihrer unglücklichen Position verharrte.

      „Jetzt können wir uns in Ruhe unterhalten“, verkündete Wal-Freya ungerührt.

      „Was … was hast du mit ihr angestellt?“, stotterte Thea.

      „Schlafzauber, würde ich sagen“, vermutete Tom.

      „Ganz richtig. Thurisaz setzt einen Elefanten außer Gefecht. Thea, so funktioniert es nicht! Deine Mutter wird dich niemals gehen lassen. Da helfen auch keine gut gemeinten Erklärungen.“

      „Ich fasse nicht, was du getan hast!“, ächzte Thea.

      „Bist du eine Zauberin?“, fragte Tom interessiert.

      Wal-Freya nickte nur. „Wenn ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, können wir los, Thea. Zieh dich um!“

      „Was? Und meine Mutter?“

      „Sie wird nicht versuchen, dich aufzuhalten“, erwiderte Wal-Freya und machte eine selbstgefällige Geste in Frau Helmkens Richtung.

      „Aber …“ Sie sah zu ihrer regungslosen Mutter. „Das können wir doch nicht machen!“

      „Sie weiß alles, was sie wissen muss. Nach Asgard wird sie die Polizei nicht schicken. Wenn du wieder zurück bist, kann sie dich nicht verantwortlich machen.“

      „Und wann wacht sie wieder auf?“

      Wal-Freya zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Diesen Zauber habe ich bisher immer nur bei Riesen eingesetzt – und randalierenden Kriegern in Sessrumnir. Die schlafen meistens zwei Tage. Aber das kann auch vom Met kommen.“

      Thea hatte das Gefühl, der Boden würde sich vor ihr auftun. „Du machst Witze!“, rief sie. Aber als sie in die Augen der Walküre blickte, wusste sie, dass sie ganz und gar nicht scherzte.

      „Ich komme mit!“, mischte sich Tom ein. „Ich kann helfen!“

      „Wenn wir dich mitnehmen, bist du der nächste, wegen dem die Polizei gerufen wird“, wehrte Wal-Freya ab.

      „Den Ärger riskiere ich gerne“, erwiderte Tom.

      Die Walküre schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Zeit, dich mit Erfahrungen aus vergangenen Leben zu füttern. Außerdem weiß ich weder, wie alt deine Seele ist, noch ob diese irgendwelche Kampferfahrungen hat. Was, wenn du eine Balletttänzerin warst?“

      Tom öffnete empört den Mund, während Thea amüsiert kicherte.

      „Ich wette, ich habe dich in weniger als fünf Handgriffen geschlagen!“, versetzte Tom. Herausfordernd stand er auf und fixierte Wal-Freya mit seinem Blick.

      „Ich hab dich gern, Tom. Aber mach dich nicht lächerlich. Hast du vergessen, mit wem du am Tisch sitzt?“

      Tom biss sich auf die Lippe. „Weniger als fünf Handgriffe!“, wiederholte er.

      „Das könnte gelingen“, stimmte Thea zu. „Wenn du nicht zauberst! Das wäre unfair!“

      Wal-Freya hob die Augenbrauen. „Du bist nicht bei Sinnen, Thea!“

      „Angst?“, fragte Tom herausfordernd.

      „Nun wirst du frech“, erwiderte Wal-Freya warnend, aber mit einem leichten Anflug von Erheiterung.

      „Bitte Wal-Freya! Gib ihm eine Chance! Nicht mit dem Schwert, einfach nur mit ein paar Stöcken!“

      „Wenn er dir so sehr am Herzen liegt, solltest du dafür sorgen, dass er sich diese Idee aus dem Kopf schlägt. Ich könnte dir nie wieder unter die Augen treten, wenn ihm etwas zustößt!“

      „Ich will zeigen, was ich kann!“, beharrte Tom.

      Mit einem Seitenblick auf ihre Mutter stand Thea auf. Im Schirmständer fanden sich immer allerlei Stöcke, die Mats auf seinen Sparziergängen mitnahm. Sie suchte zwei halbwegs passende Stäbe heraus, ging zurück in die Küche und übergab einen an Tom. Als sie den anderen Wal-Freya reichen wollte, schüttelte sie den Kopf. „Es wird niemals fair, Thea, und das weißt du.“ Sie nahm den Stock, erhob sich gelangweilt und nahm Aufstellung.

      Sie wog den Stock in den Händen. „So kann ich dir wenigstens nicht wehtun.“

      „Wollt ihr nicht irgendwo hin, wo mehr Platz ist?“, frage Thea.

      „Für fünf Handgriffe? Wohl kaum“, erwiderte Wal-Freya und hob den Stock in Toms Richtung. „Bereit?“, fragte sie.

      Tom nickte und kaum dass er sein Einverständnis gegeben hatte, holte Wal-Freya aus und führte einen Schlag in Richtung Toms Kopf. Dieser blockte Wal-Freyas Stock mit dem eigenen ab. Zeitgleich führte er die linke Hand auf ihre Schwerthand, lenkte ihren Arm nach unten, führte mit der Bewegung seine Waffe über die von Wal-Freya und klemmte ihren Stock dabei zwischen seinen Schwertarm und seinen Körper. Noch ehe die Walküre sich versah, hatte Tom die freie Hand an ihrem Ellenbogen, drehte sich mit der Bewegung hinter sie und drückte sie zu Boden. Sofort ließ er wieder von ihr ab und trat zwei Schritte zurück.

       Wal-Freya richtete sich verblüfft auf, vergaß aber nicht, Thea einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, als diese Beifall klatschte.

      „Ich habe dich unterschätzt“, sagte die Walküre hoch aufgerichtet.

      „Er macht Escrima“, erklärte Thea.

      „Was auch immer“, brummelte Wal-Freya. „Mach mir noch einen Kaffee, Thea, und dann zieh deine Sachen an! Wir müssen los!“

      „Aber …!“

      „Los!“

      „Glaubst du, es wird schon wieder kalt?“, widersetzte Thea sich.

      „Ausziehen geht immer! Los jetzt!“

      Gehorsam nahm Thea die Tasse vom Tisch, stellte sie unter den Auslauf und wartete, bis das Gefäß gefüllt war. Wal-Freya zog sich den Stuhl heran, nahm Platz und musterte Tom, der abwartend stehen geblieben war.

      „Setz dich“, lud ihn Wal-Freya ein.

      Tom nahm Platz. Die Spannung in der Küche war kaum noch zu ertragen. Thea knetete unwillkürlich die Finger.

      „Du sollst dich umziehen gehen!“, erinnerte die Walküre.

      „Werden wir ihn mitnehmen?“

      Wal-Freya hob das Kinn. „Es waren sechs Handgriffe, die er benötigt hat“, wehrte sie ab.

      Tom richtete sich empört in seinem Stuhl auf. Schon hob Wal-Freya die Hand. „Aber wir nehmen ihn trotzdem mit. Er gefällt mir. Ich will sehen, was er noch so drauf hat.“ Sie warf Thea einen vielsagenden Blick zu. „Außerdem spüre ich doch, wie sehr er dir am Herzen liegt.“

      „Hör auf! Das ist peinlich! Zwischen uns ist nichts. Er ist ein guter Freund!“, rief Thea. Ihrer Bitte schickte sie einen energischen


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