Vermisst in Nastätten. Ute Dombrowski
ja, heute Abend ist Mädelsabend!“
Rasch räumte sie den Tisch ab, schrieb Reiner einen Morgengruß auf dem Handy und ging hinüber in die Werkstatt. Sie hatten gestern die Keramik gebrannt, deshalb war der Ofen heute tabu. Es war immer etwas Besonderes, so eine Art Geburt, und Undine war jedes Mal aufgeregt, bis sie endlich den Ofen öffnen durfte. Aber sie wusste, dass Geduld wichtig war. Eigentlich könnte sie schon heute Abend nachschauen, doch da war ja das Treffen in der Pizzeria „La Gondola“.
Sie räumte die kleine Küche auf, stapelte Schalen und Eimer ineinander, aber das machte ihr nach einer Weile keinen Spaß mehr. Draußen war es kalt, also beschloss sie, ein wenig Anfeuerholz zu hacken. Sie zog sich warm an, nahm das Beil vom Haken und ging hinaus. Eine Stunde später tat ihr zwar der Arm weh, aber ein Berg schmaler Holzscheite lag neben dem Hackklotz. Diesen räumte sie in Kisten und Körbe.
Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und machte sich auf, Jasmin zu wecken. Die Freundin hatte gestern gesagt, dass sie ausschlafen wolle. Jasmin hatte ab heute Urlaub bis Anfang Januar, weil die Firma, in der sie seit einiger Zeit arbeitete, Betriebsferien machte.
Sie klopfte und trat ein. Jasmin saß bereits mit einer Tasse Kaffee und ihrer geliebten Zeitung in der Küche.
„Guten Morgen, Jasmin.“
„Morgen“, brummte die Angesprochene.
„Was gibt es Neues?“
„Nichts Besonderes. Nur einen Einbruch in der Stadtverwaltung.“
„Was? Davon hat Reiner gar nichts erzählt. Wer bricht denn ins Amt ein? Was gibt es dort zu klauen?“
„Sie schreiben, es war nur ein versuchter Einbruch und nichts wurde gestohlen.“
„Wenn, dann sucht man dort ja nur Technikkram oder … wichtige Informationen. Vielleicht hat jemand etwas über eine andere Person gesucht. Eine Adresse oder so.“
Jasmin sah Undine an und schüttelte den Kopf.
„Da geht mit dir wieder mal die Fantasie durch, du Hobbydetektivin! Ich denke mal, es wollte jemand einen Locher stehlen. Oder einen Computer.“
Undine lachte. Ja, Jasmin hatte recht: In solchen Momenten spielte ihr Kopfkino einen Krimi ab, denn sie wollte immer wissen, was dahintersteckte.
„Einen Locher, natürlich. Der ist sehr wertvoll.“
„Du weißt, wie ich das meine. Außerdem hat ja niemand irgendetwas gestohlen. Also Schluss. Kommen heute Abend alle?“
„Bisher hat niemand abgesagt.“
„So, ich gehe jetzt zum Frisör. Kommst du mit in die Stadt?“
„Ja, wir treffen uns in zehn Minuten im Hof.“
Undine lief ins Haus und zog sich um. Sie wollte mitgehen, aber nicht zum Frisör. Sie wollte sich ein bisschen umhören, was man in der Stadt über den Einbruchsversuch wusste. Und wenn Reiner ermittelte, konnte sie ihn mit ihrem Wissen unterstützen. Lene war unterwegs und erst am Nachmittag erreichbar, also musste sie auf eigene Faust etwas herausfinden. Jasmin musste davon nichts wissen, darum begleitete sie sie zuerst zum Frisör und machte sich danach auf den Weg zum Bäcker.
Kornelia Krinkmann war selbst erstaunt über den versuchten Einbruch, allerdings las sie die Zeitung immer erst mittags. Sie fragte ihren Mann und Joshua, aber die beiden hatten auch noch nichts gehört.
„Sowas, da passiert nach langer Zeit mal wieder etwas in Nastätten und dann weiß man so wenig.“
„Frag doch Reiner, der hat sicher eine Ahnung.“
Undine grinste.
„Nein, lieber nicht. Ich finde erstmal selbst etwas heraus und rede dann mit ihm. Ich halte euch auf dem Laufenden.“
Sie wanderte durch die Stadt, traf Bea, die auch nichts wusste und stand auf einmal vor Günther.
„Na, wieder mal am Herumschnüffeln?“
„Hast du uns belauscht? Das gehört sich aber nicht!“
„Ihr habt so laut geschnattert, da wären sogar die Weihnachtsgänse neidisch. Wo ist Anna? Die ist doch beim Tratschen auch immer mit von der Partie.“
„Ich gehe einkaufen und rede mit den Leuten, aber das geht dich eigentlich auch nichts an.“
„Vielleicht weiß ich ja etwas über den Einbruch.“
„Was denn?“, fragte Undine und war sehr neugierig.
„Weil du es bist, erzähle ich es dir. Die eine von der Meldestelle hatte bei mir was bestellt und sagte, dass der Einbrecher es sicher nicht auf materielle Sachen abgesehen hatte.“
„Worauf denn dann?“
„Dienstliche Geheimnisse. Daaaaaaten!“
Dachte ich es mir doch, sagte sich Undine, setzte aber ein Pokerface auf, um nicht zu zeigen, dass sie sich brennend dafür interessierte.
„Ach komm, Daten kannst du doch heutzutage auch im Internet herausfinden. Und das geht noch dazu schneller. Daten … das glaube ich nicht.“
„Dann glaubst du es eben nicht. Aber ich sage dir: Die in den Ämtern wissen genauso viel über uns wie das Internet. Nur, dass es in Schränken liegt.“
„Na, auch in den Ämtern ist alles auf dem Computer gespeichert, aber eben Daten, die nicht jeder recherchieren kann.“
„Nur die Polizei.“
„Eben, Reiner wird schon wissen, worauf es der Einbrecher abgesehen hatte. Er wird es mir heute Abend erzählen.“
Günther lachte und winkte ab.
„Das darf er gar nicht. Datenschutz! Wenn der dir das alles auf die Nase bindet, macht er sich strafbar.“
„Das muss er nicht, ich finde eh alles selbst heraus. Und jetzt muss ich los. Auf Wiedersehen und frohe Weihnachten.“
Undine ließ Günther einfach stehen. Natürlich hatte er recht und Reiner durfte ihr nichts Dienstliches erzählen, aber manchmal tat er es trotzdem, wenn er ihren Rat benötigte. Er wusste ja, dass Undine nichts herumtratschte. Auch Lene war verschwiegen wie ein Grab. Es war ein Teil ihres Erfolges, denn alle wussten, dass man den beiden Frauen Geheimnisse erzählen konnte.
Kurz entschlossen betrat sie die Metzgerei und kaufte ein paar Scheiben Schinken. Dabei ließ sie eine Bemerkung über den Einbruch fallen.
„Ach!“, rief die Metzgersfrau neugierig. „Wissen Sie mehr? Sie sind doch mit dem Kommissar verheiratet.“
„Nicht verheiratet, aber wir leben zusammen.“
„Er ist ein interessanter Mann.“
Sie kam um den Ladentisch herum, weil gerade sonst kein Kunde in Sicht war.
„Ich habe gehört, der Verbrecher hat den Generalschlüssel geklaut, um heute oder morgen Nacht nochmal zu kommen. Aber von mir haben Sie das nicht!“
Sie sah sich um wie eine wichtige Zeugin in einem Agentenfilm. Undine nickte und legte einen Finger auf ihre Lippen.
„Da müssen die die ganzen Schlösser austauschen, um sich zu schützen. Stellen Sie sich mal vor, die klauen persönliche Dinge wie Geburtsurkunden.“
Den letzten Satz hatte sie geflüstert.
„Nicht auszudenken!“, flüsterte Undine zurück und verabschiedete sich.
Draußen atmete sie tief ein und aus.
„Und Jasmin sagt, mit MIR geht die Fantasie durch. Mal sehen, ob Herbert etwas weiß.“
Fröhlich vor sich hin pfeifend stand der Feuerwehrmann in der Halle und sah unter ein Fahrzeug. Undine tippte ihm auf die Schulter und er fuhr herum.
„Mann, hast du mich erschreckt.“
„In die