Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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aufrichten.

      Ich versuche, mich zusammenzureißen, indem ich tief einatme und die Fäuste balle. Ich habe eindeutig einen ungesundes Faible für düstere, furchteinflößende, tätowierte Männer. Für Bikertypen. Das muss ich von meiner Mutter geerbt haben, die ihre Finger auch nicht von den gefährlich aussehenden Männern lassen konnte, selbst dann nicht, wenn diese sie geschlagen haben, wie mein Vater es getan hat. Deswegen habe ich ihn auch nie vermisst. Die meiste Zeit war ich froh, dass er nur ein bis zwei Mal im Jahr vorbeikam, und irgendwann gar nicht mehr.

      Ich räume ein paar Gläser hin und her, denn eigentlich habe ich nichts mehr zu tun. Ich habe alle Arbeiten schon während der Schicht erledigt, damit ich pünktlich hier rauskomme. Jetzt muss nur noch er gehen.

      Ich gehe um die Bar herum, beginne alle Stühle auf die Tische zu stellen, damit es Liz morgen Vormittag leichter hat, wenn sie kommt, um zu putzen. Danach sammle ich etwas Papier auf, das auf dem Boden liegt, und kontrolliere, ob die Fenster verschlossen sind. Hinter mir höre ich, dass sich ein Stuhl über den Boden bewegt.

      Ich sehe auf, er kommt auf mich zu, seine Lippen sind fest aufeinandergepresst und seine faszinierenden Augen auf mich gerichtet. Er hat ernste Augen. Meine sind dunkelblau, eher so wie der Nachthimmel. Seine sind wie klirrendes Eis. Das weiß ich, weil sie meinen Blick immer anziehen, wenn ich an seinen Tisch komme. Selbst auf die Entfernung sind sie das Herausstechendste in seinem Gesicht. Augen, deren frostiges Eisblau fast schon unnatürlich wirkt. Seine Schritte sind langsam, aber zielstrebig, sein Blick intensiv. Wahrscheinlich ist es gar nicht seine Absicht, solch einen Aufruhr in meinem Körper auszulösen. Er kann ja nichts dafür, dass er jede Faser meines Körpers anspricht. Er sieht mich an, bleibt neben mir stehen und um seine Mundwinkel herum zupft ein Lächeln.

      »Wir sehen uns, Raven«, sagt er mit rauer Stimme, zieht dabei eine seiner starken, dichten Brauen hoch und zwinkert mir zu, was meinen Puls noch einmal beschleunigt. Ich hatte keine Ahnung, dass ein Zwinkern so anzüglich wirken kann, dass es eine mittlere Explosion in meinem Magen auslöst.

      »Bis morgen?«, sage ich und ärgere mich, dass das wie eine Frage geklungen hat. Wieso sollte es mich interessieren, ob er morgen wieder hier sein wird, denn ich werde es nicht sein. Ich schüttle den Kopf. »Nein, morgen werde ich nicht mehr hier sein, aber meine Kollegin. Also ich meinte das anders.«

      Er lächelt sanftmütig, fast ein wenig, als hätte er Mitleid mit mir. »Schon gut«, sagt er. »Ich werde morgen auch nicht mehr hier sein.«

      Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, stoße ich die Luft aus meiner Lunge und lehne mich gegen einen der Tische. Mir war nicht einmal bewusst gewesen, dass ich die Luft angehalten hatte. Männer sollten wirklich nicht so attraktiv und zugleich rau und düster sein. Aber das sind sie ja eigentlich auch nicht. Nur er ist es, und er trägt diese herablassende Art mit sich herum, als wäre ihm sehr wohl bewusst, dass er eine Frau nur ansehen muss und sie wird sich ihm sabbernd zu Füßen werfen.

      So wie ich. Und ich sabbere eigentlich nie. Nicht einmal bei Nick. Selbst dann nicht, wenn er tief in mir war und mich mit sich in den Abgrund gerissen hat. Ich sollte es besser wissen. Männer wie der Fremde - Männer wie Nick - sind gefährlich. Sie zerstören. Und obwohl ich das weiß, fühlt es sich an, als wäre ein Teil von mir immer auf der Suche nach dieser Dunkelheit. Nach Gefahr, Schmerz und etwas, das meinen Puls zum Rasen bringt. Danach, geführt zu werden. Danach, dominiert zu werden.

      Vielleicht ist es ganz gut, dass ich den Fremden nicht wiedersehen werde, dann muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, was das alles zu bedeuten hat.

      Ich beende meine Arbeit, schließe den Inhalt der Kasse wie jeden Abend im Tresor im Büro ein, dann verlasse ich die Bar und werfe den Schlüssel in den Briefkasten. Ein wenig fühle ich mich traurig und muss gegen den Kloß in meinem Hals ankämpfen, aber da ist auch dieser plötzliche Schwall Energie, der sich durch meinen Körper arbeitet und mir unerwartet Kraft gibt, meinen Plan durchzuziehen und nicht in letzter Sekunde zu kneifen. Mein Puls beschleunigt sich bei dem Gedanken, dass es jetzt soweit ist. Ich verlasse die Stadt und sehe einer unbekannten Zukunft irgendwo anders entgegen. Einer Zukunft, die mich herausfordert, die mir Aufgaben stellt. Die mir jeden Tag ein bisschen mehr gibt und mich aus der Eintönigkeit holt.

      Entschlossen wende ich mich zu meinem Truck um, und da steht er. Der unbekannte Gast, dessen Arme mit bunten Tattoos überzogen sind und dessen Blick mich auch jetzt zwischen meine Schenkel trifft. Er blickt von seinem Motorrad auf, als er mich sieht und zieht einen Mundwinkel zu einem leicht verkniffenen Lächeln hoch. In den Händen hält er einen schmutzigen Lappen, den er benutzt, um seine Finger abzuwischen, dann steckt er ihn in die hintere Tasche seiner Hose und grinst mich schief an.

      »Sie springt nicht mehr an«, sagt er knapp, als wüsste er, dass ich eine Sekunde lang beunruhigt war, ihn noch hier auf dem Parkplatz zu sehen. Er steht direkt neben meinem Truck, die Reklametafel hinter mir für ›Dark Beer‹ erhellt sein Gesicht und lässt es zugleich noch kantiger wirken.

      Ich nähere mich ihm langsam. »Wir haben leider keine Werkstatt in Black Falls«, kläre ich ihn auf.

      Er stößt ein unglückliches Seufzen aus und mustert sein Bike mit besorgter Miene. Es ist eine bullige Harley Davidson in mattem Schwarz und mit viel blitzendem Chrome. Der Anblick des Bikes löst ein nervöses Kribbeln in mir aus. Ich habe mich schon immer gefragt, wie es sich wohl anfühlen würde, auf so einem Motorrad in rasendem Tempo über eine Straße zu donnern. Mein Vater hat mich nicht ein einziges Mal auf sein Bike gesetzt. Er hat mich nicht einmal in die Nähe seiner Harley gelassen. Aber die Vorstellung, wie es sein würde, bei hoher Geschwindigkeit den Wind im Gesicht zu spüren, hat mich immer mit dieser freudigen Erregung erfüllt, die ich sonst nur spüre, wenn ich durch den Wald laufe, bis ich vor Erschöpfung zusammenbreche.

      »Das ist nicht gut, eigentlich müsste ich spätestens morgen Früh weiter. Besser noch heute Nacht.« Er zeigt auf die Reisetasche, die er hinten auf seinem Motorrad befestigt hat. Der Fremde erinnert mich etwas an meinen Vater. Als ich kleiner war, kam er alle paar Monate mal für ein paar Tage vorbei, blieb ein paar Nächte, um mit meiner Mutter zu schlafen, und verschwand dann wieder aus unserem Leben. Ähnlich wie der Bruder meines Vaters.

      »Das ist ein verfickter Mist«, sagt er brummig, sieht zu mir auf und schüttelt den Kopf. »Tut mir leid.«

      »Ich arbeite in einer Bar«, erinnere ich ihn. Gossensprache ist nichts, was mich schockiert. Besonders, da die Footballspieler der Schule auch nicht wählerisch in ihrer Ausdrucksweise sind. Ich weiß nicht, wie das anderswo in den USA ist, aber in Black Falls ist Fluchen so normal wie essen und trinken. »In Riverside gibt es eine kleine Werkstatt«, erwähne ich und wende mich meinem Truck zu. Ich werfe einen Blick auf meine Sachen auf dem Rücksitz, um sicherzugehen, dass alles noch da ist. Aber wer sollte in Black Falls schon Interesse an meinem Kram haben?

      »Du bist nicht zufällig auf dem Weg dorthin?«, will er wissen.

      Ich stecke den Schlüssel in das Schloss des alten Pick-ups und sehe über die Schulter zu ihm zurück. Es ist, als würden diese hellen Augen mich jedes Mal in ihren Bann ziehen, denn sie sind das Erste, an dem mein Blick immer hängenbleibt, wenn ich ihn ansehe, weil sie so wie klirrender Frost erscheinen. Es ist, als könnte ich mich nicht an ihnen sattsehen. Als würden sie mich anziehen, um mich in diese Tiefen saugen zu wollen. »Eigentlich nicht.«

      »Das ist schade, denn so wie es aussieht, müsste ich unbedingt nach Riverside.«

      Ich öffne die Tür meines Trucks und schließe ergeben die Augen. Man kann nicht sagen, dass ich eine gute Kinderstube genossen habe, denn das habe ich definitiv nicht. Meine Erziehung hat einzig daraus bestanden, meiner Mutter bei ihren wechselnden Beziehungen zuzusehen, für sie den Haushalt zu erledigen und mein Leben schon mit zehn Jahren so ziemlich allein zu bewältigen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, bin ich schon immer jemand gewesen, der nicht dazu in der Lage ist, andere Menschen im Stich zu lassen, wenn sie Hilfe benötigen. »Vielleicht liegt es ja auf meinem Weg.«

      Er lächelt breit und reicht mir die Hand. »Ich bin Ice. Und es wäre wirklich praktisch, wenn es auf deinem Weg liegen würde.«

      Ich stoße die Luft geräuschvoll aus, nehme


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