Geliebter Prinz. Billy Remie

Geliebter Prinz - Billy Remie


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Haar und enormen Bauchumfang, kam kopfschüttelnd auf ihn zu. Er trug beste Kleidung, die sich gefährlich über seinen Wanst dehnte.

      »Nun sieh dich einer an!«, seufzte er theatralisch. »Das Haar zerzaust, einen Bartschatten auf den Wangen, übermüdete Augen, die Kleider unordentlich und die Stiefel dreckig.«

      Desiderius hob die Arme und sah an sich hinunter. Als er seinen Blick wieder zu dem runden Gesicht seines Bruders hob, erwiderte er: »Das sind keine Kleider, man nennt das Rüstung

      Ohne ihm weiter Beachtung zu schenken, drehte sich Desiderius um und steuerte auf den Eingang zu.

      Arerius, sein Bruder, folgte ihm prompt. »Immerhin bist du pünktlich.«

      »Wann erwarten wir die Ankunft des Königs?«, fragte Desiderius desinteressiert, während er die vielen Stufen hinaufstieg, die ihn zur Eingangshalle der Burg führten.

      »Er verspätet sich um einen Tag«, antwortete Arerius.

      Desiderius war enttäuscht. Das bedeutete, er musste noch einen Tag länger hierbleiben als ihm lieb war.

      Er trat in die Halle und war nicht verwundert, sie reichlich geschmückt vorzufinden. Alles war für die Ankunft des Königs vorbereitet. Alles war perfekt, nur er war der Schandfleck der Familie, den bisher noch niemand entfernen konnte.

      Zielstrebig ging er in die oberen Etagen, um seine Kammer aufzusuchen. Er brauchte dringend ein Bad, um sich die letzte Nacht vom Körper zu waschen. Er wollte nicht warten, bis sein Bruder ihm die unangenehme Frage stellte, warum er nach fremdem Männerschweiß roch. Es würde seiner Familie gelegen kommen, ihm deswegen den Kopf abschlagen zu lassen. Dann hätten sie einen Grund, ihn loszuwerden. Einen besseren, als seine uneheliche Geburt.

      »Er schickte unserem Vater gestern Abend einen Botenvogel«, erzählte sein älterer Bruder ungefragt und folgte ihm die Stufen hinauf.

      Desiderius befürchtete, Arerius würde ihm bis zu seinem Zimmer begleiten und ihn eigenhändig waschen und ankleiden. Aber bevor er das zuließ, müsste Desiderius ihm leider die Nase brechen.

      »Er bringt die Königin und all seine Kinder mit. Einige von Ihnen haben Dargard noch nie verlassen.«

      »Was du nicht sagst«, brummte Desiderius desinteressiert.

      »Wie es aussieht, haben sich zwei der Prinzen davongestohlen, um die Gegend auszukundschaften. Der König war amüsiert und schrieb unserem Vater, dass er leider erst weiterreisen könnte, wenn seine zwei abhandengekommenen Söhne sich ausgetobt und wieder zu ihm zurückgefunden haben«, plauderte Arerius unbeirrt weiter. Er klang wirklich schockiert über diese Entwicklung. Er hätte wohl nicht gedacht, dass die königliche Familie wusste, wie man Spaß hatte.

      Desiderius schmunzelte nur in sich hinein. Es war eine amüsante Geschichte über zwei verwöhnte Bengel, die zum ersten Mal den Duft der Freiheit geschnuppert hatten. Wer sollte es ihnen verübeln? Desiderius bestimmt nicht.

      Er kannte nicht alle Prinzen und Prinzessinnen. In den letzten Jahren kam der König stets allein zu den alljährlichen Treffen, bei denen Desiderius anwesend sein musste. Zuletzt hatte er eine der jüngsten Töchter und den Kronprinzen gesehen. Das war aber auch bereits sieben Jahre her. Und der König hatte viele Kinder. Vier oder sogar fünf Söhne und drei Töchter. Jedes von ein und derselben Frau. Wie gesagt, Luzianer lebten lange und hatten reichlich Zeit, Nachkommen zur Welt zu bringen.

      Als er an seinem Zimmer ankam, das man ihm immer zuteilte, wenn er zu Besuch war, da es am weitesten von den anderen entfernt lag, drehte er sich zu Arerius um und sagte: »Da der König erst morgen hier erscheint, kannst du mich ja auch vorerst allein lassen.«

      Sein großer Bruder betrachtete ihn mit ärgerlich gerunzelter Stirn, doch er nickte schließlich. Bevor er sich abwandte und Desiderius allein ließ, sagte er jedoch streng: »Das Mittagsmahl wird bald aufgetischt. Wasch dich, zieh dich ordentlich an und putz deine Stiefel!«

      Desiderius war versucht, ihm eine Grimasse zu schneiden, aber er unterließ es und schlug lediglich die Tür zu seiner Kammer zu.

      Er drehte sich um und stemmte seufzend die Hände in die Seiten. Er war noch keine Stunde auf der Burg, hatte noch nicht seinen Vater angetroffen, und hatte bereits nur Gedanken an seine baldige Abreise.

      Ein Gutes hatte dieser Besuch jedoch. Es gab viel teuren Schmuck in den Zimmern, den Desiderius zu einem guten Preis an einen Schwarzmarkthändler verkaufen konnte. Wenn er also schon hier sein musste, würde er wenigstens dafür sorgen, dass es sich auch für ihn lohnte.

      3

      Am nächsten Tag war Desiderius erschöpfter als am Vortag. Er hatte in der Nacht nicht gut schlafen können, die nächtliche Ruhe auf der Burg war ihm unheimlich gewesen. Für jemand, der entweder unter einem Haufen schnarchender Räuber oder unter freiem Himmel am Lagerfeuer schlief, bedeutete nächtliche Stille immer Gefahr. Seine Instinkte hatten ihn nicht einschlafen lassen, denn obwohl er in einem Bett in einem geschlossenen Raum gelegen hatte, war er das Gefühl nicht losgeworden, von Raubtieren umkreist zu werden.

      Nun holte er den Schlaf nach, während er unweit von der Familienburg entfernt im Schatten einer Eiche lag, den Kopf an den Stamm gelehnt und einen Hut mit breiter Krempe vor dem Gesicht. Er lauschte den Geräuschen im Wald, vernahm das Plätschern des kleinen Bächleins, das zu seinen Füßen entlang floss und ganz in der Nähe in einem kleinen Teich endete.

      Nachdem Arerius ihn am frühen Morgen aus dem Bett geholt und ihm eine Rasur aufgezwungen hatte, die ein Diener mit einem hübschen Gesicht durchgeführt hat, war Desiderius vor seiner Familie geflohen und hatte seinen Rappen aus dem Stall genommen, um einen Ausritt zu unternehmen. Doch statt lange im Sattel zu bleiben, hatte er sich dieses Plätzchen für ein Nickerchen ausgesucht.

      Während er so vor sich hindöste, stand sein Rappe in dem kleinen Bach und gönnte sich eine Abkühlung. Das fließende Wasser reichte ihm bis kurz über die Hufe.

      Tier und Herr hatten beide den gleichen Drang nach Freiheit. Sein Rappe fand genauso wenig Freude an einem Stall, wie er an einem Burgzimmer.

      Der gestrige Abend war nicht sonderlich gut verlaufen, aber Desiderius hatte gar nichts anderes erwartet. Angefangen bei seinem Vater, einem großen, imposanten Mann, muskulös, sein langes dunkles Haar besaß vorn an den Seiten zwei geflochtene Zöpfe, eiskalte, grüne Augen, scharfkantige Gesichtszüge und eingefallene Wangen. Von Statur und Gesicht sahen sie sich sehr ähnlich, doch ihre Persönlichkeiten waren gänzlich verschieden. Für Desiderius’ Vater, Lord Carsus M’Shier, galt nur Pflichtbewusstsein und harte Strenge. Desiderius war aber ein unverbesserlicher Freigeist, der sich nicht sagen lassen wollte, dass er mehr aus sich hätte machen können, wäre er im Kloster geblieben. Und Lord M’Shiers Frau, Lady Shania, war natürlich am gestrigen Abend mehr als abgeneigt von ihrem aufgezwungenen Ziehsohn gewesen. Was ihn die zierliche, kleine Frau mit den braunroten Locken auch stets hatte spüren lassen.

      Einzig seine kleine Halbschwester, eine schwarzhaarige Schönheit, hatte ihn herzlich in Empfang genommen, als sie ihn erblickte. Mit offenem Haar, das glatt und seidig war, war sie in ihrem grünen Samtkleid auf ihn zu gesprungen und hatte ihm die dünnen Ärmchen um den Hals geschlungen. Freudig berichtete sie ihm, dass sie bald mit dem Kronprinzen verlobt sein würde. Er hatte es zwar schon gewusst, aber um ihr eine Freude zu machen, war er ganz überrascht gewesen.

      Desiderius schmunzelte unter seiner Hutkrempe, als er sich an ihre glücklich funkelnden Augen erinnerte.

      Ein Schatten fiel über ihn, und samtweiche, schwarze Nüstern schoben sich in sein Blickfeld. Sie plusterten sich auf und schnaubten dann. Atem, der nach Hafer roch, schlug ihm entgegen und hob die Krempe seines Hutes an, den er aus der Sattelkammer entwendet hatte.

      Solche Hüte trugen die Wüstenbewohner im Westen, während sie mit den Pferden den Sommer über ihr Vieh über die Sandhügel treiben mussten, auf der Suche nach den wenigen fruchtbaren Wiesen, die dort zu finden waren. Dieser Hut war ein Mitbringsel des Stallmeisters, den Lord M’Shier im Westen angeheuert und mitgebracht hatte.

      Desiderius


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