Schatzsuche wider Willen. Jonathan Turner E.
Old Bobs Shuttle hatte eine sehr eigenwillige Form. Von fern betrachtet hatte es das Aussehen einer giftgrünen Banane und war somit genauso gefärbt wie Old Bobs Hemd. Trat man näher an das Shuttle heran, konnte man über seine gesamte Oberfläche kleine Beulen erkennen, die der Bananen-Form des Schiffes zugesetzt hatten. Von Nahem betrachtet glich es einer unappetitlich aussehenden Gurke.
Eine kleine Gangway lud zum Einsteigen ein. Old Bob kletterte als erster die Treppe hoch, dicht gefolgt von Hank, der sich weiterhin auf den dritten Passagier freute. Er musste sich bestimmt einen anderen Eingang gesucht haben, vermutete Hank.
Old Bob achtete nicht weiter auf den Digitaluhrenfetischisten und schloss per Knopfdruck den Einstieg hinter ihnen. Er schritt nach vorne ins kleine Cockpit, in dem gerade mal so zwei Mann Platz fanden, und ging die Checkliste anhand einer Computerabbildung auf dem Hauptmonitor des Shuttles durch.
Hank sauste zum Hinterteil des Shuttles und Old Bob hoffte, dass er während der gesamten Reise zum Mond im Passagierabteil bleiben würde. Ihn viereinhalb Stunden um sich zu haben, war eine erschreckende Vorstellung. In diesem Moment bedauerte Old Bob ein wenig, dass er mit seiner alten Kiste so lange bis zum Mond brauchte. Einige der neusten Raumschiffe mit besseren Errungenschaften der Technik konnten den Mond in nur einem Bruchteil dieser Zeit mit viel mehr Masse erreichen, aber das interessierte Old Bob normalerweise nicht. Hier an Bord seines Shuttles war er der Kapitän. Vielleicht hätte er es an Bord eines der Giganten nur bis zu einem Kellner oder Steward gebracht. Bei diesem Gedanken lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Nein, er war mit seinem Job vollauf zufrieden.
„Wie hast du dein Shuttle eigentlich genannt?“, fragte Hank, der seinen Kopf plötzlich in die Kabine hineinsteckte und damit bei Old Bob fast einen Herzinfarkt auslöste.
„Schleich dich doch nicht so an!“ Old Bob kämpfte um seinen Atem und fasste sich an die Brust.
„Aber ein Flugzeug muss doch einen Namen haben!“, bestand Hank auf seiner wunderlichen Logik.
„Seit wann denn das?“, fragte Old Bob.
„In einem namenlosen Flugzeug möchte ich nicht reisen. Die stürzen ab“, erklärte Hank.
„Heutzutage stürzen Flugzeuge oder Raumschiffe nicht mehr ab“, äußerte sich Old Bob dazu.
„Ja, wegen der Alientechnologie. Ich weiß, du sagtest das schon einmal.“
„Dann brauche ich es ja nicht zu wiederholen.“
„Und wie heißt nun das Shuttle?“
Old Bob bedachte ihn mit einem genervten Blick.
„Martha! Zufrieden?“
„Nach wem ist es denn benannt?“, hakte Hank nach.
„Nach meiner mir treu ergebenen Ehefrau, bis sie der Krebs von mir nahm.“ Old Bob begann den Satz mit fester Stimme, die aber immer weicher wurde, bis sie fast ans Weinerliche grenzte. Der Name seiner Frau brachte alle die Erinnerungen an sie wieder zurück.
„Oh, das tut mir sehr leid für dich.“ Hank zeigte einen Anflug von Mitgefühl, was Old Bob verwunderte.
„Wirklich?“
„Ja, als ich noch im Marketing Business tätig war, hatte ich auch mal einen Freund, den der Krebs dahingerafft hat. Dagegen haben die Aliens wohl nichts auf Lager?“
„Doch. Eigentlich schon“, widersprach Old Bob. „Es ist nur so, dass meine Frau einen Monat starb, bevor das erste Schiff der Aliens auf unserem Planeten landete.“
„Hmm. Das ist schlimm. Aber es könnte noch schlimmer kommen. Welche Strafe steht eigentlich auf Piraterie?“, fragte Hank aus heiterem Himmel.
„Wie bitte?“ Der plötzliche Themenwechsel irritierte Old Bob.
„Na, ich frage wegen diesem komischen Typen, der mir seine Laserkanone in den Rücken presst!“ Hanks Gesicht verformte sich zu einer schmerzverzerrten Grimasse. „Aua, Mensch, mein Rückgrat!“
Kapitel 3
„Was ist passiert?“ Old Bob war vor Schreck vollkommen außer sich und stand von seinem Pilotensitz soweit auf, wie es das niedrige Dach der Kanzel erlaubte. Tatsächlich! Hinter Hank stand ein großer Mann mit einem Narbengesicht und presste Hank irgendetwas in seinen Rücken. Mit einem schnellen Stoß warf der Fremde Hank nach vorne in Old Bobs Arme. Dieser wurde dadurch wieder zurück in seinen Sitz geworfen.
„Hey, mit mir darf man nicht so umgehen!“, protestierte Hank erfolglos gegen diese Behandlung.
Jetzt konnte Old Bob den Fremden mustern. Der Mann war nahezu zwei Meter groß und breit gebaut wie ein Footballspieler. Er trug einen schwarzen Mantel, unter dem eine dreckige, braune Weste hervorlugte. Nach seinem Äußeren zu urteilen, hatte der Mantel schon bessere Tage gesehen: Er wies zahlreiche Spuren eines rauen Umgangs auf. In ihm war eine beachtliche hohe Anzahl an Löchern, wenn auch nicht ganz so viele wie in einem Schweizer Käse. Die schwarze Lederhose, die über beiden Knien aufgescheuert war, und ein Paar unglaublich hässlicher, roter Stiefel rundeten das geschmacklose Erscheinungsbild des Fremden ab. Unter seiner schwarzen Kappe konnte man an einigen Stellen die extrem kurzgeschnittenen Haare sehen. Seine blauen Augen, die aus dem schmutzigen Gesicht besonders hervorstachen, glühten geheimnisvoll in der Dunkelheit des gedämpften Cockpitlichts. Der Fremde besaß buschige Augenbrauen. Von ihnen ging eine Serie zahlreicher Narben im Gesicht aus. Er hatte wohl schon bei vielen Kämpfe einiges einstecken müssen. Die Tatsache, dass er hier lebendig vor den beiden stand, schien ungemein für ihn zu sprechen.
Sein Mund verzog sich zu einem süffisanten Lächeln, das so kalt wirkte wie ein Eisbärenhintern am Nordpol während einer sechsmonatigen kalten Nacht. Old Bob schauderte bei dem Gedanken, was dieser elende Kerl alles mit ihnen anzustellen vermochte.
Die Waffe, die der Mann in der Hand trug, konnte Old Bob nun eindeutig als eine Blaster O’Kill 4000 identifizieren. Traf man mit diesem Ding jemanden, so löste er sich, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, umgehend in heißen Dampf auf. Rein äußerlich wirkte die Blaster O’Kill überhaupt nicht furchteinflößend. Sie sah eher aus wie eine Kindererfindung, eine aus Klinexrollen, Klebeband und Pappkartons zusammengebastelte Attrappe, aber ihre Wirkung war bewiesen und in der Galaxis gefürchtet. Die Tatsache, dass der Besitz dieser Waffe absolut illegal war, schien deren Träger nicht im Geringsten zu beunruhigen. Hank und Old Bob am anderen Ende der Waffe hingegen waren die Unruhe in Person.
Plötzlich fiel es Old Bob wie Schuppen von den Augen: „Johnny, der Weltraumpirat! Deswegen flog die Polizeistreife hier herum!“
„Bist ein schlaues Bürschchen!“, äußerte sich Johnny, der Weltraumpirat. „Vielleicht kannst du auch noch ein wenig weiterraten und mir sagen, was wir drei nun machen werden?“
Hank sah ihn belustigt und dann wieder besorgt an. Konnte dieser Fremde seine Mission, seine Uhr zu reparieren, gefährden oder unterstützen? Hank versuchte es anhand des bei Johnny nicht vorhandenen Minenspiels herauszufinden. Selbstverständlich völlig erfolglos.
„Du entführst uns?“, fragte Old Bob vorsichtig und ließ langsam seine Hände auf die Armlehnen sinken.
„Fast richtig! Wirklich nah dran, das muss ich dir lassen. Wir werden einfach mal eine kleine Spritztour mit deinem Gleiter unternehmen.“
„Shuttle! Dies ist ein Shuttle, Sir!“, informierte Hank den Banditen.
Johnny lachte kurz auf. So eine merkwürdige Person hatte er noch nie getroffen. „Danke, Mister …“
„Hank, Hank Johnson“, plapperte Hank los. „Ich bin auf der Suche nach einem guten Uhrmacher auf Quazar IV in der Nähe des Orion, und ich frage mich, ob Sie mir helfen könnten, denn sehen Sie, meine Digitaluhr ist leider …“
„Quazar IV?“, unterbrach ihn Johnny, der Weltraumpirat, überrascht. „Ja, so ein Zufall aber auch. Genau dahin möchte ich auch!“
„Wirklich?