Diener des Feuers. Karin Kehrer

Diener des Feuers - Karin Kehrer


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Seine Begleiterin, ein Geschenk Varruk Erasants, hob den Kopf, sah ihn gelangweilt aus goldenen Augen an und gähnte. Er konnte die nadelspitzen Zähne in ihrem Mäulchen sehen. Dann rollte sie sich zusammen, um weiterzuschlafen.

      Yal bedachte das riesige Tier mit einem ärgerlichen Blick. Launisch war sie, wie eine Magierin! Aber es war kein Wunder, wenn ihr die Lust vergangen war, ihm zu helfen. Er hatte ihre Kraft in den letzten Mondumläufen über Gebühr beansprucht. Ihre Energie half ihm, das magische Zeichen herzustellen, das die Abbilder der Elementsteine verbinden sollte. Nur wenn dieses Zeichen intakt war und die magischen Ströme ungehindert durchfließen konnten, tat sich das Portal auf, der Zugang zu anderen Sphären, in denen er nach dem Abbild von Myn Fantrix suchen konnte.

      Mit einer ärgerlichen Handbewegung wischte er die vier Elementsteine vom Tisch zurück in den Lederbeutel. Es hatte keinen Sinn. Wenn Amathi ihm ihre Energie nicht zur Verfügung stellen konnte, brauchte er sich nicht weiter zu bemühen. Er hatte erst vor kurzem herausgefunden, dass seine Kraft alleine nicht mehr reichte, um das Zeichen herzustellen. Zu sehr hatte er sich bereits verausgabt, im Bemühen, Varruk zufrieden zu stellen. Eine Tatsache, die den großen Feuermagier wenig kümmerte. Yal wusste nur zu gut, wie unbarmherzig Varruk sein konnte, wenn es um seine Interessen ging.

      Geistesabwesend rieb er über das Mal auf seiner Schulter und erhob sich mit einem tiefen Seufzer.

      Vielleicht sollte er Xarga einen Besuch abstatten, um sich ein wenig abzulenken. Sie hatte am Ende Neuigkeiten, die ihn interessierten. Und die alte Erdmagierin machte das beste Konfekt, das er jemals hatte kosten dürfen.

      Vorsichtig verstaute er den Beutel mit den Elementsteinen in einer der unzähligen Schubladen seines Arbeitstisches. Yal nahm den Umhang vom Haken neben der Tür, legte ihn um die Schultern und warf Amathi noch einen forschenden Blick zu. Sie schien keine Notiz von seinem Weggang zu nehmen. Vielleicht war es wirklich besser, ihr ein wenig Erholung zu gönnen.

      Er öffnete die Tür und trat ins Freie. Es dämmerte schon. Ein kalter Luftzug brachte die letzten Erinnerungen an den Winter und den scharfen, salzigen Geruch des Meeres mit.

      Yal sog ihn tief ein, um seinen Geist von all den dunklen Gedanken zu reinigen und stülpte hastig die Kapuze über den Kopf. Er wandte sich um und blickte zurück auf sein kleines Haus. Seine Zuflucht.

      Weit lagen die vom Winter ausgebleichten Hügel vor ihm, ein welliges Auf und Ab, wie das Meer, nur sanfter. Er starrte auf den Horizont, spürte eine Ahnung von Gefahr.

      Noch immer gab es das Loch in seinen Erinnerungen. Manchmal, in diesem Zustand zwischen Wachen und Schlafen, bevor sein Geist losließ, blitzten Gedankenfetzen durch sein Bewusstsein. Aber er konnte sie nicht einordnen. Und noch immer glaubte er, ein schneidendes Messer jage durch seinen Kopf, wenn er versuchte, diese vagen Eindrücke festzuhalten.

      Jemand hatte gründliche Arbeit geleistet. Derjenige musste ein Meister der Magie gewesen sein, denn es war kaum möglich, die Erinnerung an nur ein bestimmtes Ereignis zu löschen. Meist verschwanden große Teile von Wissen und das Opfer fiel nicht selten zurück in die Phase der Kindheit.

      Aber Yal erinnerte sich an alles. Nur nicht daran, was nach Beendigung seiner Lehrzeit bei Varruk geschehen und wie er nach Findward gekommen war.

      Das Mal auf seiner Schulter begann leise zu pochen, wie immer, seit er es erhalten hatte, wenn er seine Gedanken dem alten Magier widmete.

      Sofort hielt er inne.

       Nein, ich bin noch nicht so weit. Ich habe gerade erst gelernt, das magische Zeichen zu schaffen. Es ist schwierig.

      Varruks Stimme erklang in seinem Kopf. Ich weiß. Ich dränge dich nicht. Lass dir Zeit. Du machst deine Sache gut.

      Yal atmete tief durch. Er musste lernen, seine Gedanken in die richtige Richtung zu lenken. Varruk durfte nicht ganz die Kontrolle über ihn bekommen. Solange er nicht an den alten Magier dachte, war alles in Ordnung.

      Mit raschen Schritten eilte er über das dürre Gras den Abhang auf den Wald zu, der Dunkelheit entgegen. Ein Windstoß fauchte ihm entgegen und Yal wickelte sich fester in seinen Umhang. Er spürte Feuchtigkeit auf seiner Haut und roch den Geruch von Fäulnis und Moder. Es wurde schlagartig dunkel, pechschwarze Finsternis umgab ihn. Er schauderte und ein leichtes Prickeln lief über seinen Rücken. Der Anflug von Panik, der ihn zu ergreifen drohte, ließ sich kaum bekämpfen.

       Ganz ruhig. Eine Vision. Es ist nur eine Vision.

      Er hastete weiter, versuchte, seine Gedanken auf etwas Helles, Freundliches zu lenken. Doch es wollte ihm nicht so richtig gelingen.

      Yal spähte durch die Dunkelheit, durchdrang sie mit seinen Augen, scharfsichtig wie eine Katze.

      Nichts.

      Er lauschte.

      Es war windstill und bis auf das Flüstern der Kobolde in den Sträuchern und das Tapsen von Mäusepfoten auf dem Waldboden war nichts zu hören. Trotzdem war Yal froh, als er die Hütte der Erdmagierin erreichte.

      Er klopfte kurz und leicht an ihre Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er sie und zog den Kopf ein, um ihn sich nicht am Türrahmen zu stoßen.

      Xarga saß vor dem Kamin. Sie bemühte sich gerade, Feuer zu machen. Vorsichtig blies sie in das zaghafte Flämmchen und stieß einen Fluch aus, als es wieder erlosch. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte.

      „Ah, Yal! Schön, dich zu sehen!“

      „Darf ich?“, fragte Yal und schnippte mit den Fingern. Schon schoss eine orangerote Zunge aus den dürren Ästen, die im Kamin aufgeschichtet waren.

      Xarga wandte sich wieder dem Feuer zu, das lustig zu prasseln begann. Sie seufzte und meinte: „Ich wünschte manchmal, auch mein Element wäre das Feuer. Besonders in Zeiten wie diesen, wenn die verdammte Kälte mir in die Knochen kriecht, weil der Winter so gar nicht enden mag und die Einsamkeit mich zu ängstigen beginnt. Danke für deine Hilfe! Was bin ich doch für ein nutzloses altes Frauenzimmer. “

      Yal Rasmon lächelte sanft, kannte er doch ihre Tiraden bereits. Sie hatte ihrer Magie gründlich entsagt, eine Tatsache, die Yal manchmal verstörte. Aber er hatte noch niemals gewagt, sie nach dem Grund zu fragen.

      Die Erdmagierin stand ächzend auf und putzte sich mit einer ärgerlichen Bewegung den Staub vom Rock. Es nützte nicht viel, er sah deshalb nicht sauberer aus. Mit einer einladenden Handbewegung wies sie auf einen grob gezimmerten Stuhl in der Nähe des Kamins.

      „Setz dich doch, mein Lieber! Was führt dich zu mir? Fühlst du dich etwa einsam in deinem Häuschen?“

      Yal musste lächeln. Irgendwie hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Er war einsam. Damals, als er nach Findward kam, war er froh gewesen, seine Ruhe zu haben. Aber nun bedrückten ihn vor allem die langen, dunklen Nächte. Er fror zu oft.

      Yal betrachtete Xargas Gesicht, das der Feuerschein beleuchtete. Er hatte sich an ihre Hässlichkeit gewöhnt, an ihre mit Warzen übersäte Haut, an die deformierten Gesichtszüge. Sie sah aus wie eine große Kröte. Ihr unsteter Blick streifte ihn. Sie schielte und er wusste nie, wohin sie gerade schaute. Auch jetzt rollte sie mit den Augen, eines sah ihn kurz an, das andere starrte beharrlich auf irgendetwas hinter seiner linken Schulter.

      Der Feuermagier ließ sich auf den Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht beängstigend ächzte und streckte die Beine dem Feuer entgegen. Dann schlug er die Kapuze zurück und atmete tief durch.

      „Ich komme einfach nicht weiter“, seufzte er.

      Xarga hörte den Verdruss und die Müdigkeit aus seiner Stimme und sah ihn schweigend an.

      „Amathi streikt“, fuhr er fort. „Sie weigert sich mit mir zusammenzuarbeiten. Es ist ja auch kein Wunder. Ich habe sie während der letzten Mondumläufe wirklich sehr beansprucht. Und ohne sie kann ich gar nichts tun. Es ist, als würde sich alles endlos im Kreis drehen. Mein Schädel brummt und ich kann nicht mehr schlafen!“

      Die Erdmagierin hörte sich sein Lamentieren an und rieb die Warze an ihrer krummen Nase.


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