INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Eins. Eberhard Weidner

INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Eins - Eberhard Weidner


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lange vor deiner Geburt gefasst wurde. Wie wir jüngst aus gut unterrichteter Quelle erfuhren, wirst du Anfang nächster Woche für deine Erfolge belohnt und verdientermaßen befördert. Ich gratuliere dir, Sohn! Ich bin wirklich stolz auf dich! Du wirst nach Rom reisen und dort dem obersten Anführer unserer Feinde leibhaftig gegenüberstehen. Eine große Ehre und ein denkwürdiger Augenblick für einen Inquisitor! Und darüber hinaus eine einmalige Gelegenheit, sein Leben mit einem gezielten Dolchstoß zu beenden. Findest du nicht auch, du missratener Spross meiner unerschöpflichen Lenden?«

      Die Schmerzen, die sich allmählich auf den gebrochenen Arm und den Brustkorb konzentrierten, traten in den Hintergrund seiner Wahrnehmung, als die Bedeutung dieser Worte in Michaels Verstand einsickerte und dort eine ganze Kette von Schlussfolgerungen auslöste.

      Seine Aussetzung vor der Tür des Generalinquisitors als Säugling konnte demnach kein Zufall gewesen sein, sondern musste vielmehr von langer Hand geplant worden sein. Und nun verstand er auch, warum die Gegner im vermeintlichen Hexenhaus nicht wie gewohnt mit letzter und tödlicher Konsequenz auf ihn losgegangen waren. Der Zauberer hatte anstelle eines vernichtenden Spruchs einen harmlosen Bannfluch eingesetzt. Und die Gestaltwandler hatten versucht, ihn mit einem Netz zu fangen, anstatt ihn mit ihren gefährlichen Fängen und Klauen zu attackieren, wie es ihrem Naturell entsprach. Wahrscheinlich hätte ihm auch vom Rest der Meute nichts Schlimmeres gedroht als die Gefangennahme. Somit hatte der eigentliche Zweck dieser Ansammlung von Luziferianern allem Anschein nach nur darin bestanden, ihn nach Betreten des Hauses nicht entkommen zu lassen und in dieses Zimmer zu treiben, um hier dem Dämon zu begegnen.

      Aber wenn diese Höllenkreatur erwartete, der Inquisitor würde sich in sein Schicksal ergeben und ihm zu Willen sein, dann hatte er sich getäuscht. Die Erziehung durch die religiösen Danners und die Ausbildung zum Inquisitor hatten Michaels Charakterbildung entscheidender geprägt als die mögliche genetische Abstammung von einem dämonischen Wesen und einer Hexe. Michael war mit Leib und Seele Inquisitor und würde die Kreaturen, denen er ständig die Stirn bot, auf keinen Fall bei ihren bösartigen Plänen unterstützen. Nicht einmal dann, wenn sein eigenes Leben davon abhing.

      »Vergiss es, Vater!«, sagte Michael deshalb und legte so viel Verachtung und Abscheu in das letzte Wort, wie er nur konnte. »Lieber sterbe ich, als einem Wesen wie dir auch nur den kleinen Finger zu reichen!«

      Der kleine Mann mit den glimmenden Augen kam näher heran.

      »Glaub nicht, dass ich die geringsten Skrupel habe, dich mit bloßen Händen zu zerreißen, wenn es sich als notwendig erweisen sollte«, knurrte das Wesen mit finsterem Gesichtsausdruck. »Väterliche Gefühle sind da, wo ich herkomme, nicht sonderlich ausgeprägt. Und wenn ich deinen kleinen Finger haben wollte, würde ich ihn längst an einer Kette um den Hals tragen. Aber derartig übertriebene Maßnahmen sind gar nicht notwendig. Und falls du vorhast, mich mit deiner Aufmüpfigkeit so lange zu reizen, bis ich dich auf der Stelle töte, dann muss ich dich enttäuschen. Ich werde dich nicht umbringen, da du mir tot nichts mehr nützt. Und wenn du nicht langsam freiwillig mit mir kooperierst, kenne ich Mittel und Wege, dich dazu zu zwingen.«

      Michael stieß ein gepresst klingendes Lachen hervor, so gut es die Schmerzen in seiner Brust und seinem Arm erlaubten. Der zweite Schlag des Dämons musste ein paar Rippen gebrochen oder zumindest angeknackst haben. »Und wie willst du mich zu einer solchen Tat zwingen? Ich bin nicht erpressbar und lasse mir von einer gottverdammten Kreatur wie dir nicht drohen.«

      »Sei dir deiner eigenen Stärke nicht so sicher«, fauchte der Dämon, der nun unmittelbar vor dem Inquisitor stand und trotz der geringen Größe seines Gastkörpers auf den am Boden Liegenden herabsah. »Du bist schließlich mein Sohn. Und deshalb gehörst du mit Leib und Seele mir. Selbst wenn sich dein Wille als zu stark erweisen und mir widersetzen sollte, so bin ich doch in der Lage, dein schwaches Fleisch dazu zu zwingen, mir zu Willen zu sein. Kleine schmerzhafte Demonstration gefällig? Dann pass jetzt gut auf!«

      Michael hätte gern wieder mehr Abstand zwischen sich und die Kreatur gebracht, doch das ging nicht, weil der ausgeblutete Leichnam direkt hinter ihm lag und ihm den Weg versperrte. Er hätte über den nackten Körper hinwegkriechen müssen, aber dazu konnte er sich nicht überwinden.

      Der Dämon hob die Arme des Wirtskörpers und bewegte Hände und Finger. Der kleine Mann sah aus wie ein Pantomime, der einen Marionettenspieler darzustellen versucht. Ein hässliches Grinsen lag auf seinen Zügen, als wäre er von diebischer Vorfreude über das erfüllt, was nun kommen würde.

      Michael nahm zunächst an, der Verstand des Mannes hätte der psychischen Belastung durch die dämonische Besessenheit nicht länger standgehalten und wäre daran zerbrochen. Da fühlte er ein merkwürdiges Ziehen und Zerren in seinen Armmuskeln, bevor seine Arme abrupt, und wie an unsichtbaren Fäden gezogen, nach oben schnellten. Seine Muskeln und vor allem die gebrochenen Knochen quittierten die grobe Behandlung mit einer neuen Flut quälender Schmerzen.

      Der Inquisitor bemerkte voller Entsetzen, wie seine Arme im Einklang zu den Hand- und Fingerbewegungen des Besessenen hin und her, nach oben und unten zuckten. Allerdings waren die Bewegungen grob und ungelenk. Als der Puppenspieler den Daumen der rechten Hand bewegte, wurde Michaels Kopf ruckartig und unsanft nach links verdreht. Michael schrie laut, als der stechende Schmerz, der von seinen überdehnten Halsmuskeln ausging, wie eine messerscharfe Pfeilspitze durch seinen ganzen Körper schoss. Ein feiner Nebel legte sich zwischen seine Wahrnehmung und die Umgebung, sodass er alles verschwommen sah, und er spürte das Nahen einer erlösenden Ohnmacht.

      Da endete die makabre Darbietung ebenso plötzlich, wie sie begonnen hatte. Der Puppenspieler ließ die Arme sinken. Er atmete stoßweise und mit offenem Mund. Das Gesicht hatte eine purpurrote Färbung angenommen. Winzige Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. All dies deutete darauf hin, dass selbst ihn die Aktion, so kurz sie gewesen war, enorme Kraft gekostet hatte.

      Michael drehte seinen Kopf in eine natürlichere und weniger schmerzhafte Position zurück und ließ ihn erschöpft zu Boden sinken. Er stöhnte leise, war aber gleichzeitig grenzenlos erleichtert, dass die Tortur ein Ende hatte. Er fühlte sich, als wäre sein Körper soeben missbraucht worden, was seiner Ansicht nach auch geschehen war. Und er schwor sich, dass er nie wieder etwas Derartiges erdulden wollte. Eher wollte er sterben.

      »Das war nur ein kleiner Vorgeschmack, Sohn«, ertönte die Stimme des Dämons, nachdem sich die Atmung des Mannes beruhigt hatte. »Tust du nicht freiwillig, was ich von dir verlange, werde ich dich auf diese Weise dazu zwingen! Die Aufgabe wird dann um einiges schmerzhafter und erniedrigender für dich und geringfügig anstrengender für mich. Aber sie ist auch auf diese Weise durchführbar, das kann ich dir versichern!«

      Michael hörte die Worte des Dämons, doch sein Verstand war gleichzeitig fieberhaft damit beschäftigt, nach einem Ausweg aus dieser Situation zu suchen. Er durfte nicht zulassen, dass die Kreatur seinen Körper erneut benutzte. Zugleich war es für ihn aufgrund seines ganzen Wesens undenkbar, den teuflischen Plan zu unterstützen und den Papst zu ermorden. Er glaubte aber auch nicht, dass es ihm gelingen könnte, zum Schein auf das Verlangen des Dämons einzugehen und diesen zu täuschen, da die Kreatur aus der Hölle sich auf reine Absichtserklärungen sicherlich nicht verlassen würde. Aufgrund dessen musste es ihm gelingen, entweder selbst von hier zu verschwinden oder zumindest den Dämon von diesem Ort zu vertreiben, doch beide Möglichkeiten erschienen undurchführbar. Es gab keinen einfachen Weg hier heraus, denn dazu hätte er zunächst den Dämon überwinden und anschließend einer unbekannten Zahl Luziferianer gegenübertreten müssen, die sicherlich noch im Flur und im Treppenhaus lauerten.

      Und wie sollte er gegen den Dämon ankämpfen, verletzt und ohne Waffe? Ihn vernichten zu wollen, war von vornherein ausgeschlossen. Man konnte ihn allenfalls austreiben und in die Schwefelklüfte zurückschicken, aus denen er durch die Beschwörung hervorgekrochen und in unsere Welt gekommen war. Michael hatte während seiner Ausbildung zwar Grundlagen des Exorzismus gelernt, doch das genügte beileibe nicht, um einen Dämon auszutreiben. Hierfür war wenigstens ein gut ausgebildeter und erfahrener Exorzist erforderlich.

      Während der Besessene eine Dämonenaustreibung in der Regel lebend überstand, gab es noch eine andere Möglichkeit, die weniger Rücksicht auf den Gastkörper nahm, den


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