Todgeweiht im Odenwald. Werner Kellner

Todgeweiht im Odenwald - Werner Kellner


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in Marias Erzählung ebenso schnörkellos auf den Tisch wie die Wiederholung des schockierenden Fundes ihrer toten Katze. Sie hatte sie mit durchgeschnittenem Hals und zusammen mit der kurzen Drohnachricht ‚die Frist läuft ab‘ vor der Haustür gefunden.

      „Karsten hat mir wegen der Erpressung keine Ruhe gelassen, bis ich Frau Simon angerufen habe, die sofort versprach, mir zu helfen. Sie schimpfte mit mir, dass ich die Handy-Botschaften vernichtet habe, und empfahl mir dringend, mich künftig sofort mit jeder neuen Nachricht bei ihr zu melden. Von der Katze weiß sie noch nichts. Und Julia predige ich die ganze Zeit, vorsichtig zu sein. Ich lasse sie keine Minute mehr aus den Augen.“

      Maria stockte und seufzte.

      „Aber herausgefunden haben sie bisher natürlich nichts“, der Frust in ihrer Stimme war unüberhörbar.

      „Was stand denn in den Briefen genau?“, war Steffi bemüht Näheres zu erfahren. Maria hat nach der Ermahnung durch Frau Simon das letzte Schreiben eingescannt und öffnete den Brief jetzt auf ihrem Laptop.

      Steffi las aufmerksam und Maria unterbrach sie nicht.

      Zufall oder nicht, während Steffi las, kündigte der E-Mai-Server des Pflegeheims einen Posteingang an, und die Meldung ‚Sie haben Post‘ poppte auf.

      Wie erwartet, war es eine Drohung, die den Druck erhöhte, und die Frist, sich zu entscheiden, wurde verkürzt.

      ‚Du hast von nun an exakt eine Woche Zeit, die Anzeige zurückzuziehen, bevor wir uns zuerst deine Familie vornehmen und dann dich. Du kennst das ja schon, du Schlampe. Die Katze konnte nichts dafür‘, las Steffi erschrocken. Sie setzte sich sofort an den PC, um die IP-Adresse des Absenders zu eruieren, aber die Mail war über verschiedene Accounts und vermutlich von einem Darknet-Server abgeschickt worden und ließ sich nicht tracken.

      „So geht das jetzt seit Wochen“, flüsterte Maria.

      „Ich habe keine Ahnung, wie sie an meine Handy-Nummer und meine E-Mail-Adresse kamen.“

      ‚Das ist locker zu erklären‘, dachte Steffi. Sie wagte es aber nicht den Verdacht auszusprechen, dass die Verteidiger der Vergewaltiger nach Akteneinsicht mit wenig Aufwand an die Koordinaten der Zeugin für die Strafanzeige gelangten.

      „Dass du die Pflegedienstleitung innehast, das ist ja allgemein bekannt“, überlegte Steffi laut, „und über eine undichte Stelle im Heim hat der (oder die) Stalker höchstwahrscheinlich deine Handy-Nummer ausgespäht?“

      „Vergiss nicht, die haben das Heim jahrelang betrieben. Es gibt hier genügend loyale Angestellte der früheren Eigner“, ergänzte Steffi trocken.

      Ihr war klar, dass sich der Eigentumsstreit mit der Gesellschaft unter Umständen monatelang hinziehen könnte und vom Ausgang der Entscheidung der Strafkammer in Frankfurt abhängig war.

      „Was wirst du jetzt mit Julia machen, nachdem du dich mit deiner Mama überworfen hast und Karsten nicht zu Hause ist?“, fragte eine besorgte Steffi und griff einen kritischen Punkt auf.

      Maria seufzte, „wenn ich das wüsste. Meine Mutter mag ich nicht mehr fragen, sonst hetzt sie Julia jedes Mal stärker gegen mich auf. Das wird immer schlimmer“.

      „Warum wohnt ihr nicht beide hier im Heim? Zurzeit gibt es nur ‚Home-Schooling‘, und das kannst du genauso gut von hier aus mit Julia organisieren. Die Kantine ist zwar nicht optimal, aber ihr könnt hier wieder Abstand gewinnen und habt Zeit zum Luftholen, um in Ruhe entscheiden, wie es weiter geht!“, schlug ihr Steffi vor.

      Maria nickte, denn in diese Richtung hatte sie bisher nicht überlegt.

      „Wenn ich mir das Recht überlege“, freute sich Maria, „ist das ein Megavorschlag. Hier im Heim könnte ich mir sogar Weihnachten als schönes Fest vorstellen. Mit den alten Leutchen wäre das eine nette Aufgabe und für Julia abwechslungsreich. Karsten ist in Dubai auf seiner Öl-Plattform und mit meinen Eltern gäbe es nur Zoff und Streit. Mit etwas Glück könnte ich zu den Erpressungsversuchen eine gewisse Distanz zwischen die Erpresser und mich legen?“

      „Mir gefällt auch besser, dass wir uns in dem Fall ab und zu mal sehen könnten, um über alles zu reden“, ergänzte Maria und sah Steffi hoffnungsvoll an.

      „Auf jeden Fall. Außerdem werde ich sofort, wenn ich jetzt heimkomme, meine zwei Chefs fragen, wie sie dir helfen können, diese fiese Erpressung abzustellen? Was hältst du davon?“

      Maria, die sich bisher nur in die Ecke gedrängt sah, nahm das Hilfsangebot dankbar an. Sie fand vor allem die Idee toll, mit Julia im Pflegeheim einzuziehen.

      Sie beabsichtigte den Umzug umgehend anzugehen, denn in ihrer Wohnung war sie nicht mehr sicher.

      Und Polizeischutz lehnte sie ab.

      Es war so schon kompliziert genug.

      Zum Abschied knufften sie einander coronakonform, und Steffi lud Maria zur Weihnachtsfeier des kleinen Ermittlerteams ein, damit Willy und Hans ihr konkret erklärten, wie sie ihr helfen würden.

      

       Ende einer Geschäftsreise

      

       Darmstadt, Freitag, 18.12.2020

      Der Betreiber der Ölplattform brach die Arbeiten und damit Karstens Aufenthalt in Dubai ab, weil die Coronawelle urplötzlich die Offshore-Plattform erreicht hatte, von der aus die Probebohrungen für neue Erdölfelder im persischen Golf vorangetrieben wurden. Deshalb kehrte Marias Ehemann zwei Wochen vor dem geplanten Abreisetermin nach Darmstadt zurück.

      Er war nicht sicher, ob er sich auf ein Wiedersehen angesichts des heftigen Streitgesprächs freuen sollte, das er sich mit seiner Frau vor seiner Abreise geliefert hatte.

      Ebenso glaubte er nicht, dass Maria in seiner Rückkehr ein unverhofftes Weihnachtsgeschenk erkennen würde. Er betrat das Haus mit gemischten Gefühlen, nachdem er den Taxifahrer bezahlt hatte, und stand mit den Koffern in dem dunklen und leeren Flur, als das Festnetztelefon klingelte.

      Den Hörer ans Ohr gepresst, lauschte er den dürren und mit Synthesizer verfremdeten Worten eines ihm unbekannten Anrufers.

      „Wenn sie nicht tun, was ich ihnen jetzt erkläre, werden sie ihre kleine Tochter nie mehr wiedersehen. Legen sie also nicht auf, sondern hören sie gut zu“.

      Karsten, der vollkommen überrascht war, merkte erst jetzt, dass der Anrufer ihn am Telefon für seine Frau hielt.

      „Sie nehmen unsere Forderungen leider nicht ernst. Sie lassen Fristen verstreichen und halten uns hin. Deshalb bekommen sie hiermit die letzte Chance, die Anzeige gegen unser Mitglied wegen einer angeblichen Vergewaltigung, die keine war, zurückzuziehen.“

      Karsten war im ersten Moment völlig überrumpelt, aber nicht zuletzt durch seinen Job mit manchmal rücksichtslosen Geschäftspartnern war er durchaus harten Tobak gewöhnt, und er ließ sich auf die plumpe Art nicht einschüchtern.

      „Stopp, jetzt hören sie mir einmal zu. Sie reden jetzt nicht mit einer hilflosen, blonden Frau, die sie nicht nur brutal vergewaltigt und dabei geschwängert haben. Und die sie glauben, darüber hinaus weiter terrorisieren zu können. Sie haben es jetzt mir zu tun, sie dreckiger Erpresser“, Karsten ließ sich emotional hinreißen und beschimpfte den Anrufer.

      Außerdem gab er ihm unabsichtlich eine Information, die der Mann am anderen Ende der Leitung bisher nicht kannte. Die Verblüffung darüber, dass das Vergewaltigungsopfer schwanger war, ließ die Stimme im Telefon einen langen Augenblick verstummen.

      „Also gut, du toller Verhandler. Dann werden wir trotzdem eurer Tochter wehtun, wenn deine Frau von der Anzeige nicht Abstand nimmt. Wobei“, er zögert einen Moment, „mit einer Schwangerschaft wird es jetzt natürlich etwas komplizierter und aufwändiger. Denn selbst wenn sie die Anzeige zurückzieht, sind ja trotzdem alle Spuren zu beseitigen, die den Staatsanwalt auf den Plan rufen würden“.

      Der


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