Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute. Jürgen Ruszkowski

Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute - Jürgen Ruszkowski


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verteufelt anstrengende Arbeit. Durch den Teergehalt in der Presskohle, brannte uns die Haut bald am ganzen Körper, und es gab dabei viele wunde Stellen.

      Am 1. Juli 1897 begannen furchtbare Stürme, sie machten uns viel zu schaffen, und Schlaf bekam man kaum noch, denn wenn auch Wachablösung war, die Freiwache musste immer zupacken, wenn die Segel festgemacht werden mussten. Kap Horn ist eben Kap Horn. Wenn man bei so stürmischen Wetter aus seiner Koje kam und an Deck ging, kam es nicht selten vor, dass man gerade in einen Brecher lief und buchstäblich schwimmen musste, obgleich man noch nicht über Bord gegangen war. Die Seen waren oft unvorstellbar hoch. Wir haben, um ungefähr 2.400 Seemeilen zurückzulegen, vom l. Juni bis 15. Juli gebraucht, das sind 45 Tage. Um Kap Horn herum zu fahren, war damals eine gefährliche Sache, der Seegang dort ist nicht zu beschreiben, aber man singt ja heute noch manches Lied, das von Kap Horn handelt.

      Zu allem Unglück wurde auf dieser Reise auch noch der Koch krank. Er konnte seinen Dienst nicht mehr versehen, und ausgerechnet ich musste nun sein Amt übernehmen, dabei verstand ich genau nichts von der Kocherei. Nach dem schon früher beschriebenen Wochenplan musste ich nun mein Heil versuchen, die täglichen Mahlzeiten durften ja nicht ausfallen. Also erst mal Erbsensuppe mit Salzspeck. Das war schon ein Kapitel für sich, denn so lange ich die Erbsen auch auf dem Feuer hatte, sie wurden einfach nicht weich. Irgendwo musste ich aber mal aufgeschnappt haben, dass man mit Natron die Hülsenfrüchte weich bekommt, aber wo sollte ich an Bord Natron herholen? – Ich dachte schon mit Schrecken an all die Lästermäuler, wenn die harten Erbsen aufgetischt würden und überlegte hin und her, wie ich mich da aus der Schlinge befreien könnte. Schließlich dachte ich bei mir, dass Soda doch eigentlich auch gehen müsste. Ich organisierte mir gleich ein ganzes Pfund, und das wanderte dann in meinen Kochtopf. Nach ganz kurzer Zeit wurden die Erbsen auch butterweich, und die Mahlzeit schmeckte vorzüglich und wurde auch restlos vertilgt. Aber am Abend dann, oha – oha... Die Lauferei nahm kein Ende, ich habe mich vorsichtshalber gar nicht sehen lassen, denn die ganze Wut galt mir, dem Vizekoch, aber ich konnte doch diese durchschlagende Wirkung nun wirklich nicht voraussehen. Jedenfalls konnte sich niemand über schlechte Verdauung beklagen.

      Im Laufe der Zeit lernte ich dieses Küchenhandwerk einigermaßen, war aber heilfroh, als nach einigen Wochen der Koch sein Amt wieder übernehmen konnte. Ich war glücklich, endlich wieder Seemann sein zu können, und die Besatzung war ebenso froh, nicht mehr Opfer meiner Kochkunst sein zu müssen.

      Am 1. Juli hatten wir die Sturmgrenze überschritten und nach langer Zeit mal wieder Gelegenheit, uns etwas zu pflegen, d.h. uns mal gründlich zu waschen. Inzwischen hatte unser Körper schon eine richtige Salzschicht bekommen, denn wenn es nicht gerade einmal regnete, war keine Möglichkeit vorhanden, sich mit frischem Wasser zu waschen, und das Seewasser ist auf lange Sicht scheußlich. Das Trink- und Kochwasser durfte zum Waschen nicht genommen werden.

      Im August 1897 kamen wir in Iquique an, einer kleinen Stadt mit zirka 10.000 Einwohnern, ein furchtbar eintöniges Nest, wo kein Baum und kein Strauch wuchsen. Trinkwasser musste aus Valparaiso geholt werden, denn in Iquique regnete es das ganze Jahr nicht. Wasser war daher eine Kostbarkeit, und man musste sehr sparsam damit umgehen. Im Hintergrund von Iquique war viel Gebirge, und dort wurde Salpeter gewonnen. So luden auch alle Segler, die diesen Hafen anliefen, Salpeter. Unsere Kohlenladung wurde von der eigenen Besatzung in Prähme verladen, eine schwere Arbeit, denn fast immer waren 40 Grad Hitze. Abends war man dann pechschwarz vom Kohlenstaub. Zum Waschen bekamen wir dann nur drei Eimer Wasser für 36 Mann. Wer zuerst kam, hatte natürlich Glück, bei dem letzten lief das Wasser kaum noch durch die Finger, so dick war es von dem Dreck geworden.

      Manchmal hatte man auch Glück an Bord. So wurde ich mal vom Kapitän ausgesucht, als sein Gigmann zu fahren. Die Gig war das Boot, mit dem der Kapitän immer an Land fuhr, wenn wir auf Reede lagen. Wenn man so ein Pöstchen erwischt hatte, brauchte man nur auf das Boot aufpassen, es natürlich sauber halten und immer bereit sein. Jeder Kapitän wollte selbstverständlich den anderen ausstechen und mit seinem Boot angeben. Ich musste immer fein in Schale sein. Die Sachen lieferte der Käptn, blaue Hose, weißes Hemd und weiße Mütze. Der Kapitän hatte auch eine Schappkiste an Bord, das war eine Kiste, deren Inhalt aus lauter Dingen bestand, welche die Seeleute gebrauchen konnten und die der Kapitän ihnen verkaufte. Sicher hat er daran manche Mark extra verdient. Man konnte so allerlei einkaufen, nur Alkohol durfte er nicht ausgeben, das war zu gefährlich. Aber den besorgten wir uns heimlich an Land. Offiziell war es natürlich streng verboten, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, da kannten wir uns aus. Wir besorgten uns beim Schiffshändler einen Schlauch, den ließen wir mit Alkohol füllen, banden ihn uns um den Bauch und warteten, bis der Kapitän außer Sicht war, dann ließen wir den Schlauch an einer Leine über Bord gehen und holten uns den Segen, wenn die Luft wieder rein war, aufs Schiff zurück.

      Als wir am 1. August seeklar waren, wurde uns von den Amerikanern, Engländern, Norwegern, Schweden, Dänen, Italienern und Franzosen, die damals die besten Segelschiffe hatten, drei shares gegeben, d. h. drei Hurras für die THEKLA. Die ganzen Mannschaften mussten dann antreten, und mit Hallo wurde eine gute Reise gewünscht. Das war immer recht feierlich, heute macht man das nicht mehr. Morgens bei Tagesanbruch wurden die Trossen gelöst und die Anker gelichtet. Mit Schlepperhilfe ging es dann aus dem Hafen. Nochmals drei Shares von jedem Schiff, das wir passierten, und dann waren wir auch bald im freien Wasser. Alle Segel wurden gesetzt, und bei schönem Wetter und frischer Brise segelten wir südwärts Kurs Kap Horn. Im September passierten wir wieder Kap Horn, das Wetter war stürmisch, bei Orkan aus Südwest, doch der Wind kam von achtern, da machten wir trotzdem noch gute Fahrt. Die Seen brachen mittschiffs über Deck, das Deck wurde überhaupt nicht mehr trocken. Heilfroh waren wir alle, als wir dann Kap Horn hinter uns hatten, es ist doch eine verteufelte Ecke.

      Ende September wurde das Wetter dann viel ruhiger, und es wurde auch bedeutend wärmer. Sogar der ersehnte Regen kam, wir konnten die Regensegel aufspannen und so das kostbare Nass auffangen. Wir sehnten uns auch danach, uns mal mit Regenwasser waschen zu können.

      Im Oktober war dann wieder der Äquator fällig, aber wir hatten keine Brise und kamen nur langsam vorwärts. Die Hitze machte uns auch wieder Kummer und weit und breit keine Regenwolke zu sehen. Endlich nach zehn Tagen bekamen wir wieder Wind, und so konnte die Fahrt weitergehen. Langsam musste man nun daran denken, das Schiff sauber zu machen, denn die Heimat muss man im besten Kleid begrüßen. Das ganze Deck musste mit Sand und Steinen geschrubbt werden, und man lag dabei den ganzen Tag auf den Knien. Es musste aber auch alles blitzen und blinken, ehe aufgehört wurde, nirgends durfte ein Rostflecken zu sehen sein, denn jeder Kapitän will ja möglichst das sauberste Schiff haben, wenn er im Heimathafen ankommt.

      Nach einer schönen Reise über den Atlantik kamen wir am 1.12.1897 morgens in Falmouth an und bekamen dort Order, nach Nordenham zu fahren. In Falmouth wurde aber erst mal frischer Proviant eingekauft, es war auch die höchste Zeit, denn fast die ganze Besatzung hatte Skorbut bekommen. Es fehlten eben die Vitamine.

      Im englischen Kanal hatten wir westliche Winde und passierten bald Dover. In der Nordsee hatte dann Neptun noch mal feste aufgeblasen, und wir mussten vor der Weser beidrehen. Es herrschte eine bittere Kälte, alle Segel waren steif gefroren, und wir brauchten sechs Stunden, um die Obermarssegel festzumachen. Es war eine schwere Arbeit, aber das kann nur der verstehen, der es selbst einmal machen musste.

      Am nächsten Tag flaute es etwas ab, es kamen zwei große Schlepper (WOTAN und GOLIATH), die uns in Schlepp nahmen. Wir alle waren überglücklich, endlich einmal wieder Heimatluft zu atmen, und am 7. Dezember 1897 nachmittags um 5 Uhr machten wir unser Schiff am Pier in Nordenham fest.

      Endlich war Feierabend. Abends, wie sollte es wohl anders sein, wurde sich landfein gemacht und dann nichts wie los. Die zwei Wachleute, die an Bord bleiben mussten, taten uns wohl leid, aber wer hat, der hat. Zu lange waren wir fern der Heimat, nun wollten wir erst mal wieder etwas erleben. Die Wirte waren damals auch schon auf Draht, sie wussten, dass die Seeleute nach einer langen Reise nicht geizig waren. So hatte auch der Wirt in Nordenham in weiser Voraussicht eine Musikkapelle bestellt und alle Mädchen von Nordenham eingeladen. Sie kamen aus Nordenham und Umgebung, und so wurde dann fleißig das Tanzbein geschwungen und manches Glas getrunken.

      Am 9. bekam ich meine Heuer ausbezahlt und fühlte mich als Krösus, denn für neun Monate bekam ich 405


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