Albert de Menier - Exposition Universelle Der Jagdclub von Paris. Benjamin Klunzinger Karl
so lange Albert den Revolver zwischen seinen beiden Fingern hält, seine Klinge etwas stärker in den Rücken.
„Jetzt können Sie sich umdrehen, aber ganz langsam.“ Albert dreht sich nun auch um und erblickt die Umrisse eines Mannes. Er scheint gut gekleidet zu sein, und das geringe Licht, welches durch die Fenster in die Wohnung scheint, spiegelt sich in den Augen des Unbekannten, anscheinend trägt der Fremde eine Brille oder ein Monokel. „Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Graf Georg der Erste zu Limburg.“ „Sie? Sie sind doch der, der meiner Mutter den Ring geklaut hatte?“ unterbricht Albert den Eindringling. „Ach klauen ist so ein hartes Wort, sagen wir doch lieber, ich bekam von ihrer Mutter eine Dauerleihgabe.“ „Da haben Sie aber Pech gehabt, den Ring habe ich wiederbekommen. Sind Sie etwa deswegen hier?“ „Aber nicht doch, der Ring ist schon vergessen, aber richten Sie bitte Ihrer werten Frau Mama meine herzlichsten Grüße aus, wir hatten uns auf der Zugfahrt ja so nett unterhalten.“ „Ach hören Sie doch auf rumzuquatschen! Sagen Sie gleich, was Sie wollen, wieso sind Sie hier?“ „Wenn Sie mich so nett fragen, werde ich es Ihnen sagen. Ich habe ein Geschenk für Sie!“ „Ein Geschenk? Wieso? Wollen Sie sich etwa wegen des Diebstahls bei mir und meiner Mutter entschuldigen und das damit wieder gutmachen?“ „Nein, nein, ich mache das für einen guten Freund, der spurlos verschwunden ist.“ Während der Graf das sagt, deutet er mit seiner Klinge auf ein Paket, welches auf dem Tisch steht.
Dieses Paket ist eigentlich unübersehbar, aber Albert hat es bei dem schwachen Licht in der Wohnung eben erst bemerkt. Es ist rechteckig und ca. 30 cm lang und 30 cm breit, die Höhe beträgt um die 40 cm. Verpackt ist es mit Zeitungspapier und mit Schnüren verzurrt. Als Albert genauer hinschaut sieht er, dass die Zeitung, die zum Verpacken genommen wurde, ausgerechnet diese ist, in der Isabell und Konstanze bei der Eröffnung des Kunstpalastes miteinander kämpften. „Sehen Sie sich das Päckchen ruhig genauer an, aber warten Sie mit dem Auspacken, bis ich wieder gegangen bin. Die Zeitung können Sie gerne zur Erinnerung behalten, die dürfen Sie ihrer Verlobten schenken!“ Damit will der Graf wohl andeuten, dass er über Albert sehr gut Bescheid weiß und seine Beziehung zu Isabell kennt. „Was hat es mit dem Paket auf sich, und was ist mit ihrem ominösen Freund?“ „Mein Freund heißt Fritz, mehr müssen Sie über ihn nicht wissen.“ „Wie sollen wir ihn denn finden, wenn wir seinen Nachnamen nicht wissen.“ „Der ist unwichtig, genauso wie sein richtiger Vorname, also nennen wir ihn einfach nur Fritz. Fritz gehört zum gleichen… wie soll ich es am besten ausdrücken? Ach ja, zum gleichen Verein. Wir haben uns in verschiedene Richtungen spezialisiert, deshalb kommen wir uns auch nie in die Quere. Sonst hat man bei uns im Beruf nicht viele Freunde, auch wenn man der gleichen Organisation angehört. Während ich mich auf den Dienst direkt am Kunden verschrieben habe, hat sich Fritz mehr auf den Dienst in deren Räumlichkeiten spezialisiert. Wenn die Bewohner weg sind, schaut er nach, ob diese nicht Sachen haben, die sie nicht mehr brauchen und entsorgt diese.“
„Ich verstehe, Sie sind Taschendieb und ihr Fritz ist ein ordinärer Einbrecher.“ „Aber nicht doch, diese Worte sind nicht annähernd zutreffend. Wir entsorgen nur Sachen, die die Menschen nicht brauchen, oder können Sie mir sagen, wozu man ein Diamantencollier benötigt? Wer so etwas hat, wird schon nicht verhungern.“ „Wollen Sie mir sagen, Sie sind wie Robin Hood?“ „Aber nein, wir geben es doch nicht anderen Leuten, das verdirbt nur deren Charakter, wir müssen doch auch an unsere Altersversorgung denken. Aber genug, wir schweifen ab. Kommen wir wieder zurück zu Fritz. Also Fritz hatte vor drei Tagen wieder einmal eine solche Hausbesichtigung gemacht, um zu schauen, ob die Bewohner nicht doch etwas entbehren können. Er wurde fündig, allerdings nicht das was er erwartet hatte. Es war nichts was man bei einem Hehler zu Geld machen konnte, aber dafür hätte der Besitzer wohl alles gezahlt, um es wieder zu bekommen.“ „Und was war es?“ „Das schauen Sie sich am besten selber an, wenn ich wieder gegangen bin. Fritz gab mir dieses Päckchen zur Aufbewahrung während er Kontakt zu demjenigen aufnahm, dem der Inhalt des Päckchens gehörte. Jetzt habe ich schon drei Tage nichts mehr von ihm gehört und da hoffe ich doch, dass Sie ihn finden.“ „Kennen Sie die Adresse, wo er die Sachen herhatte?“ „Nein, aber er hat die Gegend um die Sorbonne bevorzugt.“ „Und was soll ich jetzt machen? Ich kann solange nicht ermitteln, bis Sie nicht zu uns aufs Revier gekommen sind und eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben.“ „Für wie dumm halten Sie mich? Schauen Sie sich dieses kleine Geschenk genauer an und Sie haben ihren Fall! Jetzt muss ich Sie bitten, dass Sie sich umdrehen und langsam bis 50 zählen.“ Albert gehorcht, dreht sich um und beginnt zu zählen: „eins, zwei, dr…“, weiter kommt er leider nicht. Albert findet sich auf einmal am Boden liegend wieder, der Graf hat ihn anscheinend, um zu verschwinden KO geschlagen. Mit Dröhnen im Kopf rappelt er sich auf und macht erst einmal das Licht an, um sich das Geschenk genauer anzuschauen.
Er löst die Schnüre mit denen es verzurrt ist, wickelt vorsichtig das Zeitungspapier ab, und es kommt ein gläserner Zylinder mit einem festverschlossenen Deckel zum Vorschein. In diesem Glasbehälter befindet sich eine trübe Flüssigkeit. Albert schaut sich das ganze genauer an, und als er den Behälter von der anderen Seite betrachtet will, schreckt er zurück! Es starren ihn plötzlich zwei tiefblaue Augen an. Vor Schreck wirft er fast noch den Behälter um, konnte ihn aber gerade noch festhalten. Dabei fällt ihm ein Etikett auf, welches am Glas haftet:
„Pierre Delac – Frühjahr 1900 – Plage der Menschheit Nr. 1“
Albert weiß nicht, was er davon halten soll, aber dieser Name Pierre Delac kommt ihm irgendwie bekannt vor, er weiß nur nicht mehr woher? Vielleicht ist es der Name des Präparators, der den Kopf eingemacht hatte. Wenn dieser Fritz seine Beutezüge in der Gegend der Sorbonne durchgeführt hat, kann es sich auch um ein wissenschaftliches Exponat handeln. Es gibt doch immer wieder Menschen, die ihren Körper nach dem Tode der Wissenschaft vermachen. Dieser Kopf kann genauso gut für medizinische Vorlesungen an der Universität benutzt worden sein. Dann wäre das Ganze nicht so sonderbar, einen anderen Grund kann sich Albert auch nicht vorstellen, wieso man einen Kopf in so ein Einmachglas stecken sollte. Da Albert nicht an ein Verbrechen glaubt und keine Lust mehr hat, am heutigen Tage die Wohnung zu verlassen, nimmt er den Kopf erst am nächsten Tag mit auf die Arbeit.
06.05.1900 Geburtstagsfest
„Guten Morgen Herr de Menier, ich hoffe Ihnen haben die freien Tage gutgetan? Die Verbrecher haben auf jeden Fall keinen Urlaub gemacht. Zahlreiche Langfinger waren wieder unterwegs. Laut ihren Französischen Kollegen handelt es sich zum Großteil um eine Diebesbande, die ihr Unwesen treibt. Sehen Sie zu, dass sie die Helfershelfer fangen. Die führen Sie dann hoffentlich zu ihrem Bandenchef. Ich will, dass Sie diese Plage ausrotten!“ nimmt ihn sein Vorgesetzter Herr Maier in Empfang. Albert trägt das Päckchen, welches er am Vortag zugestellt bekommen hatte, bei sich.
„Bevor ich das Weltgeschehen vergesse: die Engländer marschieren in breiter Linie auf die Buren in Südafrika vor, das Blatt hat sich gewendet. Außerdem ist in Indien eine große Hungersnot ausgebrochen, aber unser Kaiser hat den Hungernden eine großzügige Spende von mehreren 100.000 Mark zugesagt. Aber das wichtigste ist natürlich der heutige Geburtstag unseres Kronprinzen, er wird 18 Jahre alt und somit volljährig. Vor zwei Tagen ist sogar schon der Kaiser Franz Josef aus Österreich in Berlin eingetroffen. Diesbezüglich gibt es eine große Feier hier im Deutschen Haus. Ich hoffe sie erscheinen in voller Uniform - das ist Pflicht!“ Albert hatte sowieso vor, dort zu erscheinen. Isabell freut sich auch schon, mit ihm dort hinzugehen, nun hat das Ganze auch einen offiziellen Charakter. Ursprünglich hatte Isabell ja vor, zum Geburtstag des Kronprinzen in Berlin zu sein, aber da kam ihr wohl Albert in die Quere.
„Und wie hast du deinen gestrigen freien Tag verbracht?“ „Ach, ich war mit meiner Schwester und Pastor Koch zu Hause, ich kam mir so überflüssig vor. Dieses Geturtel ging mir auf die Nerven.“ „Ich glaube du brauchst eine Ablenkung, komm doch einfach heute Abend mit mir und Isabell zum Fest ins Deutsche Haus?“ „Was soll denn da anders sein? Ob jetzt meine Schwester mit dem Pastor oder du mit Isabell herumturtelst, glaubst du, das ist etwas anderes?“ „Natürlich werde ich mit Isabell meinen Spaß haben, aber du hast dann die Möglichkeit auch ein nettes junges Mädchen kennenzulernen, oder du versuchst es nochmal bei Sophie, die kommt sicherlich auch mit.“ „Ich werde es mir noch überlegen, ob ich komme,