Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl
dritte Reihe Boote hinter den ersten beiden unbemannten betrachtete. »Ich sehe dort jetzt auch Krieger stehen. Sie …«
Doch bevor er ein weiteres Wort sagen konnte, traten die Picten endlich in Aktion.
In jedem Boot der dritten Reihe erhoben sich mit Pfeil und Bogen bewaffnete Krieger.
»Sie glauben doch wohl nicht, dass sie schon auf Schussweite heran sind«, begann Antonius Farzatio und schüttelte den Kopf, als die Pictenkrieger ihre Pfeilspitzen in Brand setzten.
Auch Ulpius Marcellus zweifelte am Verstand des Gegners. Doch zu seinen Zweifeln gesellte sich nun ein unangenehmes Ziehen in seinem Bauch.
»Wir nicht, aber ihre eigenen Schiffe …«, murmelte er und schon zischten die ersten Brandpfeile in die Luft. Er verfolgte die Flugbahn der Geschosse und fand sie gut berechnet. Einer nach dem anderen landete auf den Booten der ersten Reihe und fiel auf verdächtig feucht glänzende Ladung. Zunächst hatte er den nassen Schimmer für Lichtreflexe gehalten. Jetzt jedoch erkannte er die Flüssigkeit als das, was sie war:
Öl!
Sofort fingen drei Dutzend Boote Feuer und die Flammen verbreiteten sich in rasender Eile über die mit Öl getränkten Decken und Stoffe. Und natürlich brannten sie nicht mit sauberer rotgelber Flamme, sondern mit dreckig rußigem Qualm. Im Nu standen schwarze Rauchsäulen zwischen den beiden Flotten. Und Pfeil auf Pfeil flog in hohem Bogen und fand sein Ziel.
Ulpius Marcellus bewunderte die Zielgenauigkeit der Schützen und ein anderer Teil seines Geistes drängte ihn, Befehle zu geben.
»Feuer!«, schrie er völlig überflüssig, denn jeder Römer hatte das unerwartete Manöver gesehen und längst nach Eimern gegriffen. Viele altgediente Legionäre und Seeleute bespritzten das eigene Schiff mit Seewasser. Doch wenn sie zu nahe an die in lodernden Feuersbrünsten stehenden Pictenboote herankamen, würde dies nicht viel helfen.
Dazu kam, dass die immer dichter werdenden Rauchwolken ihnen die Sicht verwehrten und eigenen Geschossen es erschwerten, wenn nicht gar unmöglich machten, die dahinter verborgenen Ziele zu treffen. Doch niemand der Römer dachte jetzt an den Abschuss der Katapulte.
Mit Grauen sahen sie die Flammenboote herangleiten, näher und näher. Nur noch wenige Minuten und sie würden mit den Triremen der römischen Flotte kollidieren.
»Ausweichmanöver!«, schrie der trierarchus ihres Schiffes und die Ruderer legten sich ins Zeug. Auch sie hatten die heranrückende Feuerwand bemerkt und rissen mit aller Kraft an ihrem Riemen. Schwerfällig drehte sich die große Galeere. Andere Schiffe reagierten ebenso hektisch, und Befehle und Kommandos aus heiseren Kehlen erfüllten die Luft. Das Prasseln der brennenden Schiffe lieferte dazu ein unheimliches Hintergrundgeräusch.
Das Flaggschiff hatte gerade einen Viertelkreis geschafft, als das erste Pictenboot heran war. Ein Drittel der Backbordruderer stieß mit ihren Riemen nach dem Boot, um es auf Abstand zu halten und für ein, zwei Minuten gelang ihnen das auch. Doch die weitere Drehung der Galeere erschwerte ihnen die Abwehr und so verlegten sie sich wieder auf das Rudern und die Unterstützung ihrer Kameraden.
An Deck rannten alle verfügbaren Legionäre mit Eimern herum und bildeten von Steuerbord nach Backbord eine Kette. Die einen schöpften zwischen den Riemen ihrer Ruderer nach Wasser, die anderen schleuderten es auf das brennende Boot.
»Du, trierarchus Farzatio, bleibst hier auf dem Achterdeck und befehligst die Löscharbeiten! Sei gewarnt: Auch wenn hier nur Flammen unsere Gegner zu sein scheinen, könnten sich die Picten dazwischen unbemerkt nähern und uns von Achtern zu entern versuchen. Also behalte das Wasser im Auge!«
Er wartete nicht auf eine Bestätigung, sondern wandte sich an Sidonius Gavius.
»Komm mit mir an den Bug. Dort werden wir uns der Flotte der Picten stellen. Sie kennen vielleicht noch nicht unsere Raben«, sagte er und brachte ein bösartiges Grinsen zustande. »Wir werden ihnen zeigen, wie Römer auf See kämpfen.«
Er wandte sich ab und rannte durch die Mannschaften und Legionäre. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein zweites Boot gefährlich nahe heranglitt und bereits vollständig brannte. Wie eine höllisch heiße Fackel schwamm es auf die Galeere zu und wirkte dabei wie der Eingang zum Orkus. Hässlich kreischende Dämonen schienen in den züngelnden Flammen zu tanzen und die verzweifelten Löschbemühungen der Römer zu verspotten.
Doch deren Anstrengungen zeigten Erfolg. Beide Flammenboote fielen zurück, als die Galeere ihre Wende vollendet hatte und die Ruderer sie wieder ein wenig schneller vorantrieben, als die Strömung die Feuerschiffe.
Marcellus und Gavius atmeten auf, als sie beobachteten, dass auch anderen Triremen das Manöver geglückt war und parallel zu ihnen der zweiten Schiffsformation des Gegners zusteuerten.
Sie sahen aber auch, dass über die Hälfte der römischen Flotte völlig durcheinandergeraten war und viele Schiffe bereits Feuer gefangen hatten. Zu spät erteilte Befehle hatten zu Segeln geführt, die als lodernde und rauchende Fanale die Unfähigkeit ihrer Kommandanten kundtaten.
Der Statthalter und seine rechte Hand bissen die Zähne zusammen, als sie brennende und vor Schmerzen brüllende Männer von den Schiffen springen sahen. Viele davon begannen im Meer zu versinken, anstatt sich schwimmend in Sicherheit zu bringen.
»Schneller!«, schrie Ulpius Marcellus und schlug mit einer Faust auf die Reling.
Der symphonieacus reagierte sofort und erhöhte das Tempo seiner Trommelschläge. Die letzten unkoordiniert rudernden Männer rissen sich förmlich am Riemen und fanden zu ihrem Takt zurück. Das Flaggschiff nahm Geschwindigkeit auf und setzte sich an der Spitze einer erschreckend kleinen Zahl noch voll funktionstüchtiger Triremen in Fahrt.
Ulpius Marcellus musste seine Wut und Ungeduld mit aller Macht bezwingen, um nicht schon jetzt den nächsten Befehl zu geben. Es dauerte quälende zehn Minuten, bis sich hinter ihm 23 weitere Schiffe formierten und auf annähernd die gleiche Geschwindigkeit kamen.
Mit Genugtuung und einem fast grimmigeren Gesicht als Sidonius Gavius registrierte er, dass wenigstens diese Schiffe nicht in Brand geraten waren und sich auf den Kampf konzentrieren konnten.
»Katapulte bereit machen!« Sein Befehl donnerte über das Schiff und zu den unmittelbar neben ihm fahrenden Galeeren. Ein Ruck schien durch Offiziere und Mannschaften zu gehen.
Das war die Art, die sie kannten.
»Entermannschaften in Formation!«
In Reih und Glied standen die Legionäre und mancher lachte, als er die kleinen Currach mit bis an die Grenze zur Überladung bemannten Picten näher kommen sah. Das Tempo der Galeeren war um ein Mehrfaches schneller als das der kleinen Boote. Die Strömung war nun auf ihrer Seite.
»Raben bereit machen!«
Die Mannschaften an den über zehn Meter langen Enterbrücken standen längst bereit. Sie kannten ihre Aufgabe. Jeder Handgriff saß und das Knarzen der Seilzüge und das raue Knacken der Zahnräder gab den wartenden Legionären neuen Mut. Der eiserne Dorn des Corvus hob sich und blinkte mit kalter Härte den Picten entgegen.
Sobald er auf das feindliche Deck schlug, würden sie als eine Wand aus Schilden und Speeren vorrücken. Als die Picten auf Schussweite heran waren, konnte Ulpius Marcellus kaum an sich halten.
»Katapulte … Los!«
Mit harten Schlägen lösten die Bedienmannschaften die Sperrhaken aus den Zahnrädern und kesselgroße Steinbrocken flogen den Picten entgegen.
Doch die warteten nicht, bis die Geschosse auf ihren kleinen Booten einschlugen. Sie hatten nur darauf gewartet, dass die Katapulte ihre tödliche Ladung losließen und somit die Flugbahn erkennbar und unabänderlich war. Sie ruderten blitzschnell und mit großer Wendigkeit auseinander, sodass kein einziges Geschoss sein Ziel fand. Mit kläglichem Klatschen spritzten sie knapp aber wirkungslos an den kleinen Booten vorbei auf die Wasseroberfläche und versanken sofort.
Marcellus sah eine Katapultladung nach der anderen im Meer versinken und schrie seinen Frust hinaus:
»Rammgeschwindigkeit!«