GLOVICO. Ekkehard Wolf

GLOVICO - Ekkehard Wolf


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als die Amerikanerin in dem vorangegangenen Gespräch den Eindruck erweckt hatte, mit dem ‚Trojaner’ bisher noch nichts zu tun gehabt zu haben.

      „Ich fürchte, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben, die bereit sind über die sprichwörtlichen Leichen zu gehen,“ hatte sie der Amerikanerin eindringlich zu verstehen gegeben und sie danach ganz direkt gefragt: „Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?“

      Die Frage war ihr einfach so herausgerutscht und sie hätte sich aufgrund der Unprofessionalität der Fragestellung selbst ohrfeigen mögen.

      „Wie meinen Sie das?“ Viola Ekström hatte jedoch scheinbar unbeeindruckt zurück gefragt und dazu gelacht, als ob die Polin einen Scherz gemacht hätte. Agnieszka hatte sich hierdurch nicht beirren lassen, und mit Bestimmtheit gesagt: „Sie werden das alles verstehen, wenn wir auf der anderen Seite der Grenze sind.“ Um ihre neue Bekannte nicht zu beunruhigen hatte sie noch hinzugefügt: „Dort wartet auch Rosi.“ Das war gelogen. „Bis dahin haben Sie Geduld. Wir können von hier jetzt nicht telephonieren. Nach dem, was Rosi erzählt hat schon gar nicht.“ Das stimmte. Die Polin war bei diesen Worten richtig energisch geworden.

      „Sie erinnern mich irgendwie an Rose. Behalten Sie um Gottes Willen die Nerven,“ hatte die Amerikanerin mit leicht ironischem Unterton noch festgestellt, bevor sie sich getrennt hatten. Die polnische Polizistin wurde aus ihren Gedanken gerissen. Der Wagen hatte abrupt abgebremst und angehalten.

      „Eine Polizeikontrolle,“ stellte ihr Fahrer knapp fest. Kurz nach der norwegischen Ortschaft Maurset führten die Beamten vermutlich eine Routinekontrolle durch. Der Audi mit dem polnischen Kennzeichen hatte so kurz vor der schwedischen Grenze wohl ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Als die Insassen des Fahrzeuges sich mit ihren Pässen auswiesen, war ihr Schicksal besiegelt.

      Der kontrollierende Beamte wandte sich um, trat einen Schritt zu Seite und stürzte mit einem Hechtsprung in den Straßengraben.

      Der Pole auf dem Fahrersitz kam nicht mehr dazu, das Fahrzeug zu verlassen.

      Die Detonation der Handgranate, die der hinter dem Seitenfenster des allradgetriebenen Fahrzeugs stehende Polizist in den Wagen geworfen hatte, ließ das Auto erbeben und zerfetzte den Mann.

      Die Wucht der Explosion drückte die Heckscheibe des Wagens auf und die auf der Rückbank sitzende Polin wurde halb aus dem Fahrzeug geschleudert. Agnieszka Malik hatte die Granante ins Auto fliegen sehen und den verbleibenden Sekundenbruchteil bis zur Explosion genutzt, um geistesgegenwärtig die neben ihr liegende Reisetasche der Amerikanerin schützend vor sich zu reißen.

      Ihr Leben war dadurch nur wenige Augenblicke länger erhalten geblieben. Einer der drei Polizisten war nach dem Abklingen der Explosion von hinten an das Fahrzeug herangetreten und hatte das Stöhnen der halbschräg über die Rücklehne gedrückte Frau beendet, indem er ihr Dreimal in den Kopf schoss. Einmal hätte auch gereicht, aber der Schütze wollte wohl auf Nummer sicher gehen. Anschließend setzten die Täter das Auto in Brand und verließen dann eilig den Tatort. Von hinten näherte sich ein anderes Auto mit hoher Geschwindigkeit. Die Attentäter hatten ganze Arbeit geleistet. Aber ihr Auftrag war noch nicht beendet.

      Trotz der kurvigen, engen Straße hatte der Fahrer des nachfolgenden VW-Busses nur wenige Minuten gebraucht bis er den brennenden Audi erreichte.

      Im Scheinwerferlicht konnten er und seine Baifahrerin eine Person erkennen, die ihnen wild gestikulierend entgegen gerannt kam und versuchte, den Wagen zum Halten zu veranlassen. Es hätte dieser Mühe nicht bedurft.

      Der Fahrer des Wagens bremste scharf ab, sprang aus dem Fahrzeug und rannte, ohne die Frau zu beachten zu dem brennenden PKW. Doch auch er musste schnell erkennen, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Zwar gelang es ihm noch, zunächst seinen Kameraden vom Fahrersitz des brennenden Autos zu ziehen und danach sogar noch die am Boden vor dem Rücksitz zusammengekrümmte Frau an den Füßen zu packen und herauszuzerren, doch damit erreichte er lediglich, dass beide nicht bis zur Unkenntlichkeit verbrannten.

      Auch Viola Ekström war aus dem Bus gesprungen. „Was ist passiert?“, fragte sie gehetzt die Frau, die Ihnen winkend entgegengekommen war auf Schwedisch. Die Angesprochene stand unter Schock. Den hastig und brockenweise vorgebrachten Erklärungen entnahm die Amerikanerin nur so viel, dass die Winkende erst am Ort des Geschehens eingetroffen war, als das Auto schon brannte. Kurz zuvor war ihr ein ausländischer Wagen entgegengekommen. In dem Privatwagen hatten seltsamerweise Polizisten in Uniform gesessen. Selbst diesen Angaben vermochte der Leibwächter schon aufgrund seiner fehlenden Sprachkenntnisse nicht zu folgen. Erschöpft hatten sich beide nach der Bergung der zwei Toten zunächst auf die Böschung am Straßenrand fallen lassen.

      Die Norwegerin hatte über Handy die Polizei verständigt. Bis zu deren Eintreffen war mehr als eine halbe Stunde vergangen. Dies hatte den beiden Überlebenden die Gelegenheit gegeben, sich über die weitere Vorgehensweise trotz der sprachlichen Hindernisse grob zu verständigen.

      Viola Ekström fröstelte. Sie zwang sich dazu, ihre Gedanken zu ordnen.

      Während die lodernden Flammen der Amerikanerin die gespenstische Szene ins Gedächtnis brannten, rückten kurz nach einander die Feuerwehr, der Notarzt, die Polizei und zwei Krankenwagen an. Für einen Augenblick hatte Viola Ekström daran gedacht, die frischgebackene Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft in Moskau, Tatjana Wolkowa alias Ruth Waldner per Handy anzurufen, diesen Gedanken dann aber doch schnell wieder verworfen. Sie konnte nicht ahnen, damit die für lange Zeit letzte Gelegenheit verpasst zu haben, um mit ihrer Freundin in Kontakt zu treten.

      Aufgrund der Verbrennungen, die er sich bei der Bergung der Leichen aus dem brennenden Fahrzeug zugezogen hatte, wurde der Pole zur Notaufnahme der Krankenstation in Eidfjord gebracht und dort behandelt. Trotz ihrer Benommenheit bestand Viola darauf, den VW-Bus selbst dorthin zurückzufahren. Anschließend nahm sie sich ein Zimmer im Motel. Da die Verletzungen des Polen sich als nur geringfügig erwiesen, konnte er bereits am nächsten Morgen aus der Krankenstation wieder entlassen werden. Bei der anschließenden Befragung durch die norwegische Polizei konnten weder er noch Viola zum Tathergang sachdienliche Hinweise geben. Übereinstimmend haben beide wahrheitsgemäß ausgesagt, dass der Pole die Amerikanerin erst an dem Ferienhaus kennen gelernt hat. Spontan hätten sie sich trotz der späten Stunde am Vorabend noch zu einem kleinen Ausflug in die Umgebung entschlossen. Um im Fall einer Panne nicht hilflos in der Landschaft zu stehen, hatten sie sich entschlossen, mit beiden Wagen zu fahren. Da Viola wegen der schlechten Straßenverhältnisse nicht selbst habe fahren wollen, waren die beiden Getöteten mit dem Audi unterwegs gewesen. Da die Tankanzeige des VW-Busses unterwegs aufgeblinkt habe, hatte dessen Fahrer sich entschlossen, den Treibstoff aus dem mitgeführten Reservekanister nachzufüllen. Dies entsprach im Kern der Wahrheit. Dadurch hatten sich beide Fahrzeuge für einige Minuten aus den Augen verloren. Auch das entsprach der Wahrheit. Als sie den A6 schließlich wieder eingeholt hatten, brannte dieser bereits lichterloh. Zu dem, was zwischenzeitlich geschehen war, konnten sie keine Angaben machen. Das entsprach aber nur zum Teil der Wahrheit.

      Der brutale Mord

      Der brutale Mord an der polnischen Sonderermittlerin im Dezernat Organisierte Kriminalität von Lublin löste in den kommenden Tagen und Wochen in ihrem Heimatland hektische Betriebsamkeit aus. Die Hinrichtung im fernen Norwegen an sich war bereits ein ungeheuerlicher Affront, der nur als Signal verstanden werden konnte: „Überlegt euch gut, wie weit ihr geht,“ lautete die unmissverständliche Botschaft der Täter, „wir finden euch überall und wir zögern nicht, diejenigen aus dem Weg zu räumen, die uns in die Quere kommen.“

      Die besonderen Umstände des Attentats hatten anscheinend diesen Eindruck noch verstärken sollen. Die Ausführung der Tat war als offenkundiger Mord erfolgt. Dadurch sollte wohl verhindert werden, dass auch nur der geringste Zweifel aufkam. Das konnte nur als Provokation verstanden werden. Üblicherweise pflegten diese Kreise es vorzuziehen, ihre Anschläge so zu organisieren, dass die Tat wie ein Unfall aussehen konnte. Jedes Mal, wenn die Täter keinerlei Mühe darauf verwendeten, den tatsächlichen Tathergang zu verschleiern, war das eine Warnung an die Überlebenden: „Seht her, so wird es euch auch


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