Deadforce 2. Norbert Langenau

Deadforce 2 - Norbert Langenau


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eine winzige Seelenflamme. Wenn man aber in Isengrimms Gesicht blickte, würde einem der Anblick komplett den Verstand verdrehen. Darüber konnte auch nicht der riesige, braune Bärenpelzmantel hinwegtäuschen, den er stets um seinen knöchernen, verfallenen Körper trug. Ich hätte Gaal damals helfen können, doch war ich so gebannt von der Angst vor Isengrimm, dass ich mich nicht bewegen konnte. In seinem letzten, heldenhaften Moment schrie Gaal mir schließlich zu:"Hoën, jetzt lauf endlich weg! Bring dich in Sicherheit! Ich werde ihn beschäftigen! Bring du dich in Sicherheit, nur das zählt!" Das ließ mich wieder zur Vernunft kommen und ich respektierte Gaals Wunsch. Wie ein Feigling lief ich davon, anstatt meinem Freund und Gefährten beizustehen. Doch was konnte ich schon gegen Isengrimm, den großen Lichdruiden ausrichten? Während ich davonlief, sah ich mich des Öfteren um und da musste ich mit ansehen, wie Gaal von Isengrimm seine Seele ausgesaugt wurde. Ein schreckliches Los für einen so wundervollen Menschen und einer der allerschrecklichsten Wege, zu sterben. Denn wenn einem die Seele ausgesaugt wird, wandert man nicht ins Jenseits. Man verschwindet für immer. Gaals Körper war vielleicht noch da, bevor er verweste, doch seine Seele, das was ihn ausmachte, war von Isengrimm aufgesaugt und in Seelenenergie umgewandelt worden. Gaals Seele existierte nicht länger. Und nur ich war daran schuld. Nachdem Isengrimm mit Gaal fertig war, ließ er mich entkommen. Er war zufrieden und brauchte nicht noch mehr Seelen. Nun, das ist sie also. Die Geschichte meiner größten Niederlage.

      Hoën saß betrübt vor dem Feuer. Alle verbliebenen Reisenden hatten sich um ihn versammelt, als er die Geschichte erzählte und sie alle hatten gespannt bis zum Ende gelauscht. Jetzt fühlten alle Mitleid mit dem armen Hoën. Er hatte seinen Freund sterben lassen, weil er zu schwach war, ihn zu retten. Julian wusste zum Teil, wie sich das anfühlte. Als Herbstweih zerstört wurde, hatte er ähnliche Gefühle empfunden und sich selbst die Schuld gegeben, weil er sie nicht hatte retten können. Nachdem lange Zeit niemand etwas sagte, legte Julian seine Hand auf Hoëns Schulter.

      "Dein Verlust tut mir furchtbar Leid. Gaal schien ein wirklich toller Mensch gewesen zu sein. Aber du bist nicht schuld daran, dass er nun tot ist. Das verdankt er Isengrimm."

      "Ich weiß, Julian. Danke für deine aufbauenden Worte. Doch auch ich bin verantwortlich für Gaals Tod. Ich hätte irgendetwas tun sollen. Stattdessen bin ich feige weggelaufen. Diese frevelhafte Tat wird auf ewig ungesühnt bleiben. Das einzig Positive an der ganzen Sache, so es denn überhaupt etwas gibt, ist die Tatsache, dass wir anderen alle überleben konnten, dank Gaals Opfer. Wir sind mehr oder weniger noch immer eine Abenteurertruppe, auch wenn es uns ohne Gaal nicht mehr so viel Spaß macht wie früher. Aber ab und an gehen wir noch zusammen auf längere Wanderungen und durchstreifen das Land. In ein paar Tagen sollten sie hier eintreffen und dann ziehe auch ich weiter."

      "Moment, du gehst von hier fort?"

      "Ja. Dann sollte auch dich nichts mehr hier halten. Hast du nicht eine Aufgabe zu erfüllen?"

      "Das habe ich in der Tat. Aber vielleicht kann ich ja mit euch mitkommen? Reist ihr zufällig nach Norden?"

      "Tatsächlich geht es zu Beginn der Route fast ausschließlich nordwärts. Nach einiger Zeit ändern wir die Richtung dann nach Nordwesten und schließlich ganz nach Westen. Anschließend machen wir einen Bogen und kehren wieder hierher zurück. Wenn du uns begleiten willst, habe ich nichts dagegen. Aber wir sollten die anderen auch noch fragen. Wir sind noch immer das quietschende Quintett, auch wenn Gaal nicht mehr dabei ist. Erst muss ich wissen, ob die anderen nicht glauben, dass du einen Ersatz für Gaal darstellen sollst. Dennoch denke ich, dass wir das schon irgendwie hinbekommen."

      "Großartig. Ich kann es kaum erwarten, die Personen kennen zu lernen, mit denen du unterwegs warst. Natürlich mussten auch sie Isengrimm erblicken. Ich werde dieses Thema auf jeden Fall vermeiden."

      "Sehr rücksichtsvoll von dir. Am besten ist es, wenn du nicht einmal den Namen des Lichdruiden aussprichst. Denn er ist ein unglaublich mächtiges Wesen und kann womöglich merken, wenn jemand ihn beim Namen nennt. Und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass von ihm niemals etwas Positives ausgehen wird. Nur Tod, Fäulnis und Dunkelheit. Vor ein paar Jahren hat er zum Beispiel einfach so eine Welle seiner boshaften Fluchmagie ausgesandt. Diese Welle verbreitete sich über die gesamte Welt. Sie hat niemanden direkt getötet, aber das Weltgefühl wurde dadurch um einiges düsterer. Ebenso waren jene, die schon an Krankheiten litten oder angeschlagen waren, besonders betroffen. In so einem Fall konnte diese Welle der Bosheit doch zum Tod führen. Alle sagen immer, dass der Prinz der Untoten der schrecklichste und mächtigste Untote aller Zeiten ist, doch ich sage, das ist Unsinn. Isengrimm ist bei Weitem schlimmer und um Welten grausamer."

      "Sag mal, Hoën, diese Welle der Bosheit, wann genau hat er die geschickt?", fragte Julian. Irgendetwas schien ihm daran absolut nicht zu gefallen.

      "Es war vor sechs Jahren, glaube ich."

      Julian erstarrte. Nun musste er nur noch eines klären:"War das zufällig im Juni?"

      "Soweit ich mich erinnere, war es an dem Tag sehr heiß, vielleicht war es tatsächlich im Juni. Warum fragst du das? Hast du die Welle etwa gespürt?"

      Julian standen Tränen in den Augen.

      "Ich nicht, aber meine Mutter. Sie ist im Juni vor sechs Jahren gestorben. Schon lange davor war sie von einer schlimmen Krankheit befallen, die sie auch nicht ganz loswurde. Doch diese Welle der Bosheit muss ihr damals den Rest gegeben haben. Das bedeutet, dass Isengrimm meine Mutter getötet hat. Nun haben wir beide jemanden durch dieses Scheusal verloren, Hoën."

      "Aber das ist ja schrecklich. Wie furchtbar. Es tut mir wirklich Leid, Julian. Deine arme Mutter. Niemand hat es verdient, durch irgendeine Teufelei von Isengrimm vernichtet zu werden."

      "Er sollte vernichtet werden.", sagte Julian düster. "Das wäre gerecht."

      "Da stimme ich dir ausnahmsweise zu. Isengrimm muss ausgelöscht werden, noch dringender als der düstere Magier."

      Julian blickte Hoën ernst in die Augen.

      "So es in meiner Macht steht und ich die Gelegenheit bekomme, werde ich beide eigenhändig töten.", sprach Julian voll Überzeugung.

      Kapitel VI: Reaktionen der Welt

      Kaiser Hirion, Schöpfer der Machuv'Thal, mächtiger Wesen aus Metall, saß auf seinem gigantischen, finsteren Thron in der Hauptstadt seines Reiches Gentrav, Riathassan. Er stellte das mächtigste Wesen der Welt dar. Heute allerdings empfing er einen ungewöhnlichen Gast, den er unter anderen Umständen nie empfangen hätte. Doch Julians Sieg in der Schlacht von Erudicor hatte sich schnell auf der Welt verbreitet, obgleich erst wenige Tage vergangen waren. Das bedeutete Veränderung für die Welt. Und darauf reagierten die meisten Herrscher äußerst gereizt. Denn sie herrschten bereits über ihre Reiche und wollten natürlich nicht, dass diese sowie ihre Machtpositionen in irgendeiner Weise gefährdet waren. Hirion, der nicht nur das mächtigste Wesen der Welt, sondern auch unglaublich weise war, wusste es besser und machte sich keine Sorgen. Ihm war klar, dass es um ihm Angst zu machen schon mehr brauchte, als einen winzigen Sieg eines Jungen in einer Schlacht, die im Angesicht der Ewigkeit verblasste. Dennoch änderte das alles nichts daran, dass Hirion 5000 seiner Silberschnitter, einer sehr mächtigen Art seines Volkes, zur Unterstützung des düsteren Magiers entsandt hatte. Angeführt von einem seiner engsten Vertrauten, Kiostos, dem Kupfergeneral, welcher nie zurückgekehrt war. Ebenso wenig hatte sich auch nur ein einzelner Silberschnitter den Weg zurück nach Riathassan gebahnt. Zugegeben waren zwar erst wenige Tage seit der Schlacht vergangen und der Weg von Erudicor nach Riathassan betrug ein wenig über 5000 Kilometer, doch waren die Silberschnitter sehr schnell zu Fuß und konnten in einer Stunde bereits 30 Kilometer zurücklegen. Noch dazu benötigten sie nicht wirklich Nahrung, da sie ja nur aus Metall bestanden und ebenso wurden sie nicht müde. So hätten an jenem Tag, an dem Hirion zwei Wochen nach der Schlacht von Erudicor seinen speziellen Gast empfing, alle Überlebenden zurückgekehrt sein müssen. Da dies aber nicht der Fall war, erkannte er, dass sie alle tot sein mussten. Aber er wollte es ganz sicher wissen und er musste auch erfahren, wie sie vernichtet worden waren. Daher hatte er Jack eingeladen. Jack war der Anführer


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