"Blutige Rochade". Thomas Helm


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presste sich heftig ins Rückenpolster der Eckbank. Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich und die Knie zitterten. Seine Gedanken und Gefühle überschlugen sich. Führmanns Offenbarung empfand er als schier ungeheuerlich.

      Verdammte Scheiße noch mal dachte er. In was will er mich da hineinziehen? Darauf kann ich mich niemals einlassen! Nein! Keinesfalls werde ich das tun!

       Er griff zur Bierflasche, nippte mehrmals daran. Seine Augen starrten ohne etwas zu sehen. Beherzt zwang er sich zur Ruhe, atmete tief und langsam. Das Zittern in ihm ließ nach. Denn plötzlich trat der in ihm hochgeschossene Widerstand auf der Stelle.

       Oder ist ein solches Wahnsinnsvorhaben unter gewissen Umständen doch machbar, sann er. Unvermutet wurde er ruhiger, lockerer. Warum eigentlich nicht fragte er sich wenig später. So eine Möglichkeit bietet sich mir im Leben sicherlich nie wieder! Wieso sollte ich sie nicht ergreifen? Jetzt, wo meine Perspektiven nicht gerade rosig aussehen? Auch, wenn im Augenblick das alles mit der neuen Firma recht gut klingt.

      Führmann ließ Bauerfeind die Zeit, die er offensichtlich brauchte, um das Angebot zu durchdenken. Er trank sein Bier und schenkte nochmals von dem Hochprozentigen nach.

      Schließlich schien sich sein Gegenüber gefasst zu haben. »In Ordnung!«, sagte Bauerfeind stockend. » – Ich – ich mache dabei mit. Doch da hab’ ich gleich eine Frage. Warum gerade ich und nicht der Bruhns?«

      Führmann sog nochmals hastig an seiner Zigarette, drückte sie aus und lachte verhalten. »Ganz einfach«, entgegnete er und deutete auf sein Gegenüber. »Ich wollte die Sache mit dir durchziehen. Weil ich der Überzeugung bin, dass du der Richtige dafür bist. Denn wir werden zumindest die nächsten Jahre gut miteinander auskommen müssen. Oder siehst du das anders?« Daraufhin streckte er Bauerfeind seine Rechte entgegen.

       Beide Männer besiegelten ihr Vorhaben mit Händedruck und einem letzten Schnaps.

      Nachdem er lange nicht einzuschlafen vermochte, verbrachte Bauerfeind die Nacht ausgesprochen unruhig. Obwohl sein Bett sich als behaglich erwies, drehte und wendete er sich.

       Immer wieder ging er alles, was Führmann ihm unterbreitet hatte, in Gedanken durch. Die mehrfach aufgetauchten Zweifel an der Richtigkeit seiner Zusage schwanden jedoch so rasch, wie sie kamen.

       Denn die unerwartete Möglichkeit, dass ihm erstmals eine finanziell gesicherte Zukunft versprach, wog schwerer.

       Wenn er sie denn am Schopfe packte!

       Gerade jetzt, in diesen Zeiten voller Ungewissheit und Chaos, bot sich ihm diese Chance! Ich geh’ drauf ein, beschloss er. Käme es doch einem völligen Schwachsinn gleich, wenn er sich Führmanns Angebot verweigern würde.

       Gleichzeitig verwarf er sofort einen plötzlich aufblitzenden Gedanken. Den an einen Rückzieher von seiner Zusage.

       Denn ein nachträglicher Widerruf würde ihm ernste Probleme von Führmanns Seite einbringen!

       Voller Unbehagen konstatierte er, dass er zumindest Mitwisser wäre und sich auf sehr dünnem Eis befände.

       Hielte er sich jedoch an seine Zusage, bestünde künftig zwischen ihm und dem Oberst eine beiderseitige Abhängigkeit. Auch hätten beide gegenüber Bruhns, dem dritten Mann, ein gemeinsames Geheimnis zu wahren.

       Doch damit zumindest käme er klar. Oder etwa nicht?

      Trotzt aller aufkommender Euphorie mahnte ihn nochmals eine innere Stimme: Ich muss ab sofort vermehrt wachsam und vorsichtig gegenüber Führmann sein! Mehr noch als bisher schon!

       Überdies stimmte ihn eine unerwartete Großzügigkeit von Seiten anderer seit jeher misstrauisch!

       Mit seiner Taktik sich selbst zu beruhigen, die er oft in kritischen Situationen angewandt hatte, schlief Bauerfeind schließlich ein.

       Der 08.Januar 1990

      Am Morgen trafen sie sich um sieben Uhr in der Gaststube. Sie frühstückten rasch und wortlos. Da Führmann die Übernachtungen am Vorabend in bar bezahlt hatte, hielt sie nichts mehr auf.

      Vor dem Hotel empfing sie Finsternis und Kälte. Nur einige niedrige Laternen erleuchteten den Parkplatz. Im Osten, hinter den schneebedeckten Gipfeln, zeigte sich ein rosaroter Streifen. Der prüfende Blick zum klaren Himmel versprach ihnen einen sonnigen Tag.

      Sie verstauten das gewichtige Gepäck im Wagen. Dabei wies Führmann bedeutungsvoll auf eine graue, mittelgroße Reisetasche. In die er anscheinend das abgezweigte Geld gepackt hatte.

      Am vergangenen Tag trug er ebenso wie Bauerfeind eine Joppe mit Pelzkragen. Heute hüllte ihn ein langer, schwarzer Ledermantel ein.

       Ohne einen Blick zurück verließen sie Feldkirch.

      Führmann, den sein Mantel beim Einsteigen etwas behinderte saß am Steuer. Erst, als sie ein Weilchen gefahren waren, brach er ihr Schweigen. »Deine Vermutung ist sicherlich richtig!«, sagte er laut und deutete mit dem Daumen zum Kofferraum hin. »In der grauen Reisetasche stecken – unsere Millionen!«

      Bauerfeind blickte zum Obersten, griente und schüttelte den Kopf. »Dass in der Tasche zusätzlicher Proviant drin ist, hatte ich nicht mal in Erwägung gezogen!«

      Führmann lachte bellend und hieb aufs Lenkrad.

      An der Grenze zum Fürstentum wiesen sie ihre BRD-Pässe vor. Von einem frierenden Beamten wurden sie gleich weitergewinkt.

      »Was mich da noch interessiert, Frank!«, sagte der Oberst, den Blick starr gerade aus gerichtet. »Wie hältst du es eigentlich mit den Frauen? Verheiratet bist du nicht. Das weiß ich. Aber wenn du ab morgen richtig viel Kohle hast, dann kannst du dir ja jede leisten. Egal, wie alt! Ist doch beruhigend zu wissen, dass man dabei bald keinen Notstand mehr hat. Kannst dir zum Ficken holen was und wann immer du willst! Oder wie siehst du das?«

      Bauerfeind hielt die Luft an. Er schwieg, schüttelte nur den Kopf und sah zur Seite.

      Über die vom Schnee beräumte Bundesstraße ging es flott hinein ins Ländchen. Nach rund einer Stunde erreichten sie Vaduz.

      Bei einem kurzen Tankstopp an einer Shell–Station unweit der Stadtgrenze studierte Führmann den von ihm soeben gekauften Stadtplan. Er erkundete den Weg zur Bank und prägte ihn sich ein.

       Daher gab es für ihn anschließend keine Probleme mit der Orientierung. Im dichten Morgenverkehr fand er wenig später die Adresse mit dem ungewohnten Namen »Städtle 49«.

      Vor einem imposanten Gebäude hielt er den Wagen an. An der Fassade prangten in übergroßen Lettern die Worte »Liechtensteinische - Erste Landesbank - AG«.

       Hinter dem Block befand sich ein ausgewiesener Kundenparkplatz. Der zeigte sich fast leer und akkurat vom Schnee beräumt.

       Nach dem Aussteigen blinzelten beide in die noch tief stehende Sonne.

      Mit einem kumpanenhaften Grinsen nickte Führmann zu seinem Beifahrer hin. »Packen wir ’s an!«

      Der Oberst ging voran, Bauerfeind schleppte die Koffer mit dem Geld. Diese trugen sich im Gegensatz zu gestern spürbar leichter.

       Auf den Fußwegen und in den Straßen herrschte reger Verkehr. Doch von ihnen nahm niemand Notiz.

      Eine Minute nach neun Uhr betraten sie die Bank. Nach wenigen Schritten in die jugendstilgerechte Schalterhalle setzte Bauerfeind auf einen Wink von Führmann hin die Koffer auf dem spiegelnden Fußboden ab.

      Nachdem sie sich einen raschen Überblick über die Empfangshalle verschafft hatten, tippte der Oberst leichthin gegen Bauerfeinds Arm. Er deutete zur Seite. »Geh‘ dort hinüber und warte! Ich frage mal, wer für uns zuständig sein könnte.«

      Ein Herr im Ulster, der soeben nach ihnen die Bank betreten hatte, schaute beim Vorbeigehen flüchtig auf ihr Gepäck. Ein schmales Lächeln erschien auf seinem geröteten Gesicht.

      Bauerfeind nahm die Last erneut auf. Er platzierte sich seitlich neben einer kleinen Sitzgruppe, während Führmann hinüber zu den Banktresen schritt.

      Nach


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