Ost-wärts. Thomas Helm

Ost-wärts - Thomas Helm


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Sergeanten. »Er sprach anfangs ganz langsam mit mir. Auch die Hände haben wir genommen. Und er hat viel mit mir gesungen«, erklärte der Junge bereitwillig.

      Einen Monat später, nachdem seine Eltern widerstrebend doch noch ihr Einverständnis gegeben hatten, versetzte man ihn ausnahmsweise in eine so genannte »Russisch-Schule«.

      Diese Sonderschule besuchte Michael bis zur zehnten Klasse.

      In der Siebenten verpassten ihm seine Mitschüler den Spitznamen »Kolja«. Der bezog sich auf seine auch für diese Schule überragenden Sprachkenntnisse. Was den Jungen wiederum mit sichtlichem Stolz erfüllte.

      Seit seiner Schuleinführung zeigte sich Michael Bruhns auch »gesellschaftlich aktiv«. In der ersten Klasse trat er den Jungpionieren bei, später wurde er Thälmannpionier. In der Achten bat er um die Aufnahme in die FDJ.

      Gleichwohl verzeichneten die Lehrkräfte bei ihm einen unterentwickelten Kameradschaftsgeist sowie eine gewisse Gefühlskälte. Das konstatierte man mit einiger Besorgnis. Doch über eine weitere Feststellung enthielt man sich jedweden Kommentars.

      Sie betraf Michaels offen bekundete Begeisterung für sowjetische Filme, in denen Gewalt und Krieg gezeigt wurden. Denn Kinobesuche zählten zu schulischen Pflichtveranstaltungen. Für alle Kinder in polytechnischen Oberschulen und auch für Jugendliche in der Berufsschule. Daher kamen sie nicht umhin, sich dem Heroismus und der Kriegsverherrlichung hingeben zu müssen.

      Kurz nach seinem fünfzehnten Geburtstag wurde Michael Bruhns Mitglied der GST.

      Dort zeigte er stets vollen Einsatz und eine hohe Selbstdisziplin. In den Sektionen Schießsport und Wehrkampfsport gehörte er in den folgenden drei Jahren sogar zu den Besten. Hier bei der »Gesellschaft für Sport und Technik« nutzte er viele der gebotenen Möglichkeiten und erwarb so auch den Führerschein für Motorrad und Pkw. Er war hart gegen sich selbst und folgte jedem Befehl ohne Murren.

      Michaels Kameraden indes widersetzten sich gelegentlich den harten Übungen im Gelände.

      Hierauf war er es der die Anderen zu Disziplin und Ausdauer drängte. Und sie von der Notwendigkeit einer höheren Leistungsbereitschaft zu überzeugen suchte.

      Die erste, aufregende Liebelei überraschte Michael Bruhns in der zehnten Klasse.

      Beate ging in seiner Schule in die Neunte. Sie reichte ihm bis zum Kinn und bot dem Betrachter einen ansehnlichen, züchtig verpackten Busen.

      Bereits nach wenigen Tagen versuchte er bei dem Mädchen aufs Ganze zu gehen, da sich eine unerwartete Gelegenheit bot.

      Die Eltern eines Mitschülers weilten zum Urlaub in Bulgarien. Daher verkündete der Alleingelassene im Kreis der von ihm Auserwählten, dass er eine sturmfreie Bude habe.

      Er lud alle in das etwas abseitsstehende elterliche Einfamilienhaus ein, wo eine sogenannte »Party« stattfinden sollte. So zumindest nannte er es.

      Michael und Beate gehörten zu den Auserwählten. Daher hockten auch sie am darauf folgenden Nachmittag inmitten der anderen Jungen und Mädchen. Im Kreis saßen sie auf einem Teppich. Umgeben von dichtem Zigarettenqualm, bei lauter Westmusik und Apfelweinbowle.

      Irgendjemand hatte anscheinend Schnaps in die Bowle gegossenen. Jedenfalls befanden sich vor allen die Mädchen bereits nach kurzer Zeit in spürbar loser Stimmung.

      Auch Beate ging es so.

      Michael nutzte die unerwartete Chance und wendete sich an den Gastgeber. »Sag mal, wohin könnte ich mich mit meiner Dame denn mal rasch – verdrücken?«

      Der »Hausherr«, schien auch schon etwas angetrunken. Er gab sich sehr generös und verwies Michael süffisant grinsend auf das Gästezimmer. »Da hinten links. Aber versaut mir bitte nicht die Polster oder den Teppich!«

      Nach einem kurzen aber sehr engen Tanz handelte Michael. Er nahm die angeschickerte Beate fest bei der Hand. Ihren fragenden Blick negierte er. Wortlos entführte er sie aus der lärmenden, verqualmten Feier hinüber in das stille, schummerige Gästezimmer.

      Das Mädchen offenbarte bereits einen wiederholten Drang zum Kichern. Zudem zeigte sie ein starkes Anlehnungsbedürfnis. Insbesondere, nachdem Michael sie auf ein breites Sofa platziert hatte.

      Darum setzte er sich eng daneben und begann sie betont zärtlich zu küssen. Weil Beate seine Küsse erwiderte, ließ er nunmehr mutiger geworden die Hand unter ihren Pullover gleiten. Das Mädchen küsste ihn auch dann noch zurück, als er mit der Hand aufgeregt diese prallen Dinger in ihrem Büstenhalter erkundete.

      Leider verstand er ihre vermeintliche Hingabe falsch. Nämlich, als eine Aufforderung zu weitergehenden Kühnheiten. Er schob seine Hand unter den Plisseerock, ließ sie auf den strammen Schenkeln aufwärts wandern.

      Nach einer winzigen Gegenwehr ließ sich Beate auch diesen verwegenen Vorstoß gefallen. Sie hielt die Augen geschlossen und er konnte erkennen, wie um ihre Mundwinkel ein verzücktes Lächeln erschien.

      Das ermutigte ihn zusätzlich.

      Überraschend hörte das Mädchen ihn sagen, dass sie jetzt doch bitte ihren Schlüpfer ausziehen sollte. Da riss sie ihre Augen weit auf. Das Lächeln in ihrem Gesicht wich dem blanken Entsetzen, als sich Michael plötzlich vor sie hinstellte und den Reißverschluss seiner Hose herabzerrte. Völlig entgeistert starrte das Mädchen auf das, was der Junge aus seiner Hose ans trübe Licht brachte.

      Mit einem spitzen Schrei sprang sie auf. Sie stieß den verdatterten Jungen beiseite und rannte fluchtartig aus dem Haus.

      Bis tief in die Nacht hinein grübelte Michael Bruhns über das zuvor Erlebte nach. Er entdeckte jedoch keinen Fehler, den er gemacht haben könnte. Doch eines war für ihn nach Abschluss seiner Überlegungen so sicher, wie das Amen in der Kirche.

      Keine dieser jungen Weiber mehr! Und, wenn doch dann nur eine von denen die reifer waren und gewisse Erfahrungen besaßen!

      Michael Bruhns wollte gern einen »richtigen« Beruf erlernen.

      Aber auch das Abitur strebte er an, um später studieren zu können.

      Also trug er sein Ansinnen der Schulleitung vor und man setzte sich für ihn ein. Mit Beginn der elften Klasse durfte er in eine kombinierte Berufsschule wechseln, um dort eine »Berufsausbildung mit Abitur« zu beginnen.

      Die folgenden drei Jahre lebte er von nun an im Lehrlingswohnheim. Das war für ihn aber auch für seine Mutter eine nutzbringende Lösung. Denn sie konnte jetzt ihre zu groß gewordene Wohnung gegen eine Kleinere tauschen.

      Da sich in der Familie Bruhns einige Veränderungen vollzogen hatten, bot sich das an.

      Michaels Schwestern waren inzwischen beide verheiratet. Die eine nach Erfurt und die andere nach Halle/Neustadt verzogen.

       Vater Bruhns hingegen verstarb im vorigen Jahr überraschend an einem Hirnschlag.

      Jahrelang hatte Johanna versucht, ihrem Anton die Qualmerei vor allem aber den Schnaps und das Bier abzugewöhnen. Leider ohne Erfolg. Er fiel einfach um und war tot.

      Daher wurde die bisherige Behausung für sie zu groß. Im Nachbarhaus hingegen stand wegen eines anderen Todesfalls eine passende Wohnung frei. Die AWG stimmte einem Tausch zu und Mutter Bruhns vollzog mit Hilfe ihrer Kinder den Wohnungswechsel.

      Indessen erlernte Michael fleißig den Beruf eines Baufacharbeiters. Gleichzeitig büffelte er zudem für das Abitur. Mit seiner Lernhaltung und auch mit seinen Lernergebnissen zeigten sich Lehrer und Ausbilder sehr zufrieden.

      Andererseits offenbarte er gewisse für sie beunruhigende Eigenschaften. So bekundete Michael stets nur geringe Neigungen sich in das Lernkollektiv einzufügen. Demgegenüber aber demonstrierte er öfters einen spürbaren Führungsdrang. Zudem neigte er im Laufe der Jahre immer mehr zu einer spontan auftretenden Aggressivität.

      Dessen ungeachtet nahm er stets an allen schulischen und außerschulisch verordneten Aktivitäten aktiv teil.

      Die Berufsausbildung auf dem Bau entsprach in Gänze seinen


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