Gärten des Jahres 2022. Dieter Kosslick

Gärten des Jahres 2022 - Dieter Kosslick


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       Große Bäume wie der Amberbaum (Liquidambar styraciflua) und die massiven Felsen helfen, die Räume zu schließen.

      Vor der Umgestaltung gab es weder diese luftige Großzügigkeit noch eine räumliche Gliederung, geschweige denn Privatsphäre. „Es war eine totale Bastelei. Der Weg nach draußen war schmal und langweilig – ein häufig gemachter Fehler. Garten und Wohnfläche existierten nebeneinander ohne jegliche Verknüpfung“, erinnert sich Landschaftsarchitekt Ben Uhlmann. Das lag vor allem an den Höhenunterschieden, denn das Einfamilienhaus liegt ein Halbgeschoss (1 m hoch) über dem Gartenniveau. Dieses Halbgeschoss ist der Tatsache geschuldet, dass das Haus nur 100 m vom Thuner See entfernt liegt und das Quartier ab und an vom See überflutet wird. Dank des Halbgeschosses läuft das Seewasser in so einem Fall nicht in die Wohnung. Für den Garten war die Baumaßnahme allerdings ungünstig. „Das Gartenniveau musste näher an das Halbgeschoss bzw. an den Innenwohnraum gebracht werden. Also haben wir ca. 50 m3 Humus eingebracht und so die Höhenunterschiede abgestuft“, berichtet Ben Uhlmann. Durch die Abstufungen entstanden Gartenzimmer auf unterschiedlichen Niveaus. „Die Räume sind nicht willkürlich entstanden. Zunächst wurde zusammen mit der Familie deren Funktion (Lounge, Essen, Spielen) bestimmt und danach die Größe der Gartenräume festgelegt, sodass sie tatsächlich ins Leben passen“, erklärt der Landschaftsarchitekt.

      Der Austritt oberhalb des Halbgeschosses auf der Südseite wurde z.B. mit einem Holzdeck zu einer Terrasse vergrößert, mit einer eingebauten Bank begrenzt und zusätzlich mit einer Hecke aus immergrünen Frühlings-Duftblüten (Osmanthus burkwoodii) gesichert. Für Privatsphäre sorgt ein Spalier aus Chinesischen Wildbirnen (Pyrus calleryana 'Chanticleer'), die mit zahlreichen weißen Blütendolden im Frühjahr und mit langanhaltender Blattfärbung im Herbst eine Freude für das Auge sind. Auf der Ostseite entstand ein zusätzliches Gartenzimmer mit Pergola inklusive Sitzplatz und Schaukel, und auf der Westseite ein abgeschiedener Raum im Schatten der alten Stiel-Eiche (Quercus robur). Der alte Baumbestand und die massiven Felsen helfen, die Räume zu schließen und lauschige Plätze zu schaffen.

      Größte Herausforderung war, den Niveau-Unterschied aufzufangen, ohne die Stiel-Eiche und die Birke zu beschädigen. „Die Bäume wurden geschützt, indem wir das Holzdeck auf Stelzen gebaut und die Fläche nicht einfach aufgefüllt haben. Sogar die massiven Felsen und Steinblöcke stehen auf solchen Stelzen“, berichtet Ben Uhlmann. So ergeben sich spannungsreiche Gartenbilder, wie etwa das der alten Birke mit markanter Felslandschaft und Quellstein-Brunnen. Zusammen mit der Sandfläche wird daraus ein unkonventioneller Spielplatz für ausgiebiges Bauen und Matschen.

      Bäume wie ein Ginkgo (Ginkgo biloba'Horizontalis') und ein Amberbaum (Liquidambar styraciflua) markieren den Weg durch die verschiedenen Räume, die ineinander übergehen. Dank des milden Seeklimas gedeihen hier auch mediterrane Schönheiten wie etwa ein Mandelbaum (Prunus triloba). Gut sichtbare Bereiche schmücken sich mit der verschwenderischen Blütenfülle der Stauden, darunter insektenfreundliche Hängepolster-Glockenblumen (Campanula poscharskyana) und Pfingstrosen mit duftenden purpurroten Blüten (Paeonia lactiflora 'Karl Rosenfield'). Weniger sichtbare Bereiche beleben effektive Bodendecker wie die Elfenblume (Epimedium x perralchicum'Frohnleiten') – so hält sich der Pflegeaufwand im Familiengarten in Grenzen.

       LAGE DES GARTENS

      Thun, Kanton Bern, Schweiz

       GRÖSSE DES GARTENS

      405 m2

       PLANUNGSBÜRO

      Gartenkultur AG

       AUSFÜHRUNG

      Gartenkultur AG

       FOTOGRAFIE

      Sam Bosshard Fotografie

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      „Der Familiengarten wirkt großzügig, weil die Räume richtig gegliedert sind.“

       (V. L. N. R.) TOBIAS BRÄKER, BEN UHLMANN, RAPHAEL BRÄKER UND BENJAMIN BOSSHARD

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       PLAN

       1Wohnhaus

       2Terrasse mit Sitzbank und Hecke

       3Pergola mit Schaukel

       4Felslandschaft mit Qellstein-Brunnen

       5Sitzplatz unter alter Eiche

      Inspired by Nature – Landschaften und Gärten

      Adieu Tristesse!

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       Die Wegeführung von der Straße zum Haus führt in weichen Schwüngen in den hinteren Bereich.

      Kleine Gärten spannend zu gestalten – das ist wahre Kunst! Dieser Schattengarten mitten in der Großstadt ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie dies mit Raumbildung und einer an die Lichtverhältnisse angepassten Pflanzung gelingen kann.

       Laudatio

      Das schöne Münchner Stadthaus war vor der Umgestaltung von einem in die Jahre gekommenen Garten umgeben, in dem viel Betonstein verarbeitet war. Das Grundstück erfuhr durch das Planungsbüro Inspired by Nature unter der Federführung von Martin Oelkers eine mutige Umgestaltung. Besondere Herausforderungen dabei: Das grüne Refugium ist nur ca. 260 m2 groß und durch den vorhandenen Baumbestand, vor allem alte Eichen, stark schattiert.

      Die Jury war sich einig, dass die Umgestaltung in jeder Beziehung geglückt ist. Das Konzept des Gartens zeigt beispielhaft, wie durch eine Bepflanzung mit sorgfältig ausgewählten Stauden in Kombination mit einer gelungenen Wegeführung – als Bodenbelag wurde bayerischer Granit gewählt – eine harmonische Einheit entsteht. Als sei der Garten schon seit Jahren eingewachsen – so wirkt er auf den Betrachter. Die hohen Eichen liefern nun die passende Kulisse für wintergrüne Stauden und ausgewählte Schattengehölze.

      Das vorher etwas düstere Erscheinungsbild des Gartens ist jetzt durch das Spiel von Licht und Schatten freundlich und zeitlos elegant mit edler Note. Ein schöner Ort, um Kraft zu tanken – sei es bei einem Rundgang durch das abwechslungsreiche Grün oder beim Entspannen auf der großzügigen Terrasse vor dem Haus. Ein gelungenes Beispiel für einen stimmungsvoll gestalteten kleinen Garten mit großer Pflanzenvielfalt.

      Wolfgang Bohlsen

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       Lounge statt Garage: So ein einladendes Plätzchen mit Glasdach und Holzdeck kann man aus einer ehemaligen Garage machen.

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       Die Lichtspiele unter den alten Eichen machen einen Gutteil der Atmosphäre aus.

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