Gärten des Jahres 2022. Dieter Kosslick
der alten Eichen verlegt werden.
Pflanzenreichtum unter alten Eichen: Immergrüne und wintergrüne Schattenstauden und Waldstauden entwickeln sich zu einer dichten, strukturreichen Bepflanzung.
Milde Spätsommersonne fällt durch die Kronen der schlanken, über hundert Jahre alten Eichen auf strukturreiche Staudenbeete, die den geschwungenen Weg begleiten – ein Licht- und Schattenspiel, das sich ständig verändert. „Das Licht im Schattengarten und die Wirkung der verschiedenen Grüntöne – das macht diesen Garten aus“, sagt Gartenarchitekt Martin Oelkers. Der kleine Stadtgarten wirkt wie gewachsen, tatsächlich wurde er aber erst vor zwei Jahren komplett umgebaut. Früher war der Eindruck düster und wenig belebt. Spärlicher Rasen kümmerte vor sich hin, die Beete blieben wegen des hohen Schattendrucks unter den hohen Eichen unansehnlich und karg. Quadratische Betonplatten führten schnurgerade auf das Haus zu, sodass man die kleine Grünfläche mit einem Blick erfasst hatte.
Als das Wohnhaus umgebaut wurde und sich stärker nach außen hin öffnete, war klar: Der Garten muss einladender und wohnlicher werden. Dafür veränderte der Gartenarchitekt nahezu alles. Der Eingang, früher einmal hinter dem Haus, kam an die Seite. Die Wegeführung von der Straße zum Haus, ursprünglich senkrecht bzw. parallel zu den Hauskanten, führt nun in weichen Schwüngen in den hinteren Bereich. „Die Zuwegung teilt das Grundstück jetzt nicht mehr in zwei Hälften. Auf dem geschwungenen Weg kann man durch den Garten ‚wandeln‘, ohne dass es gekünstelt wirkt – es ergibt sich vielmehr wie zufällig“, erklärt Martin Oelkers.
Wie Kuchenstücke reihen sich die Granitstein-Platten aneinander. Sie wurden am Computer vorgeplant, entsprechend im Werk so produziert, nummeriert und dann nach Verlegeplan gesetzt. Nahezu die Hälfte der Beläge musste dabei auf Wurzelbrücken aus verzinktem Stahlgitter zum Schutz der alten Eichen verlegt werden – eine Herausforderung auf dieser kleinen Fläche.
Unterschiedliche Räume entstanden, wie eine Terrasse am Haus und eine überdachte Lounge. Letztere war früher die Garage, durch Verzicht auf das eigene Auto aber überflüssig geworden. Sie wurde geöffnet, mit Glasdach und Holzdeck versehen und bietet nun ein behagliches Plätzchen – auch bei Regenwetter. Kleine Details, wie z.B. der dezente Wechsel beim Material, verleihen dem Grün unterschiedliche Aspekte, ohne es zu überfrachten. Einige Solitäre – am Eingang ein Zierapfel (Malus 'Red Sentinel') oder an der Lounge ein Winterblühender Schneeball (Viburnum bodnantense'Dawn') – verstellen immer wieder den Blick, sodass man Lust auf weitere Erkundungen bekommt. Um die Beete unter den Gehölzen und alten Eichen zu beleben, wurden sie vollflächig mit immergrünen bzw. wintergrünen Schatten- und Waldstauden bepflanzt, die sich zu einer dichten, strukturreichen Vegetation entwickelt haben. Es sind Gewächse, die mit dem Vollschatten klarkommen, wie etwa immergrüner Filigranfarn (Polystichum setiferum 'Plumosum Densum'), Elfenblume (Epimedium x rubrum), Lilientraube (Liriope muscari 'Moneymaker') und Funkien (Hosta sieboldiana 'Canadian Blue'). Auch die Herzblättrige Schaumblüte (Tiarella cordifolia 'Brandywine'), eine Waldstaude, eignet sich hervorragend zur Unterpflanzung großer Bäume. „Selbst unter hohen Eichen kann man einen Garten mit Aufenthaltswert gestalten. Man darf nicht glauben, dass im Schatten nichts wächst. Man muss nur die richtigen Stauden auswählen und die Schattenbeete abwechslungsreich gestalten, damit es wohnlich und blütenreich wird“, konstatiert Martin Oelkers. Und das hat er mit diesem lebendigen Schattengarten bewiesen!
LAGE DES GARTENS
München, Bayern
GRÖSSE DES GARTENS
261 m2
PLANUNGSBÜRO
Inspired by Nature – Landschaften und Gärten
AUSFÜHRUNG
Inspired by Nature – Landschaften und Gärten
FOTOGRAFIE
Martin Oelkers und Bauherrin
„Eine der Herausforderungen war es, die Kunden davon zu überzeugen, dass sich auch im Schatten Stauden entwickeln und blühen können.“
MARTIN OELKERS
PLAN
1Wohnhaus
2überdachte Lounge
3alte Eichen
4geschwungener Weg
Jörg Lonsdorf - Die Gartenthusiasten
Ein gepflanztes Märchen
Einladender Endpunkt der kulissenartig gegliederten langen Sichtachse.
Jörg Lonsdorf ist einer, der seine Pflanzenleidenschaft lebt, der mit Stauden und Gräsern experimentiert, der Dynamik im Garten zulässt und sich an der so entstandenen Natürlichkeit freuen kann. Logisch, dass in seinem Garten Pflanzen die Hauptakteure sind, auf die er seine Gestaltung konzentriert. Vor allem Stauden haben es ihm angetan – naturhafte, altbewährte, aber auch seltene Arten. Daher nehmen die ausdauernden krautigen Gewächse auch den Löwenanteil seines Hanggartens ein.
Laudatio
Der Privatgarten des Gartengestalters Jörg Lonsdorf in Bonn sticht durch sein herausragendes und innovatives Pflanzkonzept hervor. Eine harmonische Kombination sorgsam ausgewählter Stauden, Gräser und Gehölze, kombiniert mit einer hohen Experimentierfreudigkeit und großen Vielfalt an Arten und Sorten, schafft einen intimen, nahezu märchenhaft erscheinenden Gartenraum. Das gestalterische Grundkonzept für das lang gezogene Hanggrundstück ist dabei reduziert, fast einfach und stellt konsequent die Pflanze als gestaltendes Element in den Vordergrund.
Ein verschlungen wirkender, sorgsam modellierter Rasenweg gibt die Form vor, erschließt lauschige Sitz- und Leseecken und führt das Auge des Betrachters durch artenreiche, üppige und teils wild anmutende Staudenpflanzungen. Dabei darf sich der Garten weiterentwickeln und befindet sich so in stetigem Wandel. Jörg Lonsdorf kreiert außergewöhnliche Pflanzenkombinationen, die zwar die pflegende Hand des erfahrenen Gärtners brauchen, sich aber dennoch dynamisch und stellenweise naturnah entwickeln dürfen. Für die Jury in Zeiten von Pandemie, Klimawandel und Verlust von Biodiversität ein zeitgemäßes Konzept, welches den Garten als privaten Rückzugsraum und Sehnsuchtsort präsentiert.
Jens Spanjer
Aus der naturnahen Pflanzung ragen das Laserkraut (Laserpitium siler) mit weißen Doldenblüten und der Fingerhut (Digitalis purpurea) mit purpurnen Blütenglocken hervor.
Buchsbäume und ein straff aufrecht geschnittener Wacholder (Juniperus communis) geben Orientierung.