Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt. Michael Schenk
würden noch lange auf dem Grund vor sich hin rosten.
Vor vierzig Jahren hatte zum letzten Mal ein Schiff der Flachgesichter die Lagune gefunden. Nun ruhte sein Rumpf in der Tiefe der Lagune, dicht mit Muscheln und Korallen bewachsen. Er war jetzt Heimstatt für viele Wasserbewohner und so hatte ein Werkzeug des Krieges doch noch einen Sinn gefunden, wie Nahed fand.
Er rümpfte bedauernd seinen kurzen Nasenrüssel. Es war an der Zeit, in das neue Elunt zurückzukehren und mit dem Botschafter der Stadt Balmenea zu sprechen. Entscheidungen mussten getroffen werden, und Nahed konnte die seine nicht länger hinauszögern.
Er wandte sich dem Wasser zu und gab das Zeichen mit der Hand, während er den weichen, weißen Sand unter seinen Füßen spürte. Er fühlte die Wärme an seinen Fußsohlen und griff in den Nacken, um den Lufthelm nach vorne zu ziehen. In geringen Tiefen hätte er ihn nicht gebraucht. Seine Lungen waren in der Lage, genug Sauerstoff aus dem Wasser zu filtern. Aber in den Tiefen, in denen der Zugang zu Elunt lag, war der Wasserdruck zu hoch und die Mitglieder des Volkes brauchten die Atemhilfen, um ihn zu erreichen.
Der Helm kippte über Naheds Kopf und er vergewisserte sich, dass die beiden Riegel einrasteten. Die flexible Membrane des Halsstückes schmiegte sich eng an seine Haut. Nahed spürte an dem Druck im Helm, dass alles richtig saß, und schmeckte die unangenehm trockene Luft des Tanks, der vor seiner Brust lag und über einen flexiblen Schlauch mit dem Helm verbunden war. Die Wellen begannen seine Füße zu umspielen, dann die Beine und schließlich ließ Nahed sich langsam ganz ins Wasser gleiten. Für einen Augenblick klatschten Wellen gegen seinen Helm und behinderten seine Sicht, dann tauchte er ganz unter.
Er wusste, dass die Lanzer der Stadtgarde folgen würden. Mit schussbereiten Flammenlanzen und in dem ehrerbietigen Abstand, den die Tradition und die Vorsicht verlangten. Er achtete nicht auf die Männer, spürte aber an den Vibrationen im Wasser, dass sie bei ihm waren.
Nahed genoss den Ausblick in die Lagune und die Stadt, welche sie barg. Die Ufer stiegen relativ steil an und flachten erst wenige Längen vor dem Strand ab. Das hatte die alte Stadt zu einem hervorragenden Hafen gemacht und die Tiefe der Lagune machte sie zu einem guten Schutz für das neue Elunt. Über sich sah er die metallbeschlagenen Unterwasserrümpfe der ankernden Kriegsschiffe und die langen Ketten, die zu ihren Ankern am Grund der Lagune führten.
Neben den Rümpfen dreier großer Schiffe lag der kleinere eines der alten Kampfboote. Nahed erkannte es an dem kurzen Stumpf, der wie ein stielartiger Auswuchs am Bug des Unterwasserschiffes zu sehen war. Einst hatte sich dort eine massive Stange befunden, in die man die Oktranen einschirren konnte. Zwei der großen Tentakelfische waren mühelos in der Lage, ein solches Schiff über die Meere zu ziehen. Die Fischlotsen hatten sie vom Vorderkastell des Schiffes aus gelenkt und Nahed konnte sich noch gut daran erinnern, wie die Lotsen die überlangen Stangen aus dem Bugkastell über die Tentakelfische hinweg schoben. An diesen Stangen befestigte man die Köderfische. Hielt man sie dicht vor das Maul der Oktranen, so schwammen die Raubfische relativ langsam, mit weit geöffnetem Hornschnabel, um die Beute anzusaugen, hielt man die Köder weiter vor, so trieb die Fressgier die Oktranen mit raschen Tentakelbewegungen durch das Wasser. Man konnte nur männliche Oktranen als Zugfische verwenden und auch nur dann, wenn man sie in jungen Jahren fing. Dann war es noch möglich, den Bullen den mittleren Peitschententakel zu entfernen, der ihren Geschlechtstrieb begründete. Kastrierte Bullen waren genügsam und zahm. Geschlechtsfähige Bullen erwiesen sich hingegen stets als unberechenbar.
Inzwischen wurden die Tentakelfische nicht mehr eingesetzt. Im Kampf gegen die Flachgesichter hatte sich sehr früh gezeigt, wie anfällig die Oktranen gegen Geschosse waren, die im Wasser explodierten. Die Druckwellen betäubten oder töteten die empfindlichen Raubfische auch auf größere Entfernung und machten das von ihnen gezogene Schiff hilflos. So hatten die Shanyar, aus der Not heraus, sehr rasch eine effektive Besegelung für ihre Wasserfahrzeuge entwickelt.
An den Steilhängen wuchsen unter Wasser Korallen und Muscheln. Tangpflanzen wiegten sich in der sanften Strömung des Wellengangs vor und zurück, und zahllose Fische unterschiedlicher Größen und Farben eilten umher, um zu fressen oder gefressen zu werden. Die Bewohner des Wassers waren nicht immer friedlich, aber dies galt ebenso für die des Landes.
Nahed sah unter sich das Wrack des Flachgesichterschiffes, spürte an seinem Körper, wie er von der warmen Strömung kurz in eine kalte geriet, und erschauerte ein wenig. Auch wenn er unter Wasser geboren worden war, so würde er doch niemals ein wirklicher Wasserbewohner. Er freute sich darauf, eines Tages in einem Haus auf dem Land zu wohnen, in seinem Park zu sitzen und zu spüren, wie die Sonne seine Haut erwärmte. Seine Urgroßeltern hatten ihm von diesem Gefühl berichtet und Nahed war begierig, es selbst zu erfahren. Seine wenigen Besuche in den Landstädten seines Volkes gaben ihm einen Vorgeschmack, was es bedeutete, sein Leben an Land zu verbringen. Er würde die See wohl vermissen, wenn er dies einmal selber tat.
Durch das klare Wasser sichtbar, ragte weit vor ihm die Säule des Wachtturms von Elunt auf. Vom Grund der Lagune erhob er sich, erbaut aus weißem Stein und schwarzem Eisen. Dort achteten Beobachter darauf, dass sich kein Feind unbemerkt der Stadt nähern konnte. Es würden wohl keine Schiffe der Flachgesichter sein, aber es gab große Meeresbewohner, die den Gebäuden der Stadt gefährlich werden konnten, und kleinere Raubfische, die Jagd auf die Tangsammler der Shanyar machten. Unter der durchsichtigen Kuppel des Wachtturms konnte Nahed die Silhouetten der Wachen erkennen. Eine von ihnen hatte ihn gesehen und grüßte.
Einst waren die Flachgesichter weit ins Innere des Landes vorgestoßen und hatten viele Städte und kleine Siedlungen bedroht. Jetzt waren sie schon seit langem zurückgetrieben worden und herrschten nur noch über die große Insel, weit vor der Küste Elunts. Elunt war die Stadt, die dem Feind am nächsten lag und trug die Hauptlast des langen Kampfes. In den letzten Jahren war die Stadt selbst nicht mehr bedroht worden, denn die Schiffe der Städte Shanyars waren zahlreich und der Feind wagte sich kaum noch in die Nähe der Küste.
Die neue Stadt Elunt bestand aus einer Vielzahl von Kuppeln unterschiedlicher Größe. Sie alle waren aus den zartblauen Kristallplatten gebaut, die man in metallene Rahmen eingefügt hatte. Die Konstruktionen enthielten keine Luft, sondern dienten als Schutz gegen die Angriffe der Flachgesichter oder feindseliger Meeresbewohner. Nur die Gebäude innerhalb der Kuppelbauten waren mit Atemluft gefüllt. Große und kleine Gebäude reihten sich aneinander, die meisten in der traditionell sechseckigen Form des Volkes. Es gab nur wenige überdachte Wege, die meisten führten innerhalb der Bauwerke hindurch. Die Gebäude schimmerten im Glanz zahlreicher erleuchteter Fenster. Ihre Reflexe mischten sich mit dem Sonnenlicht, das von der Oberfläche den Grund erreichte. Kleine Fische schwärmten über sorgfältig angelegten Beeten mit bunten Wasserpflanzen. Nur wenige Shanyar waren zu sehen, das Tragen der Atemlufthelme außerhalb der Innengebäude war zu unbequem und wurde möglichst gemieden. Lediglich zwei Gruppen junger Shanyar wurden von mehreren Erwachsenen in die Benutzung der Atemhilfen eingewiesen. Die Kampfschwimmer des Volkes übten außerhalb der Stadt.
Nahed-Sha-Elunt schwamm zur Ostseite der Kuppel, wo sich der Hauptzugang zur Stadt befand. Neben sich sah er eine Gruppe von Tangsammlern, die mit ihren Netzen über den Grund der Lagune schwammen. Ein Stück weiter trieb ein Wasserwagen in der leichten Strömung. Seine Ballasttanks waren teilweise geflutet, da die Ladefläche bereits mit Tang gefüllt war. Zwei gezähmte Bauchflosser waren angeschirrt, hielten sich und den Wagen mit sanften Flossenschlägen in Position. Einer von ihnen war unruhig. Vielleicht hatte er im Wasser den Geruch eines geschlechtsreifen Weibchens wahrgenommen oder ein Fisch hatte seinen Jagdtrieb geweckt. Aber der Fahrer des Wasserwagens beruhigte den Bauchflosser, indem er langsam über dessen Rücken strich.
Eigentlich bevorzugte das Volk Getreide und Fleisch, aber der lange Krieg hatte es genügsam gemacht und der Tang war nährstoffreich. Immerhin brachten in der letzten Zeit die Schiffe und Karawanen der anderen Städte zunehmend Brot, Fleisch und Gemüse nach Elunt. Ein Zeichen dafür, dass die Handelswege kaum noch durch die Flachgesichter bedroht wurden.
Einige Erwachsene waren dabei, die Kuppeln der Stadt von Muscheln und Algen zu befreien. Lediglich an den beiden Energiekuppeln war dies nicht erforderlich, da die Abstrahlung ihrer Wärme einen Bewuchs verhinderte. Die Stadt bezog ihre Energie aus unterirdischen Wärmequellen. Hitze aus dem