Hoffnungsschimmer. Heidi Dahlsen

Hoffnungsschimmer - Heidi Dahlsen


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      „Warum?“

      „Vergangene Nacht träumte ich, dass ein Tornado auf mich zugerast kam. Nirgends konnte ich Halt finden und somit riss er mich mit sich.“

      „Oh je, du sagtest doch, dass du keine Albträume mehr hast.“

      „Das ist es ja. Ich habe mich während des Flugs in dem Strudel sehr wohl und sogar sicher gefühlt.“

      „Das scheint ein gutes Zeichen zu sein. Ich würde es so deuten, dass auf dich zwar stürmische Zeiten zukommen, jedoch mit wunderbaren neuen Eindrücken und einem Happy End. Lydia, bestimmt hat das etwas Gutes zu bedeuten.“

      „Ich hoffe es.“

      2.

      „Was ist nun schon wieder mit Jenny los?“, fragt Jutta kopfschüttelnd. „Wieso kommt sie nicht wie abgesprochen gleich nach der Schule nach Hause?“

      „Sie hat einen neuen Freund“, antwortet Janek und ist augenblicklich sauer auf sich selbst, weil er wieder einmal den Mund nicht halten konnte.

      „Was?!?“, ruft Jutta aus. „Das fehlt uns gerade noch. Wieso weiß ich wieder nichts davon? Weißt du schon Genaueres?“ Janek zuckt mit den Schultern. „Los, raus damit!“, fordert Jutta ihn auf weiterzusprechen.

      Er schaut seinen Vater hilfesuchend an.

      „Lass gut sein, Jutta“, antwortet Markus für seinen Sohn. „Vielleicht hat sich die Freundschaft mit diesem Jungen auch bald wieder erledigt. Also musst du dich gar nicht erst aufregen. Beruhige dich. Denk an das Baby.“

      „An das denke ich unaufhörlich, weil es mich ständig mit kräftigen Fußtritten an seine Anwesenheit erinnert.“

      „Ich würde dir die Schwangerschaft gern abnehmen“, bietet Markus lächelnd an und streichelt ihr sanft über den Bauch.

      „Lenk nicht ab. Ich möchte endlich über meine Tochter und deren Umgang Bescheid wissen. Warum erfahre ich nie etwas?“ Erst jetzt bemerkt sie, dass Janek den Raum verlassen hat. Sie seufzt. „Warum kann meine Tochter nicht so vernünftig sein, wie dein Sohn? Immerhin sind sie gleichaltrig und beide in der Pubertät. Ich dachte, wenn wir zusammenwohnen, dann wirkt sich Janeks Vernunft wenigstens etwas auf Jenny aus. Aber Pusteblume.“

      Bevor Markus etwas erwidern kann, wird die Haustür aufgerissen und Jenny kommt hereingestürmt. Im Schlepptau hat sie einen jungen Mann.

      „Wir gehen in mein Zimmer.“ Sie hebt eine Hand und zeigt mit dem Daumen hinter sich. „Ach ja und der nette junge Mann hier ist Albert. Mein neuer Freund.“

      Der Junge macht einen Schritt nach vorn, grinst Jutta und Markus verlegen an und nickt zur Begrüßung leicht mit dem Kopf. Da Jenny ihn unsanft zur Treppe zieht, kommt er etwas ins Straucheln und es bleibt ihm nichts weiter übrig, als hinter ihr her zu stolpern.

      Jutta glaubt, ihren Augen nicht zu trauen. Bevor sie jedoch etwas äußern kann, sind die beiden verschwunden. Sie plustert ihre Wangen auf.

      Markus grinst. „Schatz, reg dich bitte nicht auf. Gib ihm eine Chance. Das ist heute modern.“

      „Hast du das gesehen? Er sieht aus, als wäre er eben einer Geisterbahn entsprungen. Was sollen die Leute sagen, wenn er öfter hier ein und aus geht?“

      „Man sollte einen Menschen nie nach Äußerlichkeiten beurteilen“, sagt Markus.

      „Das mache ich sonst nicht, aber hier ist es doch offensichtlich. Ein schwarzer Ledermantel, schwarze Stiefel mit Spinnennetzen darauf, eine Kopfseite geschoren, die andere zieren lange schwarze Haare, ganz abgesehen von dem vielen Metall im Gesicht und an den Ohren. Das färbt doch auf die Seele ab.“

      „Gib ihm eine Chance.“

      „Das wird mir schwer fallen.“

      „Ich bin dann mal weg“, sagt Janek leise und hofft, dass ihn niemand hört, damit ihm weitere Fragen erspart bleiben.

      „Janek!“, ruft Jutta. Sie geht zu ihm, damit er ihr nicht wieder entwischt. Er verdreht die Augen und schaut sie etwas genervt an. „Bitte erzähle mir, was mit diesem Albert los ist“, fordert sie ihn auf.

      „Was soll denn mit ihm los sein?“, fragt er scheinheilig.

      „Du weißt genau, was ich meine.“

      Markus stellt sich hinter Jutta, legt sein Kinn auf ihre Schulter und beide Hände auf ihren Bauch, um das Baby darin zu beruhigen. Er zwinkert seinem Sohn aufmunternd zu.

      „Warum kannst du nicht einmal etwas mit Jenny allein klären?“, fragt Janek. „Sie erzählt mir in letzter Zeit fast gar nichts mehr, nur weil sie weiß, dass ich deiner Neugier immer wieder nachgebe.“

      „Das ist keine Neugier“, sagt Jutta empört. „Das ist … äh … hmmm“, sie überlegt angestrengt, bevor sie weiterspricht. „Ich bin schließlich ihre Mutter und für sie verantwortlich.“

      „Ich muss jetzt los“, sagt Janek. „Sonst komme ich zu spät zum Training.“

      Markus signalisiert ihm mit einem leichten Kopfnicken, dass er gehen kann. Janek schnappt sich seine Tasche und ist umgehend verschwunden.

      „Komm, Jutta. Du legst dich jetzt hin. Denk daran, was der Arzt gesagt hat“, erinnert Markus sie. „Du sollst die Aufregung in Grenzen halten, egal wie schlimm es kommt. Ich koche dir einen Tee.“

      Er kann es kaum erwarten, dass seine Eltern aus dem Urlaub zurückkommen und seine Mutter Jenny wieder unter ihre Fittiche nimmt. Sie ist die einzige, die an das junge Mädchen herankommt. Dass Pubertät so schlimme Auswirkungen haben kann, hätte er nie gedacht, denn sein gleichaltriger Sohn ist im Gegensatz zu Jenny regelrecht friedlich und umgänglich.

      „Na, was nicht ist kann noch kommen“, denkt er und schickt ein Stoßgebet in Richtung Himmel. „Hoffentlich nicht.“

      Während er in der Küche hantiert denkt er wieder einmal über Jenny nach. Jutta hat ihren Mann vor einem Jahr verlassen und sich kurz darauf bereits in ihn verliebt. Jenny leidet unter der Trennung ihrer Eltern, zumal die kaum noch miteinander reden. Auch die Schwangerschaft ihrer Mutter macht ihr zu schaffen. Bisher hatte sie in Janek einen Verbündeten. Seitdem sie feststellen musste, dass ihre Mutter ihn über sie unermüdlich ausfragt, spricht sie fast gar nicht mehr mit ihm.

      Weihnachten hat sie Markus‘ Eltern kennengelernt und ziemlich schnell Vertrauen zu ihnen gefasst. Denn Oma Anni geht auf ihre eigene liebevolle Art mit dem jungen Mädchen um. Sie sagt, dass das darauf zurückzuführen ist, dass sie Jenny nicht erziehen muss, sondern nach Strich und Faden verwöhnen kann, so wie es sich für eine Oma gehört. Von Vorteil ist auch, dass alle zusammen in ein Zweifamilienhaus gezogen sind, sodass Jenny sich mehr bei Markus‘ Eltern aufhält. Oma Anni hört ihr unermüdlich zu und macht Vorschläge zur Lösung ihrer Probleme. Jenny fühlt sich ernst genommen und gar nicht bevormundet oder gar kontrolliert. Und Opa Wolfgang trägt ebenfalls zu Jennys Wohlergehen bei, denn er bezieht sie in die Planung des Grundstückes, vor allem des Pools, mit ein und spielt unermüdlich ihren Chauffeur, wenn sie wieder mal spät dran ist oder zu erschöpft, um mit dem Rad zu fahren.

      Markus versucht ebenfalls zwischen Jenny und Jutta zu vermitteln, was ihm manchmal sogar gelingt. Jutta macht sich jedoch immerzu Sorgen, weil sie das Gefühl hat, bei Jenny einiges gutmachen zu müssen, denn sie hat ständig ein schlechtes Gewissen, ihr wegen der Scheidung und des Umzugs zu viel zugemutet zu haben. Obwohl Jenny öfter bestätigt, dass das nicht der Fall ist, sie sich in der Kleinstadt sogar wohlfühlt, lässt sich Jutta von ihrem Standpunkt nicht abbringen.

      Er wartet geduldig bis das Teewasser kocht und füllt es in die Kanne. Aus dem Schrank nimmt er zwei Tassen, Löffel und Zucker.

      Als das Telefon im Wohnzimmer läutet, greift Jutta nach dem Hörer und nimmt das Gespräch entgegen.

      „Ich glaube nicht, was ich gesehen habe!“, vernimmt sie sogleich


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