Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute. Jürgen Ruszkowski

Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute - Jürgen Ruszkowski


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war, sie eines Tages zu heiraten.

      Elisabeth's Eltern mochten mich auch gerne, sie hätten mich am liebsten gleich dabehalten. Ich sollte dann später ins Geschäft einsteigen und es übernehmen. Dass ich für den Plan Feuer und Flamme war, wer könnte das nicht verstehen, aber...

      Nach sechswöchigem Aufenthalt bei meinen liebenswürdigen Gastgebern war ich "leider" wieder gesund und musste wieder an Bord zurück. Wir besuchten uns dann noch monatelang gegenseitig. Ich hatte schon nach Hause geschrieben, dass ich in Macao bleiben und Elisabeth Herculanum heiraten wolle. Da hatte ich aber ganz schön ins Fettnäpfchen getreten. Meine Eltern werden schön gewettert haben, jedenfalls hatte Vater an seinen Kapitän Peters geschrieben, der in Pernambuco die WILHELMINE löschte, dass er sich um den verliebten Sohn in Macao kümmern möge. Es wurde wieder Weihnachten und Neujahr 1896.

      Am 10. Februar 1896 kam unerwartet Kapitän Peters in Macao an, und ich war über den Besuch ziemlich erstaunt. Schnell stellte sich heraus, dass er Order von meinem Vater hatte, die AXEL zum Abwracken zu verkaufen und mich nach Hause zu befördern. Nun hieß es Abschied nehmen, es flossen endlos Tränen, aber es half nichts, ich musste mit. Bis alles erledigt war, wohnte ich noch mit Kapitän Peters in einem Hotel, d. h. das was man dort so Hotel nannte. Hängematten und drunter liefen Schweine, Hühner und Gänse herum. Über meine Erlebnisse in Macao wusste die Drestedter Familienchronik vor einigen Jahren folgendes zu berichten:

      „...Aus fernen Häfen trafen Briefe und Telegramme in Cranz ein, die über Schiff und Ladung sowie Besatzung berichteten und so die Familie immer mit der fernen Welt verbanden. Dabei trafen nicht immer gute Nachrichten ein, und als eines Tages der Kapitän der AXEL aus Macao meldete, dass das Schiff leckgesprungen sei und nicht mehr repariert werden könne, war guter Rat teuer. Es fehlte nicht an Landhaien im internationalen Hafenviertel der "Portugiesischen Kolonie", die jetzt ein Geschäft witterten und nun das Wrack für ein Taschengeld erwerben wollten. Versicherungen, die den Verlust eines Schiffes ersetzten, hatten noch ihre Tücken. So machten sich auf Weisung von Jan Hubert der Kapitän und seine Leute daran, das Schiff in eigener Regie abzuwracken und die einzelnen Teile selbst zu verkaufen.

      Es wäre auch alles gut abgelaufen, wenn die AXEL alleine draufgegangen wäre. Aufregender muss es jedoch gewesen sein, als in Cranz die Kunde eintraf, dass auch das Herz des kleinen Johannes leck gesprungen war, und der sein eigenes Lebensschiff nun in den Hafen der Liebe steuern wollte. Hannes war Leichtmatrose auf der AXEL und der Sohn von Jan Hubert. Für solch eine Fahrt schien aber Hannes seinem besorgten Vater noch nicht erfahren genug, und zum Abwracken war er ihm zu schade. Vater Jahn wird damals recht bekümmert gewesen sein... Seine väterlichen Anweisungen an Kapitän Peters (Kapitän Lünstedt war inzwischen in Macao gestorben), wenn nötig die Hilfe des deutschen Konsuls in Anspruch zu nehmen, (Hannes war ja erst 17 Jahre alt und alles andere als mündig) brauchten nicht verwirklicht werden. Johannes kam mit eigener Kraft wieder flott und segelte vor vollem Wind nach Hause, wo er wie ein verlorener Sohn empfangen wurde. Seine dunkle Schöne wird ihn bald vergessen haben, aber für Johannes blieb dieses Macao für sein ganzes Leben mit dem romantischen Zauber der Südsee und mit jugendlicher Schwärmerei verbunden, deren Erinnerungen ihn auf den vielen Fahrten begleiteten. Er soll aber nie mehr mit leckgesprungenem Herzen in fremden Häfen vor Anker gegangen sein." - Soweit die Familienchronik...

       Als Leichtmatrose Richtung Heimat

      Mit einem kleinen Passagierdampfer fuhren wir nach Pernambuco, und dort wurde ich als Leichtmatrose mit 35 Mark Heuer auf der WILHELMINE, ein Schwesterschiff der AXEL angemustert. Nun konnte die Arbeit wieder losgehen, und bei 40° Hitze mussten Stückgüter gelöscht und Sandballast geladen werden. In Pernambuco herrschte außerdem noch die Pest, aber wir blieben davon verschont. Auf vielen anderen Schiffen war die gesamte Besatzung dieser furchtbaren Epidemie zum Opfer gefallen. Wir aber fuhren nach Mosseiro weiter, 1200 Seemeilen von Pernambuco entfernt. Man musste, um den Hafen zu erreichen, noch viele Kilometer einen Fluss befahren und waren bald vom Urwald umgeben. Da aber auch noch eine Flaute eintrat, mussten wir unser Schiff festmachen, und zwar wurde es an einem Urwaldbaum vertäut. Nun hieß es, auf die nötige Brise zu warten, und es dauerte zehn Tage bis wir endlich den Ladeplatz erreichten. Kamen wir mal wieder wegen zu großer Flaute nicht weiter, kletterten wir von Bord und schlugen uns im Urwald das nötige Holz, um unseren Ofen in der Kombüse in Gang zu halten. Viele Schlangen gab es da, Kobras usw., mit denen man natürlich nicht gerne in Berührung kommen wollte, denn früher hatte man noch nicht das Gegengift, das uns bei einem eventuellen Biss hätte retten können.

      Eines Morgens, wir hatten gerade unsere Segel zum Trocknen aufgehängt, wäre es beinah passiert, dass so eine Natter ihr Opfer gefunden hätte, und das wäre ich gewesen. Vorne auf dem Klüverbaum lag das Klüversegel, und ich sollte es wieder festmachen. Als ich es auseinander schlug, kam doch eine große Kobra direkt vor mir hoch. Ich konnte nicht zurückweichen, denn die Schlange versperrte mir den Weg. Ich schrie laut um Hilfe, und der Lotse, der gerade an Bord war, hörte meinen Schrei und ahnte nichts Gutes. Er kam gleich mit einer Handspake angerannt, schlug auf die Schlange ein und traf sie zum Glück, so dass sie über Bord fiel, und so war mein Leben gerettet. Dieses unheimliche Reptil war sicherlich nachts über das Festmachertau an Bord gekommen.

      Im Hafen luden wir Salz. Es wurde von Eingeborenen auf ihren Köpfen in Körben an Bord getragen. Die Moskitoplage war kaum auszuhalten. Wir waren selbst nur noch ein einziger Mückenstich. Unsere Salzladung war für Brasilien bestimmt. Dort wurden mit dem Salz Ochsenfleisch und Felle eingepökelt.

      Am 26. März 1896 wurden die Trossen losgemacht, und flussabwärts machten wir uns auf den Weg nach Rio Grande del Sul und Porte Allegro. Auf dem Fluss fuhren wir mit Wassersegeln. Das sind Segel, die unter Wasser gesetzt werden. Der Strom läuft dann dagegen an und treibt das Schiff vorwärts. Gerade noch vor Dunkelheit erreichten wir die freie See, ein Glück, denn sonst hätten wir noch eine Nacht den Kampf mit den Moskitos aufnehmen müssen. In den dunklen Nächten war es so finster, dass man nicht einmal das Ufer erkennen konnte. 3600 Meilen dauerte die Fahrt, bis wir in Rio Grande ankamen. Auf See blieb es bei dem ewigen Einerlei, Wache schieben und was es sonst so am Tage an Bord zu tun gab.

      Das Wetter war einigermaßen gut, da konnten wir uns dieses Mal nicht beklagen. Im Hafen war es mit dem Zoll genau so, wie es heute noch ist, jeder Winkel an Bord wurde untersucht. Das Löschen der Ladung dauerte neun Tage, es waren nur 150 Tonnen, aber wir mussten ja alles alleine bewältigen, dabei die mörderische Hitze und kein Sonnensegel.

      Am 21. Mai fuhren wir weiter nach Porto Allegro. Dort war das Wetter schlecht, es wehte ein Sturm von Windstärke 11, aber wir kamen doch glücklich an. Wir hatten nur ein paar kleine Beschädigungen an Bord. Die Stadt war sehr schön, meist von Deutschen aufgebaut und um 1896 zirka 20.000 Einwohner stark. Es war dort immer eine große Begebenheit, wenn ein deutsches Schiff einlief, und der Besuch von Deutschen nahm dann auch kein Ende. Jeder wollte von der alten Heimat etwas hören, und man war jeden Tag bei einer anderen deutschstämmigen Familie eingeladen, die einen auch sehr verwöhnte. Diese Zeit ging uns natürlich viel zu schnell vorüber, und der Abschied von unseren Landsleuten fiel uns meistens schwer.

      Unsere Ladung bestand nun aus Fleisch, und die Reise ging nach Rio de Janeiro. Über diese Stadt will ich nichts weiter berichten, man hat schon so viel darüber geschrieben, dass sich jeder eine Vorstellung machen kann. Für uns gab es in Rio sowieso nur viel Arbeit, und die Salzladung machte uns so viel zu schaffen, so dass der Zuckerhut uns auch nicht trösten konnte. Unser Schiff segelte anschließend nach Buenos Aires. Hier gab es wieder Salz, denn wir sollten Felle laden. Es ging dann etwa 70 Seemeilen den Rio Plata flussaufwärts nach Freibentos. Es war ein kleines Nest, wo nur Liebig's Fleischextrakt hergestellt wurde. Wir luden dort Hörner und Hornspitzen als Unterlagen für die Häute. Damit die Häute nicht mit Holz und Eisen in Berührung kamen, wurden die Hörner hochkant aufgestellt, dicht an dicht. Die Fleischextraktfabrik war ein Großbetrieb. Es wurden im Jahr 180.000 Büffel geschlachtet und verarbeitet. Fleisch gab es in rauen Mengen, und wir haben auch feste reingehauen.

      Nachdem wir unsere Hörner endlich verladen hatten, hieß es weitersegeln und zwar einen Fluss hinauf, Paraguay hieß er, ein Nebenfluss des La Plata. Das Segeln macht auf Flüssen einige Schwierigkeiten, denn wenn Flaute war, musste man sofort ankern. Acht Tage brauchten wir, um in


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