Bergdorf sucht... Bewohner. Josie Hallbach

Bergdorf sucht... Bewohner - Josie Hallbach


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vielleicht ein paar Szenen verpasst? „Das kommt etwas überraschend.“ Sie war sich ohnehin nicht ganz im Klaren, ob sie überhaupt wach war oder alles nur träumte. Allerdings brannten ihre Lippen eindeutig von dem Kuss.

      „Kein Problem“, sagte Daniel, rückte ein paar Zentimeter von der Wanne weg, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinterm Kopf. „Ich kann warten und habe mir für den ganzen Abend nichts anderes vorgenommen. Für dich dürfte es allerdings in der Wanne mit der Zeit etwas ungemütlich werden. Außerdem beginnt der Schaum zusammenzufallen.“

      Er beobachtete vergnügt, wie sie auf der Stelle die Schaumwolken verschob.

      „Was erwartest du von mir?“, fragte sie endlich zögerlich.

      „Eigentlich nur eine Antwort auf die Frage, ob du dir eine Beziehung mit mir überhaupt vorstellen könntest. Ich weiß, das klingt jetzt blöd und verkompliziert das Ganze, aber für mich hängt einiges von dieser Antwort ab. Unter anderem, ob ich mich hier als Arzt niederlasse.“

      „Du solltest diese Entscheidung auf keinen Fall von meiner Antwort abhängig machen.“

      „Vermutlich nicht, doch so bin ich nun einmal. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, kann man mich nur schwer wieder davon abbringen. Und ich habe vor kurzem beschlossen, es nicht zu mögen, wenn du dich irgendeinem anderen Kerl an den Hals wirfst. Und falls doch, möchte ich wenigstens nicht zusehen müssen.“

      „Aber ich dachte, du hättest eine Schwäche für große, blonde Frauen“, zog Paula ihr letztes Argument aus der nicht vorhandenen Tasche.

      Er schmunzelte mit schief gelegtem Kopf. „Ich bin gerade dabei, mich umzugewöhnen. Wahrscheinlich wird es gar nicht mal so viel Mühe kosten, wie ich dachte.“

      „Ich glaube aber nicht, dass wir sonderlich gut zusammenpassen.“ Wenigstens hatte sich ihr Verstand von dem Schock erholt und funktionierte in dieser kritischen Situation zur Abwechslung einmal einwandfrei.

      „Wir könnten es immerhin versuchen. Ich meine natürlich, wenn du dich traust.“ Daniel wirkte mit einem Mal recht zuversichtlich. Das Gespräch war bisher deutlich besser verlaufen, als er erwartet hatte. Außerdem war er ohnehin schon nass. „Vielleicht würde dich ein weiterer Kuss überzeugen?“, schlug er vor und setzte die Idee kurz entschlossen in die Tat um. Paula vergaß dieses Mal sogar das Zappeln und noch ein paar andere Dinge.

      Eins fiel ihr aber doch wieder ein. „Was ist mit deinen anderen Freundinnen?“

      „Welche Freundinnen?“, fragte er mit treuem Hundeblick. Er hatte offensichtlich den vom Bürgermeister ausgeliehen.

      Paula fühlte sich keineswegs beruhigt. So einfach ging das nicht. Natürlich war sie in Daniel verliebt, davon musste sie niemand mehr überzeugen, aber das änderte nichts daran, dass sie seither andere Vorstellungen von einem zukünftigen Freund gehabt hatte. Dazu gehörte, dass sie möglichst nicht erst als Nummer siebzig auf dessen Beziehungsliste stehen wollte und bald von Nummer einundsiebzig abgelöst werden würde.

      Aber sie nahm sich vor, ihm zumindest eine kleine Chance zu geben. Er hatte eine Menge mit seinem offenen Geständnis riskiert. Das sagte sie ihm auch.

      „Es freut mich, dass du das genauso siehst“, antwortete er. „Ich habe bereits befürchtet, dass man mich heute Abend entweder in die Baum’sche Besenkammer sperrt oder vor Pfarrer Ebershäuser schleppt und mich zwingt, dich umgehend zu heiraten. Doch jetzt gehe ich besser. Wir könnten ja morgen, wenn du nach dem Gottesdienst zufällig nichts anderes vorhast, mit der Überzeugungsarbeit fortfahren.“ Er erhob sich von seinem Badhocker, betrachtete kopfschüttelnd seine nasse Kleidung und sagte zum Abschluss: „Die Idee für dieses Gespräch stammte übrigens von Phillip, und Hannes fungierte als Handlanger. Er hat mich vorhin angerufen, als du das Badewasser eingelassen hast. Ich meine, nur falls du irgendwelche Schuldige zum Umbringen suchst.“ Genauso plötzlich wie er gekommen war, verschwand er wieder nach draußen.

      Paula blieb weitere zehn Minuten wie betäubt in der Wanne sitzen, obwohl das Wasser inzwischen richtig kalt geworden war. Erst als sie spürte, wie sie am ganzen Körper vor Kälte zitterte, stieg sie raus und trocknete sich ab.

      Nachdem sie das überflutete Bad trockengewischt hatte, wagte sie sich endlich nach draußen.

      Hannes lungerte im Wohnzimmer herum und bedachte sie mit einem lauernden Blick. Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt. Aber den Triumph, ihm dadurch einzugestehen, wie sehr er sie mit seinem Komplott in Verlegenheit gebracht hatte, gönnte sie ihm dann doch nicht. Sie hoffte, dass er wenigstens ein schlechtes Gewissen besaß. Oder war das bloß seine Retourkutsche für neulich, als sie ihn im Badezimmer bei seinen Körperübungen überrascht hatte?

      Kapitel 3:

      Sie traf Daniel morgens beim Kirchgang wieder. Er setzte sich wie selbstverständlich neben sie. Zur Feier des Tages und als Zeichen ihrer Rebellion gegen angestaubte Strukturen trug sie die rote Bluse, mit der sie bei ihrem ersten Gottesdienst in Lämmerbach wie ein bunter Hund aufgefallen war und dazu offenes Haar, das sich heute Morgen auf wundersame Weise kaum gegen ihre Frisierversuche gesträubt hatte und nicht einmal irgendwelche Haarklemmen benötigte.

      Anne und Phillip nahmen an ihrer anderen Seite Platz. Beide zwinkerten ihr verschwörerisch zu. Sie wussten also Bescheid. Sie hoffte bloß, dass Daniel nicht allzu detailliert vom Verlauf des gestrigen Abends berichtet hatte. Allein der Gedanke daran verschaffte ihr schon Hitzewallungen.

      „Ich finde, rot steht dir gut, in vielerlei Hinsicht“, flüsterte Daniel in ihr rechtes Ohr. „Hoffentlich legt sich das nicht mit der Zeit. Es wäre jammerschade.“

      Ihr blieb nichts anderes übrig, als dämlich vor sich hin zu lächeln. Verliebtheit musste eine Seuche sein. Die ganze Kirchenbank war schon infiziert. Hoffentlich nahm das in nächster Zeit nicht noch peinlichere Ausmaße an.

      „Ach ja“, meinte ihr nagelneuer Freund im Anschluss an den Gottesdienst, als er die Lehrerin vor den Blicken sämtlicher Kirchgänger beim Arm nahm und zum Schulhaus begleitete. Dass sich einige Leute dabei fast die Hälse verrenkten, schien ihn nicht zu stören. „Wärst du bereit, mich zum Essen einzuladen?“ Er übte an seinem treuherzigen Augenaufschlag. „Hannes kann ja dafür bei Anne mitessen. Wenn Christine neben ihm sitzt, merkt er ohnehin nicht, was auf dem Teller liegt.“

      „Ich fürchte, es ist ein großer Fehler, aber ich werde es trotzdem tun.“

      Daniel lächelte wohlgefällig. „Ich könnte dir auch beim Kochen helfen“, schlug er hilfsbereit vor. „Außerdem möchte ich nebenher einige weitere Argumente für unsere Beziehung anbringen.“

      Diese bestanden darin, dass, während sie in der Küche stand und Schnitzel anbriet, er von hinten versuchte, ihren Nacken und ihre Ohrläppchen anzuknabbern und ihr Haar in Aufruhr versetzte.

      „So wird das nichts“, sagte sie irgendwann in strafendem Ton. Sie sah allmählich aus, als wäre sie in einen Tornado geraten und das Fleisch drohte anzubrennen.

      „Also gut, Fräulein Lehrerin, dann warte ich eben damit bis nach dem Essen“, versprach er reumütig und deckte brav den Tisch.

      „Was hältst du von einem Spaziergang zum Maiersberg? Ich nage noch an meiner letzten Abfuhr“, schlug er, kaum dass der letzte Bissen genussvoll in seinem Mund verschwunden war, vor.

      Paula schaute ihn zweifelnd an. Sie sah im Geiste schon den Unterricht am nächsten Morgen und ihre feixende Schülerschaft.

      „Wie schon gesagt, wenn ich erstmal von etwas überzeugt bin…. Übrigens, was ich noch sagen wollte, zu unserem Haushalt gehören inzwischen achtzehn Kühe.“

      Sie runzelte unwillkürlich die Stirn. Was sollte nun das schon wieder? „Welche Kühe?“

      „Na, die von Leipolds. Die Kühe gehören mehr oder weniger uns, weil sich doch Anne um die Kinder kümmert.“

      „Ja


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