Geliebter Prinz. Billy Remie
verbot sich selbst den schönen Blonden, aber das bedeutete nicht, dass er ihn nicht mochte oder dass ihm gar dessen Schicksal nicht kümmerte. Nein, er hatte für den jungen Prinzen etwas übrig, es behagte ihm zwar nicht, aber es war nicht mehr zu leugnen. Und wenn er sich schon selbst verbot, ihn zu nehmen, so konnte er doch wenigstens dafür sorgetragen, dass der junge Prinz hier im Palast ein langes und sorgloses Leben führen konnte. Desiderius wollte ihn beschützen, vor allem vor seiner eigenen Naivität. Es erschien ihm richtig, dass er deshalb in Dargard blieb.
Ein Poltern über ihm war zu hören, das ihn kurz aus seinen Gedanken riss, ihn aber nicht weiter kümmerte. Vermutlich rangelten mal wieder die Prinzen miteinander.
Er hatte ein Zimmer im Stockwerk unter den Gemächern der königlichen Familie zugeteilt bekommen. Es handelte sich in diesem Flur ausschließlich um Gästezimmer, aber der König hatte beschlossen, alle Schlafkammern den Männern zur Verfügung zu stellen, die Desiderius für den Orden gewinnen konnte. Desiderius hatte zwar versichert, dass sie sich alle, einschließlich ihm, mit einem weniger prunkvollen Schlafplatz begnügt hätten, aber der König hatte darauf bestanden. Damit wurde ihnen schon mehr zuteil als der königlichen Leibwache oder dem Ritterorden, obwohl die Männer noch nicht einmal eingetroffen waren.
Desiderius unterschrieb den Zettel mit seinen Initialen, er legte die Feder beiseite und pustete anschließend die Tinte trocken. Danach ließ er die Schrift noch etwas lufttrocknen und lehnte sich entspannt zurück. Er griff nach seinem Becher und trank von dem noch lauwarmen Würzwein, der seinen leeren Magen füllte.
Bei all der Aufregung hatte er ganz vergessen, etwas zu essen, aber es war bereits zu spät für eine Mahlzeit, weshalb er sich lieber noch einmal aus dem Weinkrug nachgoss, der ihm von einem Bediensteten gebracht worden war.
Es klopfte erneut leise an den Türrahmen.
Desiderius drehte den Kopf und blickte zur Tür, die er offengelassen hatte, als er vor einigen Stunden hereingekommen war.
Er versteckte seine Freude über den Besucher und seufzte gespielt genervt: »Sag mir nicht, dass ich eine Mauer vor dieser Tür hochziehen muss, um dich von mir fernzuhalten.«
Prinz Wexmell lehnte im Türrahmen, seine schlanken Beine überkreuzt, und lächelte. »Nein, ich wollte dich nur kurz belästigen, dann lasse ich dich in Frieden.«
Desiderius schnaubte leise: »Das wage ich zu bezweifeln.«
Der junge Prinz überging den Kommentar, er legte den Kopf schief und fragte hoffnungsvoll: »Stimmt es, dass du bleibst?«
»Ich werde bald erneut aufbrechen, fürchte ich«, erwiderte Desiderius und hob den Becher an seine Lippen.
»Aber du kommst wieder«, grinste der junge Prinz. »Mein Vater erzählte uns bereits die guten Neuigkeiten.«
»Die königliche Familie hat wohl keine Geheimnisse voreinander, hm?«, stichelte Desiderius und warf Wexmell einen strengen Blick zu.
»Du deutest meinen Bruder Karic an«, erkannte der Prinz richtig. Er runzelte besorgt die Stirn und fragte: »Bist du wütend, weil ich ihm von uns erzählt habe?«
»Ich bin jedenfalls nicht glücklich darüber«, erklärte Desiderius grob.
Gleich darauf tat es ihm leid, als er sah, wie Prinz Wexmell bekümmert den Blick zu Boden richtete.
Seufzend lenkte er ein und fügte versöhnlicher hinzu: »Ich wäre allerdings um einiges verärgerter, wenn wir beide infolgedessen vor dem Scharfrichter stehen würden.«
Der junge Prinz erwiderte das Lächeln, das Desiderius ihm zuwarf.
Nach einer kleinen Pause, gestand Wexmell mit abgewandtem Blick: »Als du einfach ohne ein Wort abgereist bist, dachte ich schon, ich würde dich nie wiedersehen.«
Desiderius senkte den Blick und betrachtete den Inhalt seines Bechers, sagte aber nichts dazu.
»Ich wollte nur sagen, dass es mir leidtut«, erklärte Wexmell. »Ich wollte nicht, dass wir in diesem Graben festsitzen, noch wollte ich, dass du dich verletzt.«
Zwar hatte Desiderius ihm die Schuld zugeschoben, doch mittlerweile war ihm bewusst, wie kindisch er sich verhalten hatte. Ohne ihn anzusehen, warf er ein: »Wir tragen beide daran Schuld, also vergiss es einfach.«
»Ich wollte wirklich nicht, dass du Ärger bekommst«, sprach Wexmell unbeirrt und voller Reue weiter. »Als ich sah, wie deine ganze Familie dich behandelte, wurde mir erst richtig bewusst, was du meintest, als du sagtest, dass ich dein Leben riskiere.«
»Ich bin durchaus in der Lage, mich vor meiner Familie zu verteidigen«, warf Desiderius ein und sah den jungen Prinzen verärgert an. »Also danke, aber ich komme schon zurecht.«
»Ja«, lenkte Wexmell sofort ein, »natürlich.«
»War es das dann?«, fragte Desiderius ungeduldig und gab dem jungen Prinzen das Gefühl, unerwünscht zu sein, obwohl das Gegenteil der Fall war.
Er konnte sehen, wie er dem Blonden mal wieder das Herz brach.
»Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich dir keine Schwierigkeiten mehr machen werde«, sagte der junge Prinz traurig. »Du kannst also ganz beruhigt hierbleiben, ich werde dich nicht behelligen, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
Damit wandte sich der junge Prinz sichtlich widerwillig ab und verschwand im Flur.
Getrieben von einem Drang, den er nicht benennen konnte, sprang Desiderius auf und ging mit eiligen Schritten zur offenen Tür. Er spähte aus dem Rahmen und sah gerade noch, wie Prinz Wexmell im Zugang zur Treppe, die hinaufführte, verschwand.
Ausatmend und mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust, lehnte Desiderius seinen Rücken gegen den Türrahmen und schlug den Hinterkopf gegen das harte Holz. Er schloss die Augen und flüsterte vor sich hin: »Du nervst mich nicht.«
Er hasste sich dafür, dass er es nicht offen zugeben konnte.
14
Nach drei Wochen hatte sich Desiderius sehr gut eingelebt und erkannte nun auch die vielen Vorzüge des Lebens am königlichen Hof. Nicht nur die Bediensteten, sondern die regelmäßigen warmen Mahlzeiten, der köstliche Wein aus allen Bereichen Nohvas, die Schneider, die jedes Loch in seiner Rüstung flicken konnten, die großen Ställe und die grünen Weiden, in und auf denen sein Rappe ein herrliches Leben genoss. Es war geradezu perfekt. Außerdem mochte Desiderius, dass auch seine Schwester Silva hier war und sie nun endlich ungestört Zeit miteinander verbringen konnten.
Oft begleitete er sie, wenn sie auf den Markt ging, oder spazierte mit ihr durch die Palastgärten und hörte sich an, wie sie von Prinz Karic schwärmte. Sie war aufgeweckt, fröhlich und so ganz anders als ihre Mutter. Sie sagte auch oft, wie sehr sie Desiderius mochte und wie froh sie war, dass er bei ihr war. Es machte ihn immer glücklich, das von ihr zu hören, auch wenn er es nie zugeben würde.
Auch zu Prinz Karic hatte Desiderius ein gutes Verhältnis aufgebaut. Es war nicht schwer den zukünftigen König zu mögen. Er war charmant wie sein Vater, doch in strategischen Fragen überragte er den derzeitigen König. Prinz Karic hatte etwas radikalere Ansichten. Nichts, was einem Sorgen machen könnte, aber er scheute keine moralisch fragwürdigen Aufträge, wenn es um die Sicherheit Nohvas ging. Und er war fest entschlossen, die Gesetze zu ändern, sobald er König war, obwohl sein Vater ihm davon abriet.
Desiderius unterstützte ihn dabei und hatte Prinz Karic versichert, dass er, sobald er den Orden aufgebaut hatte, jeden Auftrag im Namen der Freiheit ausführen würde. Er war zuversichtlich, dass er mit Prinz Karic ein freieres Nohva erschaffen konnte. Selbst wenn sie Krieg führen mussten. Sie waren sich beide einig, dass es sich lohne, für die Freiheit aller Ausgestoßenen zu kämpfen. Freiheit für alle, die das gleiche Geschlecht liebten, für alle, die anders aussahen, Freiheit für alle ohne Herkunft und Namen, und Freiheit und mehr Rechte für Bastarde und Frauen.
Diese Ansichten missfielen vielen im Palast, vor allem dem