Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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die Unruhe in meiner Seele.

      Da ist etwas Düsteres in mir, das ich mir nicht erklären kann. Es fühlt sich an, als wäre es auf der Suche nach etwas, das ich einfach nicht finden kann. Aber in der Natur verwandelt diese Dunkelheit sich in Licht und schenkt mir die Ruhe, nach der ich mich oft sehne. Dunkelheit, so nenne ich das, was mich manchmal dazu treibt, mich zu verletzen oder mich verletzen zu lassen. Ein rasender Drang, der wild in meinem Inneren wütet und herausgelassen werden will.

      Der Trailer selbst ist heruntergekommen und abgewohnt, aber ich habe immer mein Bestes gegeben, ihn zumindest sauber zu halten. Besonders in den Phasen, in denen Mutters Alkoholkonsum sehr hoch war und sie ihre Tage betrunken und depressiv damit verbracht hat, unser Zuhause vollzukotzen und überall leere Flaschen zu hinterlassen. Ihn werde ich wohl nicht vermissen, aber ich werde die winzige Küche vermissen, die meine Mutter zusammen mit mir irgendwann gelb gestrichen hat, und auf die wir lauter bunte Blüten gemalt haben. Das war, als es ihr vor ein paar Jahren noch deutlich besser ging. Ich war etwa 5 oder 6 Jahre alt und hin und wieder kam dieser vollbärtige, stark tätowierte Mann auf seiner Harley vorbei und hat etwas Geld zum Leben vorbeigebracht und nach dem Rechten gesehen.

      Ich kann mich noch erinnern, ich mochte den Geruch seiner Lederkutte. Und ich mochte, dass er viel mit mir gespielt hat. Er war einer der wenigen Männer in meinem Leben, der mich gut behandelt hat. Er war der Bruder meines Vaters, und ich war froh, wenn er vorbeikam. Meine Mutter ist dann immer regelrecht aufgeblüht, als wäre eine große Last von ihren Schultern gerollt, weil sie wusste, wenn Rage uns besucht, dann würde mein Vater uns eine Weile keinen Besuch abstatten.

      Ich glaube, mein Vater ist nicht nur gewalttätig und herrschsüchtig, er ist auch kriminell. Es gab immer etwas an ihm, vor dem meine Mutter besonders viel Angst hatte. Etwas, das weit furchterregender sein musste, als seine Fäuste und Tritte und seine unbeherrschte Wut. Ich habe nie herausgefunden, was das war. Und sobald ich die Stadt hinter mir gelassen habe, werde ich es hoffentlich auch nicht mehr herausfinden. Zumal mein Vater sowieso schon seit fünf Jahren nicht mehr in Black Falls war. Ich denke, deswegen hat meine Mutter sich sicher genug gefühlt, um sich endgültig von ihm zu lösen.

      Aber als sie gegangen ist, hat sie meine Einsamkeit und die Leere in mir noch größer werden lassen. Ich hatte ein paar flüchtige Kontakte im Trailerpark, wenn man so eng nebeneinander wohnt, kann man sich kaum aus dem Weg gehen. Einer dieser Kontakte war Nick, einer von Mutters Dealern und mein Chef in der Bar.

      Wahrscheinlich werde ich sogar ihn vermissen. Immerhin hat er mir gezeigt, dass es etwas gibt, mit dem ich die Dunkelheit in mir für kurze Zeit besiegen kann: schmutzigen, harten, düsteren Sex, der mich für wenige Augenblicke in eine so tiefschwarze Finsternis stürzt, dass ich die traurige Dunkelheit nicht mehr fühle, sondern nur noch den Dreck, den der Sex mit einem Mann wie ihm auf meiner Haut hinterlässt. Einem Mann, der mit Drogen dealt, seinen Sohn schlägt und auch sonst gern alles zerstört, was ihm zu nahe kommt. Mit ihm zusammen zu sein, hat mir das Gefühl gegeben, mich nicht mehr ganz so leer zu fühlen. Aber das muss jetzt vorbei sein. Ich kann das nicht länger. Deswegen gehe ich weit weg.

      Das Einzige, was ich mitnehme aus meinem alten in mein neues Leben, ist die Smith & Wesson, die Rage uns Mädchen irgendwann dagelassen hat, als er für einen kurzen Besuch im Auftrag meines Vaters bei uns war, mein Abschlusszeugnis der Black Falls High, das ich heute bekommen habe, ein paar Jeans, Shirts und meine Papiere. Alles andere werde ich zurücklassen. Nur wegen des Abschlusszeugnisses bin ich überhaupt noch geblieben. Ich wollte nur eine Sache in meinem Leben mal beendet haben. Etwas besitzen, das mir das Gefühl gibt, etwas erreicht zu haben. Nicht dass ich Pläne habe, wirklich etwas zu schaffen. Ich werde kein College besuchen oder eine Ausbildung machen. Über solche Dinge habe ich nie wirklich nachgedacht. Ich war immer der Meinung, ich würde mich bis an ihr Lebensende um meine Mutter kümmern und in der Bar arbeiten. Als sie gegangen ist, hat sie mir auf ihre Art die Freiheit geschenkt, etwas anderes mit meinem Leben anzufangen. Ich werde vielleicht erstmal einfach von Stadt zu Stadt ziehen, hier und dort mein Geld mit einem Job in einem Diner oder einer Bar aufbessern und nach etwas suchen, das die Leere in mir ausfüllt.

      Vielleicht werde ich Wochen irgendwo auf der Straße unterwegs sein, mir das Land angucken, wandern gehen, die großen Parks besuchen. Vielleicht werde ich im Pick-up schlafen müssen. Wahrscheinlich werde ich das tun, denn mein gesamtes Erspartes sind 2.458 Dollar. Nach der Schicht heute Abend werden es 2.494 Dollar sein. Ich kann jeden Dollar gut gebrauchen, weswegen ich seit meiner ersten Schicht vor fast 2 Jahren beiseitegelegt habe, was mir möglich war. Ich habe das Geld vor meiner Mutter hinter der Heizung in meinem Zimmer versteckt, weil ich mir sicher war, dass es gut wäre, ein bisschen zu sparen, da man nie weiß, was noch kommen könnte. Jetzt werde ich das Geld benutzen, um hier wegzukommen.

      Ich wische den Tresen ab und werfe einen Blick in die düstere Ecke, wo noch immer der Fremde sitzt und mich beobachtet. Wenn er mich ansieht, prickelt es nicht nur auf meiner Haut. Es prickelt sogar an Stellen, wo dieses Gefühl absolut unwillkommen für mich ist, weil es mich an die dunkelsten Stunden in meinem Leben erinnert. Stunden, die ich mit Nick verbracht habe.

      Der Fremde schaut mich schon seit Tagen so an, und ich warte schon seit Tagen, dass er irgendetwas sagen wird, aber das tut er nie. Wahrscheinlich haben seine Blicke gar nichts zu bedeuten. Und doch wird mir unter ihnen ganz heiß. Es fühlt sich an, als würde er diesen düsteren Teil in mir ansprechen, der schon immer auf der Suche nach etwas ist, das er nicht finden kann.

      Ich wende mich ab und tue so, als wäre ich schwer beschäftigt, dabei habe ich die Theke schon mindestens drei Mal in den letzten drei Minuten abgewischt. Trotzdem tue ich es jetzt noch einmal, nur um meine Hände beschäftigt zu halten und mich von ihm und seinen zahlreichen bunten Tattoos, die seine Arme und Hände bedecken, abzulenken. Vermutlich auch seinen gesamten Oberkörper. Aber das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, weil er ein enges T-Shirt trägt, das zwar seine Haut bedeckt, aber nicht seinen breiten, muskulösen Körperbau.

      Und diese Ringe an seinen Fingern: breit, silbern und maskulin. Seit wann sind Männer, die Schmuck tragen, so verdammt sexy? Es sind sechs, an jeder Hand drei. Ich zwinge meine Konzentration auf meine eigenen Hände und meinen Puls zur Ruhe. Es muss an seiner Ausstrahlung liegen, die ihn umgibt, aber er löst ein ganz merkwürdiges Gefühl in mir aus. Eine innere Unruhe, die sich schon in den letzten Tagen immer nur dann gelegt hat, wenn er die Bar verlassen hatte.

      Obwohl ich nicht hinsehe, fühle ich seinen Blick. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie er sich mit einer Hand über die Wangen reibt, die von einem schwarzen Sieben-Tage-Bart bedeckt sind. Seit dem Tag, an dem er hier aufgetaucht ist, kriecht mir seine Nähe schon unter die Haut. Ich hasse diese Empfindungen, denn ich wollte diese Dunkelheit nie wieder fühlen. Wollte nicht einmal daran erinnert werden, dass ich zu dem fähig bin, was Nick mit mir getan hat. Ich habe mich erst vor ein paar Wochen von Nick gelöst, aber unsere heimliche Beziehung - oder das, was da auch immer zwischen uns lief - hat schon Monate vor Mutters Verschwinden begonnen.

      Ich lecke mir über die trockenen Lippen und nicke Tara und Steve zu, als sie die Bar verlassen. Jetzt sind da nur noch er und ich. Ganz allein mit ihm. Und plötzlich scheint es, als würde sein Blick sich verfinstern und sein Körper sich anspannen. Genau wie meiner. Und mein Puls rast so heftig, dass ich das Hämmern in meinen Ohren höre. Und zwischen meinen Schenkeln entwickelt sich eine Hitze, die ich so intensiv noch nie zuvor gespürt habe. Was, wenn er jetzt aufsteht, zu mir rüberkommt und … Ich schließe stöhnend die Augen. Seit Monaten arbeite ich hier, aber solche Fantasien hatte ich noch nie. Peinlich berührt schrubbe ich noch heftiger auf der Theke herum und vermeide es, den Blick auch nur für Sekunden in seine Richtung zu heben. Das ist diese Dunkelheit in mir. Sie tut diese Sachen, lässt mich nach Dingen lechzen, die ich eigentlich nicht will.

      »Beruhig dich«, ermahne ich mich flüsternd. »Er ist nur ein Typ, der in einer Ecke sitzt und sein Bier trinkt.« Genau wie alle anderen, die hierherkommen. Aber alle anderen kenne ich schon mein ganzes Leben lang. Und alle anderen sorgen mit ihren Blicken nicht dafür, dass mir ganz heiß wird. Ihn in der Nähe zu wissen, löst dieses nervöse, aufregende Kribbeln in mir aus, das mich glauben lässt, gefunden zu haben, wonach ich so lange gesucht habe. Was völlig irre ist, denn ich kenne diesen Mann gar nicht. Es liegt nur daran, dass er mich und meinen Körper auf so viele


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