Drei starke Geister. Alexandre Dumas

Drei starke Geister - Alexandre Dumas


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      Der Doktor stand auf.

      »Gehen Sie schon?« fragte der Kranke.

      »Nur auf einen Augenblick.«

      »Wohin wollen Sie?«

      »Ich will Flanell holen, um Sie frottiren zu lassen, und eine Medicin zubereiten.«

      »Könnte dies nicht Jemand Anderes besorgen?«

      »Nein, warum?«

      »Weil ich wünschte, daß Sie bei mir blieben.«

      »Fühlen Sie sich schlechter?«

      »Ja, ich fühle mich schlecht, aber ich bin noch nicht todt.«

      Diese Worte sprach Valery in einem Tone, der wie eine Herausforderung des Todes klang.

      Sein ganzer Körper hatte steh indessen mit einem kalten Schweiße bedeckt und er war nahe daran, von Neuem ohnmächtig zu werden.

      »Ich fühle mich nicht mehr so stark als vorhin,« sagte er, wie um seinen ersten Anfall von Schwäche zu entschuldigen; »die Ohnmacht hat mich ein wenig angegriffen. Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich ohnmächtig werde.«

      »Riechen Sie dieses Fläschchen, so lange Sie allein sind, ich bin gleich wieder bei Ihnen; verlieren Sie die Geduld nicht und bleiben Sie gut zugedeckt.«

      Zur größeren Sicherheit, deckte Maréchal selbst den Kranken zu und umstellte sein Bett mit Stühlen.

      Als Valery allein war, blickte er um sich, als wollte er dadurch seinen Zustand besser kennen lernen; dann neigte er das Ohr auf seine Brust, um sich gleichsam zu überzeugen, daß er noch lebte. Bald erhob er lächelnd den Kopf wieder und sprach vor sich hin:

      »Ich war ein Narr. . . es ist Nichts; ein Mensch wie ich stirbt nicht in Einem Tage.«

      Dann betrachtete er seine Hände, in denen niemals Blut geflossen zu sein schien, und gab sich dieser Beschäftigung mit einer Art wilder Freude hin. Er bog die Finger nach allen Seiten, ließ die Gelenke knacken, legte die Hand auf seine Brust, während er tief athmete, und ein triumphirendes Lächeln öffnete abermals seine entfärbten Lippen.

      »Ich hatte wirklich geglaubt, es wäre vorüber mit mir,« sagte er zu sich selbst, und ein Schauder durchrieselte bei diesem Gedanken seinen ganzen Körper.

      In diesem Augenblicke trat ein Matrose ein, welcher Flanell und mehrere Flaschen brachte.

      »Brauchen Sie sonst etwas, mein Herr?« fragte der Mann, ohne sich dem Bett zu nähern.

      »Nein; was bringst Du da?«

      »Es sind Arzneiflaschen, die mir Herr Maréchal gegeben hat, um sie hierher zu tragen.«

      »Wo ist Herr Maréchal?«

      »Im der Apotheke. Soll ich ihn rufen?« fragte der Matrose,« der es nicht erwarten konnte, die Kajüte wieder zu verlassen, denn der Arzt hatte ihm anempfohlen, sich so kurze Zeit als möglich darin aufzuhalten.

      »Nein,« antwortete der Kranke, dem die Ungeduld des Matrosen nicht entging. »Bleibe bei mir.«

      Der Matrose stellte sich an die Wand und drehte seine Mütze in den Händen herum.

      Valery sah ihm einige Minuten zu und sagte dann zu ihm:

      »Tritt doch ein wenig näher, Freund; Du scheinst zu fürchten, von meiner Krankheit angesteckt zu werden, aber sie ist gar nicht ansteckend.«

      Der Matrose that einen Schritt, aber nicht mehr.

      »Du fürchtest Dich also ernstlich?« sagte Valery in fast beleidigtem Tone.

      »Nun ja, mein Herr, ich habe Frau und Kinder, und das gelbe Fieber hat man bald am Halse.«

      »Das gelbe Fieber?« rief der Kranke heftig erschrocken, »habe ich denn denn das gelbe Fieber?«

      Der Matrose sah ein, daß er einen Fehler begangen hatte; aber er dachte: »Gleichviel, Jeder ist sich selbst der Nächste, und er antwortete daher;

      »Der Herr Doktor hat es gesagt.«

      »Das gelbe Fieber!« wiederholte Valery mit stierem Blicke; »stirbt man nicht Unter gräßlichen Schmerzen an dieser Krankheit?«

      »Ja wohl, mein Herr.«

      »Hast Du schon Leute daran sterben sehen?«

      »O, schon viele; mein Bruder ist auch daran gestorben, deshalb habe ich so große Angst davor.«

      Der Matrose legte sich weiter keinen Zwang auf und hielt sein Taschentuch vor Mund und Nase.«

      »Du kennst also die Symptome dieses Fiebers?«

      »Ja.«

      »Wie fängt es an?« fragte Valery, indem er sich anstrengte, ruhig zu scheinen.

      »Mit Erbrechen. Frost, Kopf- und Magenschmerzen, und dann bekommt der ganze Körper rothe Flecken.«

      »Wie diese?M fragte der Kranke, indem er seine Brust zeigte.

      »Ja, Herr,« erwiderte der Matrose, während er den Kopf ängstlich vorstreckte, um besser sehen zu können.

      »Also muß ich sterben!« rief Valery mit einem Schrei, der fast dem Brüllen eines Tigers glich. In diesem Schrei lag die ganze Wuth und der ganze Schmerz, welche ein Mensch durch die Stimme auszudrücken vermag.

      Der Kranke nahm den Kopf zwischen beide Hände, verbarg ihn in den Kissen und zerraufte sich mit Verzweiflung das Haar.

      »Sterben! sterben!« wiederholte er; »ich soll sterben in meinem dreißigsten Jahre und jetzt, da ich reich bin! Nein, es ist unmöglich! Ich will nicht sterben!«

      Während er dies sagte, streckte er die geballte Hand zum Himmel empor, aber sie fiel bald wieder kraftlos zurück.

      Das Delirium stellte sich bereits ein.

      »Ich will den Doctor sprechen!« rief der Kranke; »hole ihn auf der Stelle herbei!«

      Dem Matrosen war dies sehr erwünscht und er ließ es sich daher nicht zweimal sagen.

      »Ich will nicht sterben!« wiederholte Valery fortwährend, als ob er überzeugt wäre, daß sein Wille den Tod entfernt halten könnte. In seiner furchtbaren Aufregung sprang er wie ein Rasender aus dem Bett und an die Thür, die er in dem nämlichen Augenblicke öffnete, als der Arzt zurückkam.

      »Wenn Sie dergleichen Unbesonnenheiten begehen,« sagte Maréchal in fast strengem Tone zu ihm, »so muß ich Sie in Ihrem Bette festbinden lassen, denn ich bin für Ihr Leben verantwortlich, und wenn ein Unglück geschieht, so will ich mir wenigstens nichts vorzuwerfen haben.«

      »Ja, Herr Doktor, ich will Ihnen folgen,« entgegnete der Kranke, indem er sich schüchtern wie ein von der Mutter auf einem Fehler ertapptes Kind wieder in’s Bett legte. »Sie retten mich, nicht wahr, Sie versprechen es mir?«

      »Ich werde mein Möglichstes thun, und es wird mir gelingen, wenn Sie der Wissenschaft nicht durch neue Thorheiten hinderlich sind.«

      »Ich gestehe Ihnen, daß ich mich entsetzlich vor dem Tode fürchte.«

      »Sie haben indessen noch Vorhin einen so großen Muth bewiesen.«

      »Weil ich stolz auf meine Natur war und nicht glaubte, daß ich sterben..könnte. Jetzt aber, da ich meine Krankheit kenne, wiederhole ich Ihnen, daß ich große Angst habe. Der Arzt ist wie ein Beichtvater, man kann ihm Alles sagen. Retten Sie mich und ich gebe Ihnen die Hälfte meines Vernögens; retten Sie mich, Herr Doctor, ich bitte Sie, ich beschwöre Sie!«

      Maréchal betrachtete mit Staunen und fast mit Argwohn diesen Mann, der sich so muthvoll gezeigt hatte, so lange er nicht an die Gefahr glaubte, und der so schwach und demüthig geworden war, seitdem er sie vor Augen sah.

      »Beruhigen Sie sich, Herr Valery, Sie werden wieder gesund werden.«

      »Bürgen Sie mir dafür?«


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