BLICK AUF DEN NIL. Karim Lardi

BLICK AUF DEN NIL - Karim Lardi


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Gott, lass mich daran ersticken“, sagten sie flehentlich.

      Wie gebannt starrte er auf sie, von Kopf bis Fuß als würde er sie mit Laserblicken scannen und sie in seiner geistigen Datenbank zur späteren Verwendung speichern, als, wie aus dem Himmel, die scheppernde Stimme seines Kollegen, ihm tadelnd einen scharfen Befehl in einem provinziellen Dialekt zurief:

      „Yalla Abdalla, schuf Schurlak!!! Los an die Arbeit!“

      „…und werde nicht sentimental!“, plärrte er aus vollem Hals.

      Es folgte gehemmtes Gelächter.

      Der junge Grenzpolizist stieß einen Seufzer aus, hob seine Kappe und kratzte sich am Hinterkopf, als wäre es ihm etwas peinlich, bei seiner wahren Absicht ertappt zu werden. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die anderen uniformierten Kollegen schnaubend auflachten.

      Sie arbeite als Archäologin, „Ilm al-athar! Ilm al-athar!“, versuchte sie ihm auf Arabisch zu erklären, als er sie hinter einem erhöhten, vergitterten Schalter in gebrochenem Englisch nach dem Ziel ihrer Reise fragte und ihren deutschen Pass stirnrunzelnd in seinen Händen drehte.

      „Arch--aeo--log--ist?!“, sagte er wichtigtuerisch und täuschte Erstaunen vor, während seine Brauen hoch bis zum Haaransatz schnellten und seine Augen hastig hin und her hechelten, als würde irgendwie der Begriff in ihm schwer wurmen.

      „Ich weiß, Sie können sich es nicht vorstellen, aber das ist ein Beruf und sogar ein aufregender“, sagte sie lachend auf Englisch.

      „Dass es noch etwas Anderes geben könnte als deutsche Touristinnen, liegt wahrscheinlich jenseits seines Vorstellungsvermögens…übersteigt seinen Horizont“, kommentierte sarkastisch die füllige Frau, die das Gespräch mitbekommen hatte, schob ihren Kaugummi von rechts nach links und ließ die Wimpern flattern.

      Er runzelte die Stirn und überhörte ihren Kommentar. „Laura Talbrück“, flüsterte er vor sich hin mit übertriebener Ernsthaftigkeit, ihren für ihn komplizierten Namen buchstabierend und auf seinem Computer mit einem Zeigefinger zögerlich tippend.

      Genüsslich drückte er seinen dicken Stempel in ihren roten Pass. Das feurige Erröten seiner Wangen verriet den Sturm der glühenden Empfindungen, die über ihn gerade hinwegfegten.

      Schnell erhaschte er verstohlen noch einen letzten Blick und wischte sich den Schweiß von der Stirn, was die Kollegen mit noch lauterem Gekicher quittierten.

      „Gepriesen sei der Prophet!“, sagte er als Laura sich zum Gehen umwandte, und verzog seine Lippen zu einem langen lautlosen Pfeifen.

      „Die goldenen Sommersprossen scheinen einem den Verstand geraubt zu haben“, frotzelte der Provinzler aus dem gegenüberliegenden Schalter mit einer gespielten, betörenden Stimme, ganz nebenbei, ohne ihn anzusehen.

      Laura drückte sich dichter an eine Säule der Gepäckhalle und wartete auf ihre Tasche. Neugierig beobachtete sie, was um sie herum geschah. Die Fluggäste wurden immer nervöser, drängelten sich um das Förderband, hielten Ausschau nach ihren Koffern und beschwerten sich über die schleppende Förderung des Gepäcks.

      Es dauerte lang, als würde es mit Kamelen herbeigeschafft. „Wann wohl die Karawane ankommt“, witzelte man.

      Uniformierte Männer saßen in vielen kleinen Grüppchen lethargisch zusammen und verfolgten missmutig die Witze der Heimkehrer. Mit versteinerter Miene beobachteten sie sie Kürbiskerne knackend, Tee und ungesüßten türkischen Mokka schlürfend.

      Endlich nach einer Weile ratterte das Gepäckband und brachte in quälender Langsamkeit die Koffer in die Halle.

      Hurtig und genervt packten die Fluggäste ihre dicken Koffer, krampften die Hände um ihre Kartone und ihre Plastikeinkaufstaschen aus den Duty-Free-Shops. Jeder bemühte sich mit seiner Pyramide ab und verschwand eilend in Richtung Ausgang.

      „Bringt Devisen, Leute! Überquert das Meer nicht um Wasser zu holen!“, sagte ein schnauzender Beamter barsch, mit einem wehmütigen Stich des Neids.

      „Von dem asiatischen Zeug haben wir selber genug hier!“, setzte er mit schmetternder Stimme hinzu.

      Als sich die Türen öffneten, weiteten sich Lauras Augen beim Anblick der vielen Familienangehörigen, die draußen hinter den Schranken, in der sauerstoffarmen Luft, warteten und spähten. Der von Lärm erfüllte Flughafen war plötzlich ein einziger Hexenkessel.

      „Gott sei Dank seid ihr gut angekommen! Willkommen daheim, willkommen daheim! Sie erleuchten Ägypten!!“, begegneten sie rührselig jedem der Heimkehrer. Ein rührender Moment.

      Etwas weiter rauften sich verzweifelte Leihautofirmen, Hotelvermittler und Taxifahrer um einige Touristen und redeten wild gestikulierend auf sie ein.

      „Leute! Ihr seid ehrenwürdige Taxifahrer und keine Bettler! Benehmt euch!“, tadelte abfällig ein alter Herr.

      Reisende versuchten, jeder auf seine Art, die nächste Transportmöglichkeit zu ergattern, nur um dem ganzen unerträglichen Rummel zu entkommen.

      Kleine verstreute Gruppen lösten sich langsam auf.

      Auch Laura eilte mit schnellen Schritten hinaus um nur so schnell wie möglich das tosende Durcheinander und das Gewirr hinter sich zu lassen.

      Draußen regte sich kaum ein Lufthauch. Kairo brütete in einer erstickenden Hitze.

      Laura war dabei ein Taxi heranzuwinken als eine hechelnde, verrauchte Stimme in ihrem Rücken erklang und eine süßlich-blumige ägyptische Begrüßungssalve abfeuerte.

      Als sie sich umdrehte blickte sie in das vom Wetter gezeichnete und zerfurchte Gesicht eines alten gedrungenen Taxifahrers, der mit einem breiten zahnlosen Lächeln vor ihr stand.

      Halb in gebrochenem Englisch, halb auf Ägyptisch begrüßte er sie immer wieder mit den erlesensten Wendungen, die für ihren europäischen Geschmack bestimmt zu schwülstig klangen. Laura nahm sie so wie sie waren.

      „Welcome…Welcome…Ich wünsche Ihnen einen Morgen voller taufrischer Rosen und Jasmin! Sie sanft duftendes Veilchen, Sie Jasmins´ Essenz! Was für ein Glanz in Ägypten! Ihr Besuch ist für uns eine Ehre.“

      Laura hätte lieber mit ihm Arabisch gesprochen, aber er gab ihr keine Chance; er legte einen noch größeren Eifer an den Tag, so dass sie nicht Schritt halten konnte. Außerdem hatte das Klassisch-Arabisch, was sie in ihren drögen Vorlesungen gelernt hatte, mit dem Dialekt, den der Taxifahrer gerade sprach, wenig zu tun, um nicht zu sagen nichts. Zumindest kam es ihr so vor.

      Der alte Fahrer öffnete übereifrig die Fahrertür des schwarzweißen Taxis älteren Baujahrs.

      Laura stieg ein und nahm auf dem Rücksitz Platz. Der Taxifahrer quetschte sich mühsam in seinen Sitz und schloss die Tür so sachte wie möglich.

      „Abu Huyam Abd-Essabur el-Harankesch!“, stellte er sich selbstbewusst vor. Laura stellte ihren Rucksack auf ihren Schoß und nannte die Zieladresse.

       99, Rosengirlandengasse. Zamalek.

      Der Taxifahrer murmelte ein paar Gebetsfetzen, bevor er versuchte, den alten Zündschlüssel herumzudrehen. Der Motor hustete und spuckte ein paarmal bevor er endlich ansprang.

      Laura stellte die Zeit ein. Es war 5.30 Uhr in der Früh, als sie losfuhren, den Flughafen hinter sich lassend und sich langsam in den Verkehr einfädelten. Vornübergebeugt saß der alte Taxifahrer hinter dem Lenkrad, das er so fest umklammert hielt, dass seine Adern dunkelgrün hervortraten.

      Es war recht viel Verkehr für einen Freitag. Kairo kennt nämlich keinen Ruhetag. Tag und Nacht bedeuten nichts. Die Menschen ebben und fluten in allen Richtungen, wie von unsichtbaren Strömungen bewegt.

      Er betrachtete sie im Rückspiegel, an dem eine Hand der Fatima mit türkisfarbenem Auge in der Mitte baumelte.

      Eine Zeit lang fuhren sie schweigend, bis der alte Taxifahrer sie mit der Frage überrumpelte:

      „Wie lange werden Sie uns beehren?“,


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