Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
dem Projekt 18 nicht mal ein Projekt 8 geworden. Böllermann selbst hielt sich für unschuldig, gab aber dem Druck seiner Parteifreunde nach, wenngleich er nach wie vor von der Richtigkeit seiner Strategie überzeugt war und sich immer noch für den Allergrößten hielt.
15. März 2003: Die große Rede war gehalten worden und nun würde sich zeigen, was davon zu halten war. In einem Berliner Lokal trafen im Pissoir der Herrentoilette zwei Journalisten aufeinander, die für verschiedene Zeitungen arbeiteten und deshalb umso begehrlicher alles daran setzten, Informationen auszutauschen. "Na, Jakob, wie hat Dir die Rede vom Schräder gefallen?" erkundigte sich der Ältere der Beiden. "Ich weiß nicht so recht, Hans. Irgendwie war das Ganze weder Fisch noch Fleisch", fand der Andere. "Also nicht mal was für die Grünen." "Doch, ich glaube, die können damit am besten leben." "Also daß die Gewerkschaften aufschreien würden, das war ja ohnehin von vornherein klar gewesen, aber die Kritik von der Opposition ist schon ein wenig lächerlich." "Findest Du? Das sehe ich anders. Die Gerkel und der Festerbelle würden Deutschland, wenn sie könnten, am liebsten so was von durchregieren, daß kein Stein auf dem anderen bleibt." "Ja, in der Opposition ist gut stinken. Das sagen die jetzt, aber wenn sie dann die Wahlen deswegen verlieren, dann knicken die ganz schnell wieder ein." "Mag sein, aber derjenige, der jetzt erst mal die Wahlen verlieren wird, ist zweifellos der Bundeskanzler." "Gut, da ist wohl was dran, aber das war ja in den letzten Jahren ohnehin fast immer der Fall gewesen, von daher ändert sich nicht wirklich was." "Auch wieder wahr. Trotzdem glaube ich, daß er da seiner SPD und deren Wählern schon jede Menge zumutet. Ganz schön mutig, das alles." "Na ja, dem ist halt das Land wichtiger als die eigene Partei. Eigentlich schon lobenswert, wenn es mal einer in Kauf nimmt, wegen Reformen abgewählt zu werden, die meisten Politiker würden sich das nicht trauen." "Ja, stimmt schon, aber vielleicht hat der Schräder auch einfach keinen Bock mehr und will auf die Art und Weise so schnell wie möglich aus dem Kanzleramt raus." "Das glaube ich nicht. Der spielt halt mal wieder alles oder nichts, denn wenn er so weitermachen würde wie bisher, dann hätte er bei der nächsten Wahl überhaupt keine Chance." "Ja, das kann man so sehen. Also gut, war schön mit Dir geplaudert zu haben, laß uns jetzt aber lieber gehen, die ganzen anderen Männer warten schon und trauen sich nicht hierher zum Pinkeln, weil sie uns nicht stören wollen." "Ach ja, tatsächlich. Schön, dann bis zum nächsten Mal, vielleicht treffen wir uns dann ja an einem gemütlicheren Ort."
Ende März 2003: "Herr Doktor, ich glaube ich bin schizophren", begann der Patient das Gespräch beim Psychiater." "Das hätten Sie wohl gern, aber so leicht wird man das nicht", entgegnete der Arzt. "Ich schon, ich bin nämlich ein führendes Mitglied der Grünen." "Au weh, da habe ich mir ja was angetan. Guter Mann, ich glaube, Ihnen und Ihrer Partei ist nicht mehr zu helfen. Wer sich dermaßen verbiegt, nur um in der Regierung zu bleiben, mit dem wird es noch ein böses Ende nehmen." "Das befürchte ich auch. Ich weiß ja selber schon gar nicht mehr, wo mir eigentlich der Kopf steht." "Kein Wunder, bei diesen ständigen Positionswechseln und faulen Kompromissen. Dabei hätte Ihre Partei doch wirklich allen Grund zu feiern. 20 Jahre im Bundestag ist schließlich wirklich eine Leistung." "Ja, aber wir Grünen sind ja 1990 im Westen aus dem Parlament geflogen und quasi nur wegen Bündnis 90 wieder reingekommen." "Gut zu wissen, daran kann ich mich nämlich überhaupt nicht mehr erinnern. Guter Mann, was kann ich eigentlich für Sie tun?" "Das weiß ich leider auch nicht so genau. Entweder eine Gehirnwäsche, damit ich alles toll finde, was die rot-grüne Bundesregierung macht oder einen kompletten Neustart in meinem Kopf, damit ich noch einmal ganz von vorne beginnen kann." "Wissen Sie, Regierungsjahre sind keine Herrenjahre, vor allem nicht als kleiner Koalitionspartner. Die Welt da draußen ist nicht so schön, wie Ihr Grünen Sie Euch vorstellt. Deshalb solltet Ihr Euch lieber mit den Realitäten abfinden." "Aber wir hatten doch immer so wunderschöne Träume." "Zeiten ändern sich eben. Wer Einfluß und Macht haben will muß leiden." "Also gut, wenn das so ist, Herr Doktor, dann möchte ich jetzt doch meine Gehirnwäsche." "Mit dem größten Vergnügen."
Mal wieder saßen die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Andrea Gerkel und Egmont Sträuber, in einem Büro zusammen, um sich über die allgemeine politische Lage auszutauschen. "Wie geht es denn Ihrer Muschi, Egmont?" wollte die Ostbiene wissen. "Also wirklich, Sie sind und bleiben ein Ferkel, Andrea! Ich bin doch kein Trans, Trans, Transrapid!" empörte sich der Bayer. "Aber ich meinte doch Ihre werte Gemahlin, mein lieber Egmont, die Kathrin." "Ach so, die Muschi meinen Sie. Ja mei, solange es mir gut geht, geht es der auch gut, glaube ich zumindest." "Möchten Sie denn mal meine Muschi sehen?" "Äh, also, na ja, ich weiß nicht." "Ich meine doch meine schwarze Katze, Sie Schwein." "Ach so. Na gut, meinetwegen." "Das freut mich, dann bringe ich sie das nächste Mal zu unserem Gespräch mit. Wissen Sie noch, wie Sie mich damals beim Golfradshausener Frühstück vernascht haben, Egmont?" "Aber selbstverständlich und das werde ich auch nie vergessen. Leider hat es dann ja doch nicht ganz für mich gereicht." "Sie haben Ihr Bestes gegeben. Mein lieber Egmont, wann darf ich denn endlich Herr Sträuber zu Ihnen sagen?" "Soweit sind wir noch lange nicht, hochverehrte Andrea. Das dürfen nur meine besten Parteifreunde und sonst niemand. Außerdem finde ich es nicht gut, daß Sie die Wahlchancen unserer Union so gefährden." "Was meinen Sie damit?" "Schräder punktet, weil er gegen den Irak-Krieg ist und Sie kriechen dem Bush in den Arsch. Das ist so was von unpopulär." "Na und? Beliebtheit ist nicht alles." "Das erklärt auch Ihre miesen Umfragewerte. Wissen Sie eigentlich, wie Sie bei uns in der CSU genannt werden?" "Jetzt bin ich aber gespannt. Wie denn?" "WC-Ente." "WC-Ente? Wieso das denn?" "Ganz einfach: Im aktuellen Politbarometer liegen Sie auf der Skala von plus fünf bis minus fünf bei 0,0." "Ich verstehe. Und wenn schon?" "Nichts da, Popularität ist wichtig und die bekommt man nur mit Populismus. Der Mischer steht bei plus 2,4." "Das macht nichts, denn wenn ich erst mal deutsche Bundeskanzlerin bin, dann werde ich auch so gute Werte haben." "Glauben Sie das wirklich, Andrea?" "Warum nicht?" "Ach, da würden mir viele gute Gründe einfallen." "Mein lieber Egmont, soll das etwa heißen, daß Sie von mir erwarten, daß ich den Leuten nach dem Mund rede?" "Genau das heißt es. Aber fürs Erste würde es mir schon reichen, wenn Sie mir nach dem Mund reden. Also, was ist jetzt mit den Amerikanern?" "Ich mag den Greg U. und daran wird sich auch nichts ändern." "Ja, das ist auch völlig in Ordnung, aber denken Sie bitte daran, daß fast alle Deutschen gegen den Irak-Krieg sind." "Mag sein, aber wir sind in der Opposition, lieber Egmont und es ist unsere Aufgabe, die Regierung zu kritisieren." "Das schon, aber doch nur, wenn es auch Wählerstimmen bringt." "Ach so, ich glaube, ich habe verstanden." "Na also, es geht doch." "Wieso ähn Sie eigentlich fast nicht mehr?" "Ach, das tue ich nur, wenn ich denke bevor ich rede." "Danke für die Blumen."
Anfang der letzten Maiwoche 2003: 10 Jahre Sträuber als Ministerpräsident in Bayern. Ich verneigte mein Haupt in Erfurt, äh, natürlich in Ehrfurcht vor jenem großen Meister, der aus Bayern die Vorstufe zum Paradies gemacht hatte. Egmont Sträuber Superstar, er war und blieb der Mann der Stunde, seine Minister zitterten vor ihm, er interessierte sich für alles, las jede Akte höchstpersönlich und er war so etwas wie der Alleinherrscher in Bayern. Sein Volk war zufrieden mit ihm, seine Wahlergebnisse waren grandios und er hoffte nach wie vor darauf, vielleicht doch noch Bundeskanzler in Berlin zu werden. Um das zu schaffen, brauchte er ein phänomenales Wahlergebnis bei der Landtagswahl im September 2003 und da die Deutschen und damit auch die Bayern höchst unzufrieden mit der rot-grünen Koalition waren, weshalb jene schon in Hessen und Niedersachsen gewaltig abgestraft worden war, sah es gut aus für den tollen Egi. Früher hatte er sich mit Parteifreunden herumschlagen müssen, die ihn als Ministerpräsidenten verhindern hatten wollen, aber die CSU-Basis und die Landtagsfraktion hatten ein Machtwort gesprochen und sich und damit auch ihn durchgesetzt. Dennoch war es fünf Jahre lang nicht immer leicht, denn Leo Baigel war CSU-Parteichef und Finanzminister in Bonn, weshalb sich Sträuber des Öfteren mit jenem auseinandersetzen und streiten mußte. Doch seit der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl 1998 war der nervende Leo weg vom Fenster und Sträuber war auch noch CSU-Parteichef geworden, also vergleichbar mit Schräder, der nach Afrotränes Demission SPD-Chef geworden war. Egmont Sträuber stand im Zenit seines politischen Lebens und es gab nicht wenige Journalisten, die sich vorstellen konnten, daß der große Kümmerer, den die Bayern unheimlich mochten, noch zehn weitere Jahre als Ministerpräsident in Bayern regieren würde. Was für eine Lichtgestalt!
Ende Mai 2003: Es war einer jener Tage, an denen Bernhard Schräder von Anfang an wußte, daß er lieber im Bett hätte bleiben sollen, doch dann hätte ihn seine neue Alte, die Frau, die