Plot & Struktur: Dramaturgie, Szenen, dichteres Erzählen. Stephan Waldscheidt

Plot & Struktur: Dramaturgie, Szenen, dichteres Erzählen - Stephan Waldscheidt


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sein: »Ja, du bist cool, und wir kriegen den Drecksack von Schurkowski dran«, ein erstes Date zweier Liebender. Es kann subtil sein wie ein verstohlen verliebter Blick oder so exzessiv wie dramatischer Sex ohne Schranken.

      Der Moment spiegelt das Happy End wider oder deutet es voraus.

      Dieser Punkt kann auch als Katalysator die Entscheidung im Midpoint anstoßen.

       Zweiter Pinchpoint (etwa in der Mitte zwischen Midpoint und zweitem Plotpoint)

      Eine zweite große Erinnerung für den Leser: Der Schurke ist nicht nur immer noch lebendig und aktiv, er ist so gefährlich wie eh und je – oder, nein: Er ist sogar noch gefährlicher.

      Im zweiten Pinchpoint bietet sich auch ein Vergleich mit dem ersten Pinchpoint an. Der Gegenspieler unserer Heldin, Frank Schurkowski, erweist sich als gefährlicher als angenommen. Womöglich hat ihn unsere Heldin unterschätzt. Ein fataler Fehler, wie Sie hier zeigen.

      Wie nebenbei trägt der zweite Pinchpoint zur Aufgabe des zweitens Akts bei: Die Ereignisse eskalieren, die Gefahr wächst, die Einsätze steigen. Im zweiten Pinchpoint zeigen und beweisen Sie dem Leser genau das.

      Katalysator der Krise (zwischen zweitem Pinchpoint und zweitem Plotpoint)

      Hier spielt sich häufig das bislang dramatischste Ereignis des Romans ab. Das kann eine Schlacht sein oder ein scheinbar entscheidender Kampf. Die Heldin wirft all ihre Kraft und Klugheit in diesen Konflikt – und verliert.

      Wenn es Ihnen im Roman um die Veränderung Ihrer Heldin geht, so hat sie diesen Kampf verloren, weil sie ihn als ihr altes Selbst gefochten hat. Sie hat sich der notwendigen Wandlung verweigert und bekommt die Quittung dafür.

      Im Katalysator der Krise, der meist eine Katastrophe ist, verliert die Heldin etwas Entscheidendes. Das kann in ihrem Inneren ein lang gehütetes Selbstverständnis sein. Das kann in der äußeren Welt der Tod eines Verbündeten oder der Bruch mit einem geliebten Menschen sein.

      In Romanen mit einem eher positiven Ende ist dieser Katalysator eine Niederlage, die größte bisher. Endet der Roman schlecht für die Heldin, sind die Vorzeichen womöglich umgekehrt: Sie gewinnt hier, was falsche Hoffnungen in ihr weckt, nur um in der finalen Schlacht im Höhepunkt doch und endgültig zu verlieren.

      Krise / dunkelste Stunde (All is lost; Fegefeuer; direkt nach dem Katalysator)

      Auf die Niederlage des Katalysators folgt die Krise. Die Heldin erlebt ihre dunkelste Stunde. Das ist der emotionale Tiefpunkt des Romans. Doch erst, wenn die Heldin diese Talsohle durchschreitet, ist sie bereit für den dritten Akt.

      Wichtig ist, dass die Krise nicht bloß ein trauriger Moment ist. Hier ist tatsächlich alles verloren: die Heldin hat ihren Traum aufgegeben, ihr Geliebter zieht bei einer anderen Frau ein, sie kehrt mit eingezogenem Schwanz nach Hause zu den Eltern zurück. Eine Rettung ist tatsächlich unmöglich – für die Frau, die unsere Heldin da noch ist!

      Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) kehrt Heldin und Häsin Judy Hopps nach Hause zurück. Sie hat eine persönliche Niederlage einstecken müssen und hat daraus die Konsequenzen gezogen: Die Arbeit als Polizistin, von der sie ihr Leben lang geträumt hat, ist wohl doch nichts für sie. Sie wird Gemüsebäuerin wie alle ihre Artgenossen.

      Katalysator des zweiten Plotpoints (direkt nach der Krise)

      Die Heldin erhält eine neue Information, die alles verändert, ihre Überzeugungen über den Haufen wirft oder ihr die Chance zur Veränderung eröffnet.

      Im Charakterbogen der Heldin ist das der Moment, wo sie ihren fatal flaw oder tragic flaw, den entscheidenden Webfehler ihrer Persönlichkeit, endlich durchschaut.

      So mag sich das Missverständnis aufklären, das sie und ihren Geliebten voneinander getrennt hat. Oder der Ermittler erhält eine neue Information, die ihn den schon verloren geglaubten Fall neu aufrollen lässt.

      Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) erkennt Heldin Judy Hopps an dieser Stelle, dass mit »Könige der Nacht« nicht etwa die Wölfe gemeint sind, wie sie lange Zeit annahm, sondern Blumen – und die sind dafür verantwortlich, dass sich die Raubtiere von Zootopia zurück in Bestien verwandeln.

      Zweiter Plotpoint (PP2, Plotpoint des zweiten Akts; nach etwa 75 bis 80 % des Romans)

      Manchmal wird dieser Plotpoint auch dritter Plotpoint genannt, sofern der Midpoint als zweiter Plotpoint bezeichnet wird. Wichtig ist nicht der Name, sondern seine Stellung: Er steht am Ende des zweiten Akts und katapultiert den Roman in den dritten und letzten Akt.

      Hier im zweiten Plotpoint trifft die Heldin die Entscheidung, die die Handlung in den finalen Akt schubst. Sie macht sich daran, die kaputte Beziehung zu ihrem Geliebten zu heilen. Sie rollt den Mordfall neu auf und konzentriert sich auf neue Beweise.

      Nur weil sie ihren entscheidenden Fehler endlich erkannt hat, kann sie jetzt die richtige Entscheidung treffen.

      Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) zieht Heldin Judy die Konsequenz aus ihrer Entdeckung, was tatsächlich mit »Könige der Nacht« gemeint ist. Sie kehrt nach Zootopia zurück, um mit diesem neuen Wissen das Verbrechen nun doch noch aufzuklären.

       3. Akt: Resolution

       Moment der Wahrheit

      Ein Bruder des Mirror-Moments, eine letzte, oft sehr persönliche und intime Bestandsaufnahme, bevor die Hölle des Höhepunkts losbricht.

      An dieser Stelle bekennt die Heldin ihren entscheidenden Fehler, etwa ihrem Geliebten gegenüber, und räumt das Missverständnis aus. Sie öffnet sich ganz, legt ihre Seele, ihr Innerstes, ihre tiefsten Gefühle blank.

      In einer Liebesgeschichte offenbart der Held der Heldin hier seine wahren Gefühle.

      Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) gibt die Heldin ihrem Freund Nick Wilde gegenüber zu, dass sie ihn vorverurteilt hat, nur weil er ein Fuchs ist, und damit einen großen Fehler beging. Es ist eine Entschuldigung und zugleich ein Geständnis ihrer Gefühle.

      Auf der Gegenseite des Antagonisten ist das häufig der Moment, wo der Schurke seine teuflischen Pläne erklärt und dem Leser viele Dinge klar werden.

      Beispiel: Ziemlich viele der alten James-Bond-Filme.

      Twist (Third Act Twist; ein wichtiger Punkt für Drehbuchautoren)

      In diesem Wendepunkt folgt die in vielen Fällen krasseste Enthüllung des Romans. Sie stellt den kompletten zweiten Akt auf den Kopf. Im Idealfall löst sie im Leser dieses Gefühl aus, das wir alle kennen: erstens ein »Wow!«, zweitens ein »Natürlich! Wie konnte ich das nur übersehen!«

      Häufig erweist sich hier, dass der vermeintliche Oberschurke gar nicht der Oberschurke ist, sondern womöglich nur ein Helfershelfer.

      Beispiel: Im Film »Zoomania« (USA 2016) entpuppt sich die stellvertretende Bürgermeisterin (ein scheinbar kleines, kuscheliges und fügsames Schaf) als die eigentliche Strippenzieherin des zentralen Verbrechens.

      Oder es wird eine Information enthüllt, die den Leser die Handlung mit neuen Augen sehen lässt.

      Beispiel: In dem Science-Fiction-Klassiker »Jahr 2022 … die überleben wollen« (USA 1973) entpuppt sich in diesem Twist das von den hungernden Massen so begehrte, vermeintlich synthetisch hergestellte Soylent Grün als ... Menschenfleisch.

      Höhepunkt (Klimax; im Drehbuch auch »obligatorische Szene«, nahe am Ende des dritten Akts)

      Hier findet die alles entscheidende Auseinandersetzung zwischen Protagonistin und Gegenspieler statt. Es werden keine Stellvertreterkriege


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