Albert de Menier - Exposition Universelle Der Jagdclub von Paris. Benjamin Klunzinger Karl
dicker als du eh schon bist!“
Als der Mann, der die Schnittchen verteilt, merkt, dass Konstanze auch keine Pariserin ist, schlägt er ihr das Schnittchen aus der Hand und pöbelt sie an, sie solle verschwinden. Sophie lacht in sich hinein, wenn ich nichts bekomme, dann wenigstens diese dumme Kuh auch nicht.
Überrascht und ohne diesen Kerl eines weiteren Blickes zu würdigen, geht Konstanze auf Isabell zu. „Da scheint dieser Kerl anderer Meinung zu sein. Der denkt wohl auch, du bist zu fett, deswegen gibt er dir nichts zu essen!“ „Ach was, das ist doch nur ein Spinner, wir können ja mal deinen Albert fragen, wer von uns beiden die Schlankere ist?“ „Das lass mal schön bleiben, der gehört mir!“ „Ich habe dir doch schon gesagt, so lange kein Ring an deinem Finger steckt…“ Da unterbricht Isabell ihre Kontrahentin und klimpert mit ihren Fingern vor Konstanzes Gesicht herum. Konstanze bleiben die Worte im Hals stecken, als sie den Ring sieht. „Ist das…? Soll das…? Bedeutet das etwa, du bist mit ihm verlobt?“ reagiert Konstanze schockiert. Dabei begutachtet sie den Ring und erwähnt abfällig: „Naja, der ist ganz nett, aber da sind nicht einmal Diamanten drauf, ist das dann überhaupt ein Verlobungsring? Gebraucht ist er auch noch, da bedeutest du Albert wohl nicht so viel, wenn er bei dir spart?“ „Blödsinn, das ist schließlich der Ring seiner Großmutter, also hat er einen sehr großen ideellen Wert, der hat mehr Bedeutung, als so ein neuer Brillantring.“ „Ja, ja, rede dir das nur ein, ich glaube eher, du hast das falsch verstanden, und er gab dir den Ring nicht als Verlobungsring, sondern einen Ring als Abschiedsgeschenk, damit du immer an ihn zurückdenken kannst.“ „Da irrst du dich, oder fällt jemand der einen verlassen will, vor einem auf die Knie und bekundet seine Liebe? Vor allen Leuten, hoch oben auf dem Eiffelturm während Geigenmusik spielt?“ Da fehlen Konstanze die Worte, die Einzelheiten über den Antrag wollte sie jetzt nicht hören, aber Isabell musste ihr das einfach unter die Nase reiben. Schmollend und ohne jeden weiteren Kommentar macht sich Konstanze vom Acker, während die anderen Damen gutgelaunt von dannen ziehen.
In einem prachtvollen Rittersaal im Stile Ludwig des XVI, an einer ebenso prächtigen Tafel, sitzen fünf Männer, allerdings ist die Stirnseite nicht besetzt. Hinter dem leeren Platz hängt ein Gobelin mit eigenartig geknüpften Sprüchen und Symbolen. Im Zentrum des Symboles ist eine geballte Faust zu sehen, welche von einem roten Kreis umgeben ist. Am Ringfinger dieser Faust prangt ein goldener Ring mit einem Monogramm „P.P.“. Außerdem steht ein Spruch um den roten Kreis herum. „Eine reine Stadt - ist eine saubere Stadt!“
Der Mann, der rechts neben dem leeren Platz sitzt, steht auf und gibt ein Handzeichen. Daraufhin verlassen die Diener den Raum, und der Mann beginnt zu reden: „Meine Herren, wir haben uns heute hier versammelt, da wir immer noch keine Spur von unserem hochgeschätzten Vorsitzenden Delac haben. Nach unserer Satzung müssen wir einen neuen Vorsitzenden wählen. Vor allem so kurz vor den Stadtratswahlen. Das Pariser Schiff braucht einen Steuermann!“ Die verbleibenden vier Männer nicken zustimmend. „Ich stelle mich dieser Herausforderung und stehe als Kandidat zur Verfügung. Hat sonst noch jemand Interesse?“ fragt der Wortführer mit strengem Blick in die Runde. Keiner der Anwesenden meldet sich, dieser Mann hat sie anscheinend gut im Griff. „Gut, wenn sich sonst niemand zur Verfügung stellt, schreiten wir zur Wahl. Wer stimmt für mich?“ Von den vier übrigen Männern heben drei ihre Hand, ebenso der Kandidat selbst. „Wer stimmt gegen mich?“ Auf diese Frage gibt es allerdings keine Reaktion. Einer enthält sich also seiner Stimme, er macht sich wohl Hoffnung, dass der bisherige Vorsitzende Delac doch wieder auftaucht, und da will er diesen nicht verärgern.
„Also dann ist die Wahl eindeutig, und ich nehme ihre Entscheidung dankend an.“ Applaus ertönt, während sich der Gewählte feiern lässt. Als erste Amtshandlung beginnt er mit dem Stühlerücken und wechselt auf den leeren Platz an der Stirnseite.
„Da nun die Personalie geklärt ist, kommen wir zu unserem Hauptproblem. Durch diese Weltausstellung treibt sich in unserer schönen Stadt das Gesindel aus allen Herren Länder herum, man hört kaum noch unsere schöne Sprache. Der Präsident schaut nur zu, wie alles den Bach herunter geht. Wir müssen die Stadtratswahlen gewinnen! Wenn wir an der Macht sind, werden wir dem Präsidenten zeigen, wo es lang geht, dann dauert es nicht mehr lange, und wir sitzen auch im Elysee-Palast! Wir müssen den Wählern die Gefahren aufzeigen, die dieses Gesindel mit sich bringt. Seit Beginn dieser Ausstellung haben unsere Bürger sicherlich schon gemerkt, wie sich alles ändert. Die Straßen sind überfüllt, die Preise steigen ins unermessliche und die Kriminalität nimmt rasant zu. Dieses Pack verführt auch unsere Frauen, und wenn sie unsere schöne Stadt wieder verlassen, bleiben diese ohne Ehre zurück. Wir können nicht länger zuschauen, wie sie Schande über unsere Töchter bringen, wir sind die einzige Rettung für Paris!“ Es folgt ein stürmischer Beifall der Anwesenden, der neue Vorsitzende hat wohl den Nerv der Mitglieder getroffen. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir weiter vorgehen. Auch wenn ich unseren vorherigen Vorsitzenden Delac verehrt habe, muss ich sagen, dass er zu schwach war. Die Sache mit Dreyfus hatte nicht die gewünschte Wirkung, das Militär ist weiterhin unterwandert. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir erst das kranke Geschwür am Kopfe dieser Stadt, oder besser, dieses Landes entfernen!“ Dies bleibt nicht die einzige Hetzrede in dieser Runde, man kann nur hoffen, dass sie nicht alles ernst meinen.
Nachdem die Damen von ihrem Ausflug zu Monsieur Rossignol wieder nach Hause gekommen sind, begibt sich Sophie auf den Weg in ihre Kammer. Das ganze Gerede über Hochzeit und dem ganzen Pipapo hat sie etwas schwermütig gemacht, und sie muss immer wieder darüber nachdenken, wie alleine sie eigentlich ist. Sophie hat schon fast die Türe zu ihrer Kammer erreicht, da schwingt eine andere Türe plötzlich auf, direkt gegen ihren Kopf, und sie liegt plötzlich am Boden.
Ganz benommen schaut sie hoch und muss erst einmal die Vögelchen verjagen, die um ihren Kopf herumschwirren. „Oh Pardon Mademoiselle, ich bin untröstlich. Es tut mir schrecklich leid, ich war so in Eile. Geht es Ihnen wieder gut?“ Sophie schaut in die dunkelbraunen Augen eines jungen Mannes, der ihr mit einem Tuch frische Luft zu wedelt. „Was ist denn passiert? Hat mich ein Zug überfahren? Oh wie mir der Schädel brummt.“ Die arme Sophie weiß nicht, was mit ihr geschah, aber anscheinend ist ein Engel vom Himmel gefallen und ihr direkt auf den Kopf. Der junge Mann, der sich so besorgt um sie kümmert, hat ein nettes Lächeln und feine Sommersprossen um die Nase. Der ist aber süß! „Es tut mir schrecklich leid, dass ich Sie umgerannt habe, aber ich bin in Eile, ich habe den Job noch nicht so lange, und da darf ich nicht zu spät zu meinen Herren kommen.“ Als der junge Mann sieht, dass es Sophie wieder besser geht, beteuert er noch mal sein Bedauern zu diesem Unfall und will verschwinden. Als er die Treppe schon fast erreicht hat, ruft Sophie ihm noch hinterher: „Wie heißen Sie? Wer sind Sie?“ Der eilige Bursche hält kurz inne und antwortet: „Ich bin Alexandre, ich arbeite bei den Stonebridges in der dritten Etage.“ „Ich heiße Sophie!“ konnte sie gerade noch hinterherrufen, als dieser zauberhafte junge Mann verschwindet. Sophie rappelt sich wieder auf und weiß immer noch nicht so wirklich, was passiert ist. Es fühlt sich so an, als hätte Amor nicht mit Pfeilen sondern mit Kanonen auf sie geschossen, so brummt ihr der Schädel, und sie denkt gleichzeitig an die süßen Sommersprossen des jungen Mannes.
Albert hatte noch mit Herrn Schubert zusammen im Salon gesessen und eins bis zwei Gläschen Cognac getrunken, während die Damen wie eine wildgewordene Herde durch die Straßen und Geschäfte von Paris gelaufen sind. Nachdem die Damen zurückgekommen waren, gibt es noch ein leckeres Abendessen, bevor sich Albert auf den Heimweg macht.
Kaum ist er daheim und öffnet seine Türe, weht ihm ein frisches Lüftchen um die Ohren - es zieht. Da hatte er wohl am Morgen vergessen, die Fenster zu schließen. Das sieht ihm gar nicht ähnlich, aber er war wahrscheinlich mit seinem Kopf schon bei Isabell, als er die Wohnung verließ. Er geht gleich, ohne das Licht einzuschalten zum offenen Fenster, um es zu schließen. Doch plötzlich spürt er die Spitze einer Klinge an seinem Rücken. „Bewegen Sie sich nicht und lassen Sie das Licht aus. Wenn Sie schreien durchbohre ich Sie!“ „Da muss ich Sie leider enttäuschen, auch wenn ich in so einer teuren Wohnung lebe, gibt es bei mir nichts zu holen.“ „Das ist nicht der Grund, wieso ich hier bin, Herr de Menier!“ Hat der gerade „Herr de Menier“ gesagt? Dann ist dieser Eindringling sicherlich Deutscher.
„So mein geschätzter Herr Kommissar, nehmen Sie langsam