Beautiful Monster. Melody Adams
den Augen meiner Opfer, wenn ich ihr Leben nehme, ist wundervoll. Das ist der einzige Moment wo mein Opfer und ich schließlich auf derselben Seite stehen. Wo wir uns am nahesten sind. Ich, derjenige der ihr Leben auslöschen will. Und sie, diejenigen welche die Erlösung durch meine Hand ersehnen. Auch Madison wird diesen Ausdruck in ihren Augen haben. Das stumme ‚Tu es! Töte mich!’, und ich werde auf sie hinab lächeln und ihren Wunsch erfüllen. Am Ende bekommen wir beide, was wir wollen. Doch bis dahin haben wir noch einen langen Weg vor uns. Angst und Pein für Madison. Vergnügen und Spannung für mich.
Madison
Ich wache auf und es ist dunkel. Für ein paar Sekunden wundere ich mich, warum ich die Leuchtanzeige meines Radios nicht sehe, doch dann kommen die Erinnerungen zurück und damit die Erkenntnis, dass ich mich nicht in meinem Schlafzimmer befinde. Ist es Nacht? Hat Tristan deswegen das Licht ausgeschaltet? Ich habe meine kleine Zelle bereits zuvor ausgiebig nach Lichtschaltern abgesucht und keine gefunden. Das heißt, dass Tristan kontrolliert, wann das Licht an und aus ist. So wie er von nun an alles, was mein Leben betrifft, kontrollieren wird. Wann und was ich essen darf. Nun, zumindest trinken kann ich jederzeit vom Wasserhahn. Tristan kontrolliert, wann und wie sehr er mir wehtun wird. Wann ich sterben werde. Hat er irgendwelche Spuren hinterlassen, als er mich entführt hat? Gibt es eine – wenn auch kleine – Chance, dass man mich findet? Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Ich muss versuchen, so lange wie möglich am Leben zu bleiben um den Behörden Zeit zu geben mich zu finden. Und natürlich muss ich clever sein und versuchen, meinen Peiniger zu überlisten. Ihn zu überwältigen und hier heraus zu kommen. Ich darf nicht aufgeben. Ich darf nicht brechen. Egal wie viel Schmerz er mir zufügt. Egal wie sehr ich leiden werde. Ich muss stark bleiben. Ich muss jede Möglichkeit nutzen, die mir gegen Tristan helfen kann. Sagen sie nicht immer, dass man seinem Peiniger klar machen muss, dass man ein Mensch ist, damit es ihm schwerer fällt, einem wehzutun? Ein Killer sieht sein Opfer als ein Objekt. Wenn ich ihm klar machen kann, dass ich ein Mensch mit Gefühlen, mit einem Leben, mit Familie und Freunden bin, dann wird er mich vielleicht nicht töten. Es ist eine kleine Chance, das ist mir bewusst. Tristan ist offensichtlich nicht ganz richtig im Kopf. Ich kann also nicht davon ausgehen, dass er sich davon beeinflussen lassen wird, wenn ich ihm meine Menschlichkeit deutlich mache. Doch es ist einen Versuch wert.
Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist. Es ist noch immer dunkel und ich bin hungrig. Wann wird Tristan das Licht wieder einschalten? Und wann wird er mir etwas zu Essen bringen? Er hat vor mir wehzutun, also wird er mich wohl füttern, mich am Leben erhalten so lange er kann. Es macht keinen Sinn, dass er mich hungern lässt. Ich muss auf die Toilette. Es wird nicht einfach, den Weg zum Klo in der Finsternis zu finden, doch mir scheint keine andere Wahl zu bleiben. Ich stehe auf und beginne mich langsam in die Richtung zu bewegen, wo das Badezimmer ist. Das außer dem Bett keine Möbel im Raum stehen macht es natürlich einfacher, nicht gegen etwas zu rennen. Mit ausgestreckten Händen mache ich einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen, bis meine Finger die Wand berühren. Ist das Bad nun rechts oder links von mir? Mein Orientierungssinn sagt, dass ich mich wahrscheinlich rechts vom Bad befinde, also taste ich mich langsam nach links. Tatsächlich erreiche ich nach drei Schritten den Durchgang. Ich taste mich bis zur Toilette vor, und erleichterte Tränen rollen aus meinen Augen, als ich mich auf das blanke Klo setze. Es macht keinen Sinn, sich in meinen Umständen über mangelnde Hygiene aufzuregen. Nachdem ich gepinkelt habe, taste ich mich zum Waschbecken. Ich wasche mir die Hände mit der groben Seife und trinke dann vom Wasserhahn. Vielleicht hilft das Wasser etwas gegen meinen Hunger bis Tristan endlich mit etwas zu Essen kommt.
Es ist noch immer dunkel und der Hunger tut so weh. Ohne zu wissen, wann es Tag oder Nacht ist und wie viele Stunden vergehen, kann ich unmöglich sagen, wie viel Zeit vergangen ist seit ich in der Dunkelheit aufgewacht bin. Ich beginne zu denken, dass Tristan mich doch verhungern lassen will. Doch das macht wenig Sinn. Warum mich verhungern lassen, wenn er mir doch wehtun will? Dann kommt mir ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn ihm etwas passiert ist? Nicht, dass es mich interessiert, ob es dem Bastard gut oder schlecht geht, ob er lebt oder stirbt, doch wenn er da oben krank im Bett liegt oder gar tot ist, dann bin ich hier für immer gefangen. Niemand wird kommen, um mich heraus zu lassen. Ich habe Wasser, also kann ich nicht verdursten, doch ich werde langsam verhungern. Wie lange überlebt ein Mensch ohne Essen? Die Schmerzen in meinen Eingeweiden sind schon jetzt unerträglich. Ich fühle mich so schwach und kraftlos. Ich schlafe viel, doch das schlafen und erwachen macht mich noch orientierungsloser, was die Zeit angeht. Es können bereits Tage vergangen sein und ich würde es nicht wissen.
Tristan
Madison ist seit drei Tagen ohne Essen im Dunklen. Sie schläft viel, doch ich weiß dass sie schwach ist und der Hunger schmerzhaft. Sie weint hin und wieder. Sie wird nicht wissen, wie viel Zeit vergangen ist. Die konstante Dunkelheit gibt ihr keine Anhaltspunkte für den Verlauf von Zeit, und wenn man nichts hat, um sich zu beschäftigen, dann kann die Zeit sehr langsam dahin rinnen. Es muss ihr wie eine Ewigkeit vorkommen. Heute bekommt sie eine Chance auf Essen. Doch sie wird sich das Essen erarbeiten müssen. Mein Blick geht zu dem kleinen Käfig mit dem verängstigten Kaninchen. Das ist Madisons Essen. Wenn sie es denn schafft, das Kaninchen einzufangen, zu töten und in der Feuerstelle zuzubereiten. Die meisten meiner Opfer fallen bei diesem Test durch, was bedeutet, dass sie für drei weitere Tage hungern, bis ich ihnen die nächste Chance auf Essen gebe. Etwa sagt mir, dass Madison diesen Test beim ersten Mal bestehen wird. Nun, wir werden sehen. Ich beuge mich über das Schaltpult und betätige einen Schalter. Das Licht in Madisons Zelle geht an.
„Guten Morgen, Beautiful“, sage ich mit einem Lächeln.
Madison
Das Licht geht an. Meine Augen schmerzen bei der plötzlichen Helligkeit, nachdem ich für wer weiß wie lange im Dunklen leben musste. Ich blinzle, um meine empfindlichen Augen zu schützen. Mein Herz klopft schmerzhaft gegen meine Rippen. Der Hunger ist stetig schlimmer und schmerzhafter geworden, und ich hoffe, dass Tristan mir bald etwas zu Essen bringt. Zumindest bedeutet das Licht, dass er nicht tot ist und ich somit nicht hier fest sitze. In meiner Lage muss man schon für die einfachsten Dinge dankbar sein. Das ist wahrscheinlich auch der Grund für mein Hungern in der Dunkelheit. Tristans Art mir deutlich zu machen, wie sehr mein Leben und somit die einfachsten Dinge die ich stets für selbstverständlich gehalten hab jetzt in seiner Macht liegen.
Es dauert eine Weile, bis die Tür sich endlich öffnet und Tristan in meine Zelle tritt. Ich hasse ihn, und doch bin ich erleichtert ihn zu sehen, denn mein Leben hängt von ihm ab. Erstaunt sehe ich, dass er einen kleinen Drahtkäfig mit einem Kaninchen in der Hand hält. Gesellschaft für mich? Das macht keinen Sinn für mich. Es sollte ihm egal sein, ob ich allein bin oder Gesellschaft habe. Doch wenn er mir wirklich ein Kaninchen als Zellengefährten hier lässt, werde ich mich sicher nicht beschweren. Ich liebe Tiere und ich würde mich nicht so einsam fühlen, wenn ich ein Kaninchen hier hab.
„Was ist das?“, frage ich vorsichtig, als die Tür sich hinter ihm geschlossen hat, und er langsam auf mich zukommt.
„Ein Kaninchen“, erwidert er spöttisch.
„Ja, das sehe ich!“, erwidere ich schnippisch. „Ich meine, für was bringst du mir ein Kaninchen?“
„Dein Essen“, erwidert Tristan mit einem fiesen Grinsen und einem sadistischen Funkeln in seinen Augen.
Ich starre erst ihn und dann das Kaninchen entsetzt an.
„Mein Essen? Du... du willst es hier vor meinen Augen schlachten?“
Er stellt den Käfig auf den Boden und zieht ein Messer aus seinem Gurt. Der Ausdruck in seinen Augen ist von einem solch bösartigen Vergnügen, dass ich ihm mit dem Messer am Liebsten die Kehle durchgeschnitten hätte, wenn ich es denn in meine Hände bekommen könnte.
„Nein, Beautiful. – DU wirst es schlachten.“
Ich stoße ein ungläubiges Keuchen aus bei seinen Worten. Erneut geht mein Blick zu dem Kaninchen. Es schaut verängstigt aus, als wüsste es, was ihm blühte. Dann wende ich meinen Blick Tristan zu. Hass schnürt mir