Die Narben aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Die Narben aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


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lächelt sie ergeben an und geht an den Tresen, um sich die Auswahl an Zuckerherzen zeigen zu lassen.

      In mir bäumt sich alles auf. Aber ich muss feststellen, dass für Daniel ein normaler Lebenswandel so einfach zu meistern ist, wie für die meisten Menschen. Er ist da so ganz anders als ich.

      Ich sehe Carolin unschlüssig an, die sich einfach nur das Treiben um uns herum ansieht, ohne weiter auf Ellen und ihre Bitte einzugehen.

      Daniel steht unschlüssig an der Bude und besieht sich die Aufschriften der Herzen, während Ellen ihn mit leuchtenden Augen beobachtet.

      Unsicher beuge ich mich zu Carolin herunter und frage dicht an ihrem Ohr: „Möchtest du auch?“ Dabei nicke ich zu der Bude, an der Daniel steht.

      „Bitte nicht. Ich steh da nicht so drauf und es wäre mir peinlich, den ganzen Abend damit herumlaufen zu müssen“, antwortet sie fast schon entsetzt.

      Ich atme auf. Grinsend nehme ich sie in den Arm und flüstere ihr erleichtert ins Ohr: „Ich glaube, du wurdest extra für mich gemacht.“ Ich küsse sie auf die Schläfe und sie sieht mich verdutzt an.

      In dem Moment ruft Ellen ohne Gnade: „Erik, du musst auch eins kaufen.“

      Ich starre sie an. Warum tut sie das? Aber dann fällt mir etwas ein, als ich Ellens leuchtenden Augen sehe und brumme: „Sie ist so nervig! Aber sie hat dich zu mir gebracht und dafür hat sie ein wenig Dank verdient.“

      Carolins Blick trifft meinen und ich zwinkere ihr zu. „Sie will, dass ich auch eins kaufe?“ Mit dieser Frage ziehe ich Carolin zur Bude und neben Daniel. Der hat gerade eins herausgefischt, dass er der dicken Verkäuferin präsentiert. „Das nehme ich.“

      „Und ich das“, sage ich. Ein kurzer Blick in Carolins fassungsloses Gesicht sagt mir, dass sie das überhaupt nicht verstehen kann. Aber sie weiß schließlich nicht, was ich vorhabe.

      Die Verkäuferin lächelt und zieht unter dem Tresen die zwei richtigen Herzen hervor. Wir bezahlen und Daniel dreht sich zu Ellen um und hängt ihr seins um.

      Die Liebe meines Lebens - prangt mit weißer Zuckerschrift von dem riesigen Herz.

      Ellen springt ihm an den Hals und küsst ihn stürmisch, völlig überwältigt von so viel offengezeigter Zuneigung. Sie steht da voll drauf.

      Ich warte, bis der erste glückliche Anflug vorbei ist und Ellens Blick auf mich trifft. Sie sieht mich verunsichert an und löst sich von Daniel.

      Ich hänge ihr mein viel Kleineres um den Hals, auf dem steht: „Mein Glücksbringer.“

      Ellen sieht irritiert auf das kleine Herz über dem großen.

      Ich erkläre ihr: „Du hast mir mein Glück gebracht.“ Mit den Worten ziehe ich Carolin dicht an meine Seite und küsse sie.

      Carolin, sowie auch Ellen, scheinen von meiner Geste betroffen zu sein. Und ich weiß, so eine Aktion hätte mir keiner zugetraut … vor allem Ellen nicht. Aber es macht mir immer wieder Spaß, alle mit etwas zu Schocken, womit sie bei mir nicht rechnen.

      „Musst du mir wieder die Show stehlen?“, brummt Daniel, lacht dann aber und schlägt mir freundschaftlich auf den Arm.

      „Carolin will keins. Also kriegt Ellen eins“, sage ich nur und fügt noch einmal hinzu: „Wenn Ellen Carolin nicht angeschleppt hätte, wäre mein Leben immer noch ein trostloses Nichts.“ Ich weiß, das klingt wie aus einem Kitschroman … ist aber die volle Wahrheit.

      Carolin drängt sich aus meiner Umarmung und zieht mich schnell weiter, als hätte sie Angst, dass es noch schlimmer mit mir werden könnte. Ich muss darüber schmunzeln. So wenig mir bisher solche theatralischen Gesten lagen, genauso wenig steht auch sie in aller Öffentlichkeit auf dergleichen.

      Ellen hingegen kann ihr Glück gar nicht fassen, gleich zwei Herzen tragen zu dürfen.

      In einer Sackgasse finde ich am Ende der langen Budenreihen das bunte Zelt der Hellseherin.

      „Das habe ich gesucht“, raune ich leise und ziehe Carolin in die Richtung.

      „Och ne, Erik, nicht schon wieder!“, ruft Ellen und verzieht das Gesicht.

      Daniel raunt dicht hinter uns genervt: „Alle Jahre wieder.“

      Ich werfe ihm einen schnellen Blick zu. „Ihr müsst nicht warten. Aber ich muss schauen, was sie diesmal sagt“, erkläre ich.

      Carolins irritierter Blick wandert von Daniel zu Ellen, die ihr missmutig erklärt: „Das ist eine Hellseherin. Alles völliger Humbug!“

      Ich glaube meine Aktion rechtfertigen zu müssen und sage: „Bisher hat sie wirklich gute Aussagen gemacht.“

      „Hat sie Carolin vorausgesagt?“, fragt Ellen bissig.

      „Sie sagte zumindest, dass ich im Sommer auf jemanden treffen werde, und dass das meine Welt verändern wird“, antworte ich gelassen und Ellen sieht mich überrascht an. Da sie nichts mehr erwidert, frage ich Carolin: „Willst du auch?“

      Sie schüttelt entsetzt den Kopf.

      „Gehst du denn mit rein?“, frage ich, weil auch sie dem Ganzen ziemlich entrüstet gegenübersteht.

      „Besser nicht. Ich warte hier!“, antwortet sie. Ihr ganzes Gesicht spiegelt eine Angst wider, die ich kenne. Anfangs ging mir das auch so. Wenn man auf diese Weise in die Zukunft blicken lässt, kann das einen auch in einen Abgrund stoßen. Aber bisher erfuhr ich auf diese Art nur Annehmbares.

      Ich nicke und wende mich an Daniel und Ellen: „Bleibt ihr dann doch bitte bei ihr?“

      „Natürlich!“, sagt Daniel sofort.

      Ich gebe Carolin einen Kuss und gehe schnell zu dem Zelteingang. Noch nie schlug mein Herz so heftig und war meine Unsicherheit so groß, als ich in das Zelt trete.

      Die gleiche Gehilfin, wie bei der letzten Kirmes im Frühjahr, tritt mir entgegen und lächelt mich freundlich an.

      „Ist Madame Moinette frei?“, frage ich sie und sie antwortet mit einer angenehmen Stimme: „Sie erwartet Sie bereits.“

      Ich sehe sie überrascht an und folge ihr in den hinteren Teil, froh nicht warten zu müssen.

      Hinter dem Tisch sitzt Madame Moinette und sieht mir aus ihren dunklen Augen freundlich entgegen.

      Ich gehe zu ihr und setze mich auf einen der zwei Stühle.

      „Erik“, sagt sie nur und macht keinerlei Anstalt zu einer weiteren Begrüßung.

      Ich bin nervös und raune ohne Umschweife, um das zu kaschieren: „Madame Moinette, ich möchte Sie heute erneut bitten einen Blick in meine Zukunft zu werfen.“

      Ich will ihr erklären, wieso und dass ihre letzte Aussage sich bewahrheitet hat. Aber sie hebt nur die Hand, dass ich nicht weiterreden soll. Einige Zeit sieht sie mich nur mit einem unergründlichen Blick an. Dann nickt sie fast unmerklich und schiebt sich an den Tisch heran.

      „Du wirkst verändert. Die Kälte hat dich nicht mehr so fest im Griff. Es gibt etwas, das dich erwärmt und doch auch ängstigt. Gib mir deine Hand.“

      Fast wie unter Hypnose reiche ich ihr meine Hand, die sie fest mit ihrer umschließt. Ihre andere Hand gleitet an einen Gegenstand, der unter einem Tuch verborgen ist. Ich warte und alles in mir beginnt nervös zu beben.

      „Ruhig“, raunt die alte Frau vor mir, deren schwarzen, langen Haare über eine weiße Bluse fallen, die die Schultern freilässt. Ein buntes Kopftuch hält die Mähne zurück.

      Ich kann nur auf die geschlossenen Augen starren, die von langen schwarzen Wimpern umrahmt sind und versuche mich zu beruhigen und an nichts zu denken.

      Es dauert, bis sie raunt: „Dein Leben erfährt im Moment viele Höhen und Tiefen. Du hast einige Erfolge zu verzeichnen, aber auch schlimme Niederlagen. Das, was du dir als deine Zukunft erhofft hast, erwies sich als Sackgasse. Dafür trat etwas anderes


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