Frosch, König und Königin. Axel Adamitzki
gespielt hatte, war Jean d’Arc. Und er glaubte ihr. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Angela war gut, sehr gut.
Die Stunde verging rasch. Zu rasch. Sie hatten sich doch eben erst gesetzt.
Der Applaus war stürmisch. Angelas Eltern standen auf, klatschten ihrer Tochter mit hocherhobenen Händen zu. Ihr Vater nahm seine Frau in den Arm, küsste sie. Beinahe schien es, als hätten beide Tränen in den Augen. Sie waren glücklich, und sie waren stolz.
Und Dominik? Er hielt es nicht mehr aus. Er wollte weg, einfach weg. Die Menschen um ihn, eben noch eine stumme Masse, begannen ihn mit ihren beseelten und verklärten Gesichtern zu bedrängen. Er bekam kaum noch Luft.
Als sich endlich die Ausgänge öffneten, sprang er auf. »Ich muss aufs Klo.«
»Wir treffen uns im Foyer.«
Dominik lief los und hatte Glück. Er war der Erste. Er stellte sich an das linke Pinkelbecken. Den rechten Fuß beinahe an der Wand, den Oberkörper ein wenig nach rechts gedreht, konnte ihm niemand auf den Schwanz glotzen.
Er schloss die Augen. Denken wollte er nicht, er wollte nach Hause. Ich hätte nicht kommen dürfen.
Beim Händewaschen wagte Dominik nicht, in den Spiegel zu schauen. Er starrte auf die Hände und lenkte sich ab. Er versuchte sich an einer Zusammenfassung der ›goldbachschen Vermutung‹. Es misslang. Den ganzen Tag hast du damit verbracht, und jetzt?
Dominik musste nach Hause, er musste alles noch einmal lesen. Er musste vergessen, was er hier gesehen hatte.
*
»War sie nicht toll?«
Im Foyer wurde er herzlich von Angelas Eltern begrüßt. Ihr Bruder klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Dominik ließ Kopf und Blick gesenkt. Seine Mutter reichte ihm seinen Mantel.
»Danke.«
Er zog ihn an. Er wollte weg. Und ganz sicher wollte er Angela nicht begegnen. Nein, es war ihr Erfolg, ihr Triumph. Das alles hatte nichts mit ihm zu tun. Nichts hatte hier mit ihm zu tun.
»Wir warten auf Angela und gehen zusammen etwas trinken. Ihren Erfolg feiern. Du kommst doch mit?«
Ohne den Blick zu heben, schüttelte Dominik den Kopf. »Mir geht es nicht gut. Ihr müsst mich entschuldigen.«
Er sah seine Mutter kurz an. »Geh nur mit. Und sag ihr, sie war fantastisch.«
»Du siehst wirklich schlecht aus«, sagte Angelas Mutter und strich ihm sacht über das Haar. »Du bist so blass. Hast du etwas gegessen, das dir nicht bekommen ist?«
Dominik zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht ... Vielleicht ... nur die Luft hier ... Ich muss raus.«
»Ja. Natürlich. Und deine Mutter brauchst du jetzt nicht?«
Beinahe hätte er gelacht. Monika Bendow war in der Zwischenzeit zwei Schritte zur Seite getreten, stand ein wenig abseits, fast so, als gehörte sie nicht zu ihnen. Empört blickte sie zu Boden. Morgen würde sie ihn mit Verachtung strafen, ein, zwei Stunden. Das ist erst morgen. Und es geht vorbei.
Dominik schüttelte den Kopf, sagte kein Wort, und er ging. Allein.
*
Im Bahnhof Zoo stieg er in die U-Bahn. Wieder stand er in einer Ecke. Dominik blickte hoch, zum Streckenplan, versuchte dieses Bild, ihre siegesgewisse Ausstrahlung, ins bedeutungslose Grau zu verwischen. Und er lenkte sich ab. Wenn jeder Zug von außen kommend zwei Minuten für die Fahrt von Station zu Station benötigt, dort jeweils zehn Personen zusteigen, zwei Personen aussteigen, an den Knotenpunkten zwanzig Prozent der Fahrgäste umsteigen, an welchem Bahnhof gibt es das größte Gedränge? Diese Frage war so gänzlich sinnlos, aber eine andere ließ er nicht zu. Nichts weiter ließ Dominik zu.
An jedem Bahnhof schloss er die Augen und wartete sehnlichst auf die Dunkelheit der folgenden Strecke. Während der Fahrt studierte er die Werbeplakate. Im Sommer sollte ich mir endlich mal eine neue Sonnenbrille zulegen. Oder auch nicht. Er lachte. Stumm und verstört.
Dominik blickte über die Köpfe der anderen Fahrgäste durch den Waggon. Wo ist nur dieser ewig aufdringliche Musiker mit seiner Klampfe? Scheiße! Wenn man mal jemanden braucht!
›Kaiserdamm‹. Endlich. Er sprang auf den Bahnsteig und stieg hastig die Treppen hoch.
In der Wohnung angekommen, ging er in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich, ließ sich mit Mantel und Schuhe auf sein Bett fallen und blickte in die Dunkelheit.
Lediglich das leise Surren seines Computers war zu hören. Dominik wartete, hoffte auf Sicherheit. Sie kam nicht. Oh, Scheiße, sie kommt nicht.
Er blickte auf den Monitor. Dunkel. Dennoch wusste er, was es dort zu lesen gab: Primzahlen. Was für ein absurder Irrsinn. Was für eine Zeitverschwendung.
Er lachte. Laut und grell. Was bin ich für ein Idiot.
Jean d’Arc? Nein! Nie!
Camilla? Ja, Camilla.
Alles in Dominik rief nach ihr. Gleichwohl hatte er Mühe, sie zu finden.
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