Drei starke Geister. Alexandre Dumas
sagte seinen drei Gesellschaftern gute Nacht und verließ das Zimmer, um in seine Kajüte zu gehen.
»Jetzt spielt also Jeder für eigene Rechnung,« sagte der Kapitain, der wie man sieht, ein eifriger Dominospieler war. »Wer setzt aus?«/P>
»Sie selbst, Kapitain.«
»So, nun dann, Doppelfünf.«
Zweites Kapitel.
Der Kranke.
Ungefähr dreiviertel Stunde nachdem Valery sich entfernt hatte, und während die drei Spieler plaudernd Thee tranken, wurde die Thür des Zimmers geöffnet und Valery trat wieder ein.
Er hatte seinen Schlafrock angezogen und war blaß wie eine Leiche.
»Nun, da sind Sie ja wieder,« sagte der Kapitain, »das freut mich.«
Aber während Durantin so sprach, betrachtete er den jungen Eingetretenen mit Besorgniß und flüsterte dann dem Arzte zu:
»Sehen Sie nur, wie blaß er ist!«
»Ja, ich komme wieder zu Ihnen,« entgegnete Valery mit einem erzwungenen Lächeln und indem er sich niedersetzte, denn er schien sich nur mit Mühe auf den Füßen halten zu können, »doch nur um einige Worte mit dem Herrn Doktor zu sprechen.«
Dabei hörte man deutlich, wie die Zähne des Kranken zusammenschlugen. Er reichte dem Arzte die Hand.
»Sie haben heftiges Fieber,« sagte Maréchal.
»Ja, ich fühle mich sehr unwohl,« erwiderte Valery mit ruhiger Stimme und fast mit Stolz.
»Haben Sie sich nicht zu Bett gelegt?«
»O ja.«
»Warum haben Sie mich dann nicht rufen lassen?«
»Ich wollte Sie wegen einer so unbedeutenden Sache nicht incommodiren.«
»Das ist eine große Unvorsichtigkeit von Ihnen.«
»O, ich habe eine gute Constitution.«
»Ja, aber es giebt Anfälle, denen auch die kräftigste Constitution nicht widersteht.«
»Habe ich einen solchen Anfall?«
»Das will ich nicht sagen, aber ich wiederhole Ihnen, Sie haben ein heftiges Fieber und können nicht vorsichtig genug sein.«
»Sagen Sie mir, was ich thun soll, Herr Doktor, und ich will es thun.«
Es war leicht zu sehen, welche Anstrengung es Valery kostete, um seine Ruhe und Fassung zu behaupten. Er zitterte unwillkürlich an allen Gliedern und seine blauen Lippen waren in beständiger Bewegung. Es schien fast als suchte er Etwas in diesem Kampfe seines Willens gegen den Körper.
»Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Madagascar zuweilen ähnliche Anfälle gehabt wie der gegenwärtige,« fragte der Arzt.
»Nein, nie.«
»Und es ist ganz plötzlich gekommen?«
»Ja wohl.«
»Haben Sie die Güte aufzustehen, wenn es Ihnen möglich ist.«
Valery stand auf, aber er mußte die Hand vor die Stirn legen, um den fieberhaften Schwindel zu verscheuchen, der ihn bei der geringsten Bewegung ergriff.
Der Doktor öffnete das Hemd des Kranken und untersuchte dessen Brust, die mit großen rothen Flecken bedeckt war.«
»Hm! das ist nicht richtig,« murmelte er vor sich hin.
»Was meinen Sie, Doktor?«
»Nichts.«
»Sie schüttelten doch mit dem Kopfe?«
»Aufrichtig gesagt, habe ich die ersten Folgen Ihrer Unvorsichtigkeit gesehen.«
»Die rothen Flecken wohl?»erwiderte Valery in einem Tone, welcher bewies, daß er dieses Symptom schon bemerkt und daß es ihn beunruhigt hatte.
»Ja,i»antwortete Maréchal.
»Es ist also gefährlich?«
»Nein, das nicht, aber es erfordert eine sorgfältige Behandlung. — Herr Kapitain,»sagte der Arzt zu Durantin, »Sie möchten Herrn Valery eine größere und luftigere Kajüte anweisen.«
»Auf dem Verdeck?«
»Ja, wenn es irgend möglich ist.«
»Wir haben noch die, welche der französische Gesandte inne hatte, ein wahres Prachtzimmer. Ich stelle es Herrn Valery zur Verfügung.«
»Fühlen Sie sich stark genug, um so weit zu gehen?« fragte der Arzt den Kranken.
»O gewiß, ich bin stärker als Sie glauben.«
»Dann haben Sie die Güte, sogleich hinauf zu geben, es ist besser.«
»Gute Nacht, meine Herren,« sagte Valery, »entschuldigen Sie, daß ich Sie gestört habe.«
»Morgen früh werden wir Sie besuchen, und sollten Sie diese Nacht irgend Etwas bedürfen, so wecken Sie uns, wenn wir schlafen.«
Valery dankte dem Kapitain und schickte sich an, die Kajüte zu verlassen. Aber kaum hatte er vier Schritte gethan, so mußte er stehen bleiben; die Natur war stärker als sein Wille und er schwankte. Er machte eine heftige Anstrengung; aber noch ehe er sich an die Wand lehnen konnte, sank er ohnmächtig in die Arme des Doctors, welcher dies hatte kommen sehen und daher dicht hinter ihm geblieben war.
»Zwei Mann!« rief der Arzt.
Man rief sogleich zwei Matrosen.
»Traget diesen Herrn in die Gesandschaftskajüte und leget ihn in’s Bett.«
Die beiden Matrosen nahmen den Kranken, einer beim Kopfe und der andere bei den Füßen, und trugen ihn in sein neues Zimmer.
»Ist Herrn Valery’s Krankheit gefährlich?« fragte nun der Kapitain.
»Gewiß ist sie gefährlich, es ist nichts geringeres ein Anfall des gelben Fieber’s, wozu er den Keim von Madagaskar mitgebracht hat. Ich habe ihm deshalb eine abgesonderte Kajüte geben lassen, denn dieses Teufelsfieber ist ist ansteckend und es wäre kein Spaß, wenn wir es Alle bekämen.«
»O, der Unglückliche!« rief Pascal; »wir wollen hoffen, daß Gott ihn rettet.«
»Er muß überdies eine Riesennatur haben, daß er mit einem solchen Fieber noch hat herunter kommen können; ich biet gewiß kein Schwächling, aber ich bin überzeugt, daß ich nicht im Stande gewesen wäre, mich von der Stelle zu rühren.«
»Es muß wohl Jemand bei ihm wachen?« fragte Pascal.
»Allerdings.«
»Nun, so will ich bei ihm bleiben.«
»Sind Sie von Sinnen? Dazu haben wir Leute. Ich wiederhole Ihnen, es ist ein fürchterliches Fieber und steckt binnen fünf Minuten an. Ich lasse Sie nicht nur bei Herrn Valery nicht wachen, sondern werde Ihnen sogar, wenn Sie ihn morgen früh besuchen, ein Fläschchen geben, um daran riechen zu können, so lange Sie bei ihm sind.«
»Gehen Sie zu ihm, Doctor,« sagte der Commandant, »er wird Ihrer bedürfen.«
Der Arzt entfernte sich.
Der Kranke war inzwischen noch immer ohnmächtig zu Bett gebracht worden.
Maréchal ließ ihn flüchtiges Salz einnehmen und er kam bald wieder zu sich.
Als Valery die Augen aufschlug, schien er von der Ruhe und Festigkeit, die ihn bis zu seiner Ohnmacht nicht Verlassen hatte, ein wenig verloren zu haben.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte der Arzt.
»Sehr schlecht.«
Aus dieser Antwort sprach schon eine gewisse Angst.
»Ich