Geliebter Prinz. Billy Remie
und wusste um die Gefahren, die ihr Vorhaben mit sich brächte. Aber Karic und er waren zuversichtlich, wenigstens ein Stückchen Kultur der ursprünglichen Luzianer aufleben zu lassen.
Er und Prinz Karic waren auf einer Wellenlänge.
Als Desiderius den Kronprinzen vor einigen Wochen gefragt hatte, warum er sich so sehr dafür einsetzte, obwohl er selbst nicht betroffen war, erklärte Prinz Karic: »Ich will nicht eines Tages auf dem Thron sitzen und gezwungen sein, die Hinrichtung meines eigenen Bruders anzuordnen. Außerdem sollte jede Seele in Nohva das gleiche Recht haben, unabhängig davon, wie jemand aussieht, woher er stammt, wer ihn oder sie geboren hat – und vor allem will ich niemals die Ermordung einer Person gutheißen, deren einziges Verbrechen es war, zu lieben.«
Diese Erklärung hatte Karic Desiderius’ uneingeschränkten Respekt eingebracht. Desiderius war sich sicher, wenn jemand auf den Thron gehörte und eine Krone tragen sollte, dann war es dieser junge Prinz. Es war, als hätten die Götter ihn ganz bewusst zum Erstgeborenen des Königs gewählt. Es war die Antwort der Götter darauf, weshalb sie nichts gegen die Ungerechtigkeit unternahmen. Der Gott des Lebens hatte Karic in diese Welt gesandt, damit dieser sie von falschen Religionsgesetzen befreite.
Prinz Karic war der einzige der königlichen Kinder, mit dem Desiderius viel zu tun hatte. Prinz Wexmell sprach ihn nie an, er beobachtete ihn gelegentlich aus sicherer Entfernung mit sehnsüchtigen Blicken. Zwei der anderen Prinzen waren vor einigen Tagen abgereist, sie gingen gemeinsam zur Armee und wurden zu Kämpfern ausgebildet. Der Rest ging ihm aus dem Weg oder er ihnen. Vor allem vor den Prinzessinnen musste er sich oft in Acht nehmen, da sie ihn, sobald sie ihn erwischten, nicht mehr in Ruhe ließen.
Das Angebot, eine von Ihnen zu ehelichen war glücklicher Weise erloschen, nachdem er beschlossen hatte, kein Lord zu werden. Egal wie gut der König ihn leiden konnte, seine Töchter würden dennoch an wohlhabende Landbesitzer verheiratet werden, und sicher nicht an einen skrupellosen Mann, der im Palast wohnte und fragwürdige Aufträge auszuführen hatte. Zu denen auch zählte, Adelige bei Nacht und Nebel in den eigenen Betten zu töten, sollten sie eine Bedrohung darstellen. Für Desiderius war das kein Problem, aber der König würde dennoch keine seiner Töchter einem Mörder anvertrauen.
Desiderius war das nur Recht. Weder wollte er eine der Prinzessinnen, noch eine andere Frau, und ganz sicher keine Ehe oder auch nur so etwas, das im Entferntesten damit zu tun hatte. Er war der einsame Wolf, der immer einsam bleiben würde. Das hörte sich vielleicht traurig an, aber er hatte es lieber so, als jemals wieder den Schmerz der Enttäuschung durchstehen zu müssen. Man hatte ihn zu grob aus seiner kindlichen Naivität gerissen, als dass er in der Lage wäre, einem anderen Menschen derart zu vertrauen.
Er konnte einer anderen Person eine Klinge in die Hand drücken und mit ihr Seite an Seite oder Rücken an Rücken kämpfen, aber er würde niemals wieder jemand emotional an sich heranlassen.
Um seine Gedanken daran zu vertreiben, tauchte Desiderius unter Wasser und genoss das kühle Nass, das seinen Köper streichelte. Wie so oft, schwamm er im See.
Die beste Seite an seinem neuen Leben stellte der Dargardsee dar, der sich direkt neben der gleichnamigen Hauptstadt befand.
Die hohen Mauern der Stadt erstreckten sich am Rande des Sees, sodass Desiderius die Möglichkeit hatte, jeden Morgen oder Abend, je nach Zeitplan, von der hohen Mauer in die Gewässer des tiefen und gewaltigen Sees zu springen und zu entspannen. Der See hatte kein richtiges Ufer, er war eher ein Loch ohne Boden, das sich mit Wasser gefüllt hatte. Ein langer Fluss, der am südlichen Meer begann, floss direkt in den See.
Die zahlreichen Fischarten im grünschimmernden Wasser versorgten Dargard mit Vorräten. Sie waren der Grund, weshalb so viele kleine Fischerboote auf dem See unterwegs waren. Desiderius hielt sich immer weit entfernt der Boote auf, damit er den Fischern nicht ihre Beute vertrieb.
Schon einige Male hatte er auf dem Markt die Fische probieren dürfen und konnte verstehen, warum so viele Menschen eine Menge Taler dafür ausgaben. Aber er war eher der Fleischliebhaber, er liebte die Eintöpfe aus der Palastküche. Dort kamen nur die besten Stücke der Hirsche hinein, die in, oder besser gesagt, außerhalb von Dargard gezüchtet wurden.
Die Ebenen waren für die Hirschzucht bekannt. Das Fleisch und die Felle der Tiere wurden in anderen Gegenden teuer gehandelt.
Nachdem er sich an diesem Morgen genug abgekühlt und beim Schwimmen einen freien Kopf bekommen hatte, hievte sich Desiderius aus dem kühlen Wasser auf einen verlassenen Bootssteg. Er hatte Hemd und Schuhe auf der Mauer gelassen, aber seine Hose hing schwer an seinen Beinen.
Es verwunderte ihn nicht, dass er, sobald er den Blick hob und die Mauer hinaufsah, eine Gestalt auf der Mauer entdeckte, die neben seinen Sachen hockte.
Die angezogenen Beine mit den Armen umschlungen und das lange, schmale Kinn auf die Knie gestützt. Der Wind oben auf der hohen Mauer zerzauste sein gelocktes Haar, das im Schein der Sonne golden schimmerte.
Desiderius wandte sich ab und ging auf das Seil zu, das an der Mauer hinunter hing. Er selbst hatte es vor wenigen Wochen befestigt, damit er nicht immer die halbe Stadt in nassen Kleidern durchqueren musste.
Die aufmerksamen Augen des jungen Prinzen, die ihn verträumt betrachteten, kümmerten ihn nicht mehr. Prinz Wexmell beobachtete ihn immer, wenn er schwimmen ging. Erst hatte Desiderius nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte. Es war ihm unangenehm gewesen, bei dem einzigen, was ihn entspannte, verfolgt zu werden. Aber mittlerweile war er daran gewöhnt, dass er, sobald er aus dem Wasser auftauchte, Prinz Wexmell auf der Mauer erblickte. Er musste zugeben, dass er es sogar ein bisschen genoss, dass ihm so viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, obwohl sie körperlich Abstand hielten.
Die Anstrengung, an einem Seil die hohe Mauer hinauf zu klettern, betrachtete Desiderius als willkommene Übung für zukünftige Aufträge. Er war schon nicht mehr ganz so sehr außer Atem als die letzten Male, als er oben bei Prinz Wexmell ankam.
Sie sprachen nicht, sahen sich nur kurz an, ohne ein Gefühl preiszugeben.
Wie jedes Mal reichte Wexmell ihm stumm das Hemd hinauf, blieb noch, bis Desiderius sich angekleidet hatte und blickte wieder verträumt in die fernen Weiten hinaus, als Desiderius fertig war und sich zum Gehen umwandte.
Doch an diesem Morgen berichtete Wexmell ihm, bevor er gehen konnte: »Es kam ein Botenvogel für dich. Er hatte eine Nachricht.«
Desiderius drehte sich wieder zu Wexmell um und fragte: »Was für eine Nachricht?«
Es konnte sich nur um die Antwort auf seine Fragen bezüglich der Gerüchte über den Aufenthalt der Männer handeln, nach denen er suchte.
Wexmell zuckte mit seinen knochigen Schultern, die aber mittlerweile etwas breiter und muskulöser geworden sind. Es schien, als wäre der augenscheinlich schmächtige Kerl eigentlich um einiges muskulöser, wenn er nicht so lange krank gewesen wäre. Sein Körper schien sich erst nach und nach richtig zu erholen.
Noch immer grübelte Desiderius darüber, welche Krankheit dem jungen Prinzen fast das Leben gekostet haben mochte, aber er fragte nicht nach solchen Sachen. Wexmell würde es schon erzählen, wenn er denn wollte, dass Desiderius davon erfuhr.
Es ging ihn ja auch eigentlich nichts an.
Desiderius wandte sich um und wollte schnellstens nachsehen, welche Nachricht ihm zugeschickt wurde. Er hoffte auf gute Neuigkeiten.
»Ich habe sie hier«, hielt Wexmell ihn auf und hob plötzlich eine Hand, in der ein eingerollter Zettel steckte.
Desiderius kam zurück. Er nahm ihm kommentarlos das vergilbte Röllchen aus der Hand und rollte es auseinander.
Während er las, kam Wexmell auf die Beine und richtete seine Kleidung. Er ging jedoch nicht, er blieb mit verschränkten Armen vor Desiderius stehen und wartete ab.
Es war tatsächlich eine Nachricht von Cliff. Selbst ohne seine Unterschrift hätte Desiderius seine kindliche Handschrift und die vielen Schreibfehler erkannt. Dennoch verstand er den Inhalt der Nachricht. Gut. Sehr gut sogar. Er grinste verschmitzt.
»Gute Neuigkeiten?«,