Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring
Glaubst Du wirklich, daß der Uli was mit dem Robert Husch hatte oder hat?" "Ich weiß nicht so recht. Auf alle Fälle würde ich diese Zeugen, die der Still da ins Spiel gebracht hat, nicht so ernst nehmen. Viele Leute hören und glauben ja nur das, was sie hören wollen." "Deshalb sind sie für Populisten ja auch ein gefundenes Fressen. So eine Koksnase wie der Still sollte ohnehin nur sehr vorsichtig für voll genommen werden." "Ja, aber das ist ja auch nicht bewiesen. Alles nur Gerüchte und Spekulationen." "Fest steht jedenfalls, daß die Still-Partei bei der nächsten Wahl übel abstürzen wird." "Jeder bekommt was er verdient." "Wie meinst Du das denn jetzt? Willst Du damit etwa andeuten, ich hätte mir meinen Tripper verdient?" "Kann schon sein, was weiß denn ich, wo Du Deinen Arsch überall hinhältst. Egal, aber wenn man von fast 20 Prozent der Wählerstimmen kommt, dann wird das ein ziemlich tiefer Fall." "Darauf kannst Du einen lassen. Oh, das habe ich schon für Dich erledigt. Sorry, mein Süßer, den wollte ich mir ja eigentlich für heute Abend aufheben. Na ja, wie dem auch sei, ein schönes Handtäschchen trägst Du heute. Ups, Pups I did it again. Also dann, Schatzi, bevor ich hier noch zum Stinktier werde, verdufte ich lieber." "Es muß ja auch nicht immer etwas hinten rein kommen, bei uns Homos, manchmal kommt dort auch was raus. Mach’s gut, aber nicht zu oft!" "Das ist meine Sache, Du weißt doch wie notgeil wir Männer nun mal sind. Auf alle Fälle wird es in Hamburg ohne Still wieder richtig chillig." "Wie wahr Espana! Aber wenigstens sehen unsere Polizisten jetzt viel schicker aus, in ihrer neuen preußisch-blauen Uniform. Da läßt sich unsereins doch gerne mal verhaften." "Ach ja, die immer mit ihren Schlagstöcken."
Anfang September 2003: Gesucht wird ein Bundespräsident, den momentan noch niemand kennt, Frau Gerkel formiert ihre Truppen schon, denn dieses Mal besteht die Aufgabe der Opposition, darin jemanden zu finden, an den sich deutsche Wählerherzen binden, gesucht wird ein Kandidat, nicht zu soft, aber auch nicht zu hart, am besten wäre er keine Frau, denn die Andrea ist sehr schlau, würde es nämlich eine Bundespräsidentin geben, dann könnte sie selbst ihre Zukunft als Kanzlerin nur in Tagträumen leben, dumm an der ganzen Sache ist nur, der Festerbelle ist ziemlich stur, die FDP hat bei der Kandidatenkür ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, und das gefällt nicht unbedingt jedem, mal wieder gesucht wird ein Kompromiß, als vorzeigbarer Fliegenschiß, man will das Ende von Rot-Grün einläuten, außerdem soll der neue BP hoch angesehen sein bei den Leuten, mögliche Kandidaten gibt es zuhauf, das Karussell nimmt munter seinen Lauf, eines ist traurig, aber wichtig: Keiner der genannten Kandidaten paßt so richtig, vielleicht wollen Egmont, Andrea und Guildo irgendwann nicht mehr länger leiden, und lassen einfach das Los entscheiden.
11.09.2003: Aussprache zum Kanzleretat im Bundestag. Wir haben es zu tun mit einer Bundesregierung, die dermaßen unbeliebt ist, daß sie noch heute zurücktreten könnte und damit wohl eher Begeisterungsstürme als Trauerfeiern entfachen würde. Auf der anderen Seite befindet sich eine Opposition, von der alle Beteiligten froh darüber sind, daß sie nicht die Regierung stellt. Früher hatte man wenigstens die Wahl zwischen Pest und Cholera, heutzutage bleibt einem nicht einmal mehr das vergönnt. Schlechte Reden halten können ist eine Fähigkeit, die durchaus Bewunderung verdient, noch dazu bei solch hoch bezahlten Politikern, von denen man prinzipiell annimmt, daß sie ganz gut reden können müßten, weil sie sonst ja wohl kaum im Parlament gelandet wären. Nun ja, das lassen wir mal so dahingestellt, jedenfalls sollte man keine zu hohen Erwartungen wie eine Monstranz vor sich hertragen, wenn man sich im Reichstag unter die Zuhörenden mischt. Klar, in der Politik ist es im Prinzip genauso wie auf dem Fußballfeld: Es reicht völlig aus, besser zu sein als der Gegner, auch ein 1:0 Arbeitssieg bringt drei Punkte ein und in zwei Wochen erinnert sich sowieso niemand mehr an den Grottenkick. Von daher waren Micki Glas (der deutsche oder besser fränkische Mick) sowie CDU-Fraktions- und Parteivorsitzende Gerkel für Bernhard Schräder natürlich leicht zu überbieten, denn sie boten, wie des Öfteren, rhetorische Magerkost. Ein ganz anderes Kaliber war da schon Friedbert Nerz gewesen, doch den hatte die Chefin ja hinter sich selbst in die zweite Reihe verbannt gehabt. Was bleibt? Die Gewißheit, daß nicht an jedem 11.September zwei Türme in die Luft fliegen, nur weil am Tag zuvor eine Debatte im Bundestag stattgefunden hat.
Wer braucht die FDP in Bayern? Eine gute sowie berechtigte Frage, die nicht einmal eingefleischte Liberale überzeugend beantworten können. Die CSU steuert in den Umfragen wenige Wochen vor der Wahl auf eine Zweidrittelmehrheit im Bayerischen Landtag zu, die hat schon mal kein Interesse daran, daß die Freien Demokraten den Sprung ins Parlament schaffen. Die SPD und die Grünen können vermutlich ebenfalls auf die FDP verzichten, denn sonst müßte man den ohnehin schon kleinen Kuchen mit einem weiteren hungrigen Maul mit großer Klappe teilen. Nichtsdestotrotz gibt die bayerische FDP-Chefin Sabrina Heutläuser-Knarrenberger alles, um ihre Partei über die Fünf-Prozent-Hürde zu hieven, denn Wunder gibt es schließlich immer wieder und jeder Mensch braucht nun mal Herausforderungen im Leben. Zugegeben, es würde ein wenig bunter werden im Landtag, sollten die Liberalen den Sprung dorthin schaffen, aber regieren werden ohnehin die Schwarzen ganz allein, von daher macht es auch nicht wirklich einen Unterschied, oder? Kein Wunder, daß die ehemalige Bundesjustizministerin das ein kleines bißchen anders sieht, aber der werden am Wahlabend auch die Augen aufgehen, so viel läßt sich schon mal im Voraus annehmen. Gelbsucht?
20.09.2003: Was wäre Deutschland ohne das Saarland? Zweifellos um so einiges ärmer, man denke nur an so Geistesgrößen wie Oswald Afroträne und Erich Honecker, von Dieter Füller ganz zu schweigen. Nun war es aber so gekommen in den vergangenen Jahren, daß die CDU im einst so roten Lande ganz allein regierte und da sie das scheinbar nicht gar so schlecht machte, stand zu befürchten, daß sie auch bei den Wahlen 2004 wieder reüssieren würde. Was konnte man dagegen tun? Vielleicht wieder mal das alte Schlachtroß ins Getümmel schicken, denn auch alte Besen kehrten manchmal gut, zumindest wirbelten sie zunächst jede Menge Staub auf. Oswald Afroträne war wieder im Gespräch und das freute alle, die mit jener Personalie irgendwas zu tun hatten. Immerhin war der ja ziemlich lange der Ministerpräsident des Saarlandes gewesen, von daher war es doch schon irgendwie naheliegend, eventuell auf den alten Siegertypen zurückzugreifen. Andererseits, gab es da überhaupt etwas zu gewinnen oder stand die erneute Niederlage nicht schon im Vornherein fest? Schließlich war die rot-grüne Bundesregierung dermaßen unbeliebt, daß jede Landtagswahl zu einem Plebiszit gegen sie mutierte. Nun ja, wenn die Gegenwart nicht gar so rosig erschien, dann erinnerte man sich halt überall immer gerne an die guten alten Zeiten, verklärte massiv die Vergangenheit und sehnte sich danach zurück. Wie aber mit Afroträne nun umgehen, der immer noch sehr populär im Lande war und dem die Basis seine Flucht aus allen Ämtern im Jahre 1999 wohl verziehen zu haben schien? Gute Wahlkämpfer konnte man immer brauchen, doch würde sich jener Spitzenpolitiker einreihen können und wollen? Das war die Frage aller Fragen, die niemand so recht beantworten konnte. So blieb erst einmal alles offen, die Einen waren tief betroffen, die Anderen dagegen begannen zu hoffen.
Die bayerische SPD taumelte derweil dem Abgrund entgegen. Hans Magnet freute sich über das bevorstehende Ende des aussichtslosen Wahlkampfs und die CSU bereitete sich auf eine gigantische Siegesfeier vor, eventuell würde Egmont Sträuber die Partei hinauf in himmlische Sphären führen, denn die mögliche Zweidrittelmehrheit bedeutete ja im Grunde so etwas wie die göttliche Allmacht, schließlich konnte man mit der eigenhändig die Bayerische Verfassung ändern. Doch hatte eine Partei, welche die Verfassung ohnehin immer genau so interpretierte, wie sie ihr gerade in den Kram paßte, das überhaupt nötig? Die CSU herself befand sich 2003 in einer exzellenten Verfassung, die Ausgangslage war hervorragend und im Grunde konnte man sich den 21.09.2003, an dem die Bayerische Landtagswahl über die Bühne gehen würde, so vorstellen: Es war genauso, wie wenn der FC Bayern München in der Fußball-Bundesliga zu Hause auf den SC Freiburg traf. Es stand schon von vornherein fest, daß der FC B gewinnen würde, darum stellte sich lediglich die Frage, wie hoch der sichere Sieg ausfallen würde. Für die Wahl hatten die Meinungsforscher also im Falle der CSU einen 5:0 Sieg vorhergesagt, vielleicht würde die Abstimmung auch 6:1 oder 7:0 enden, das war das einzig Spannende bei der ganzen Angelegenheit.
Was aber war das Geheimnis jener tollsten Partei der Welt? Warum liefen ihr die Wählerinnen und Wähler so hinterher, daß man fast schon von Stalking sprechen mußte? Na ja, zum Einen war und ist die CSU einfach einmalig. Sie ist einzigartig, sie ist etwas Besonderes, es gibt sie nur in Bayern, einzig und allein im Freistaat kann sie überhaupt gewählt werden. Sie ist deshalb nicht beliebig und austauschbar,