Mord im Cockpit. Wolf Heichele

Mord im Cockpit - Wolf Heichele


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mein Dad einen neuen Job in Norditalien bekam, und so kam ich schlagartig in ein völlig neues Umfeld – und damit in wesentlich ruhigeres Fahrwasser. Und mit siebzehn Jahren hatte sich alles um einhundertachtzig Grad gedreht. Plötzlich fasste ich sogar den Entschluss, Polizistin werden zu wollen. Nicht zuletzt, um meine Vergangenheit endgültig hinter mir zu lassen – respektive, sie sinnvoll zu nutzen. Meine Mutter freute sich damals unendlich darüber, denn eine Zeit lang hatte es in Rom wirklich danach ausgesehen, als würde ich den Absprung nicht mehr schaffen.«

      »Hatten Sie denn auch mit Drogen zu tun, wenn Sie mir diese indiskrete Frage erlauben?«

      »Nun, ich will ehrlich sein, Commissario. Haschisch habe ich mal ausprobiert, ließ aber sofort wieder die Finger davon. Das war nichts für mich. Ich verlor die Kontrolle, das gefiel mir nicht. Ich habe gern die Kontrolle über mich und meine Umwelt.«

      Montebello nickte anerkennend.

      »Es freut mich, dass Sie die Kurve gekriegt haben.«

      Er legte seine anfängliche Zurückhaltung Alessandra gegenüber zunehmend ab. Sie schien in Ordnung zu sein. Sie hatte nicht vergessen, woher sie kam, verfügte über ein hohes Maß an Selbstdisziplin und wirkte ehrlich. Alles in allem ein positiver erster Eindruck, fand Montebello.

      »Ab heute sind Sie in der Königsdisziplin, Alessandra. Beim Morddezernat. Hier werden neue Herausforderungen auf Sie warten.«

      Montebello bog mit quietschenden Reifen nach rechts ab.

      »Ich weiß, Commissario. Umso mehr freut es mich, von einem Profi wie Ihnen eingearbeitet zu werden. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«

      Montebello gab sich bescheiden.

      »Ach, ich kenne einige der Geschichten, die über mich erzählt werden. Die Leute übertreiben gern. Geben Sie nicht allzu viel darauf. Folgen Sie lieber Ihren eigenen Instinkten. Diese sind elementar in unserem Beruf. Versuchen Sie immer, frei und unvoreingenommen zu urteilen, damit werden Sie die größten Erfolge erzielen. Auf diese Weise kann Ihnen kein Zeuge oder Verdächtiger so leicht etwas vormachen.«

      »Ist das schon meine erste Lektion, Boss?«, antwortete Alessandra lächelnd.

      »Wenn Sie so wollen, ja. Übrigens: Sie müssen mich nicht Boss nennen. Ich bin Mauro. Und Sie können mich gern duzen.«

      »Oh, das freut mich. Ich bin Alessandra.«

      Alessandra strahlte. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten hatte sich ihr Kennenlerngespräch doch positiv entwickelt, und sie reichte Montebello zufrieden die Hand.

      »Es freut mich wirklich sehr.«

      »Mich ebenfalls, Alessandra.«

      Als die beiden knapp zehn Kilometer vom Flughafen entfernt waren, konnten sie eine senkrecht aufsteigende, pechschwarze Rauchsäule am Himmel erkennen, die so starr und regungslos wirkte, als wäre sie von einem Maler in den Himmel gezeichnet worden. Der Einschlag der Maschine musste fürchterlich gewesen sein.

      »Du meine Güte!« Alessandra konnte kaum glauben, was sie sah. »Um was für ein Flugzeugmodell handelte es sich bitte? Um einen Jumbo-Jet?«

      »Ich weiß es nicht, Alessandra. Allerdings kenne ich den Umberto Nobile Flughafen aus früheren Tagen. Es ist ein Privatflughafen. Hier landen normalerweise kleine bis mittelgroße Maschinen. Für große Jets ist die Landebahn zu kurz. Sie ist nur für Propellerflugzeuge gedacht.«

      »Oh, Sie kennen sich mit Flugzeugen aus?«

      »Du!«, korrigierte Mauro.

      »Sorry. DU kennst dich mit Flugzeugen aus?«

      »Ja, ein wenig«, erklärte Mauro, »doch das Einzige, das ich selbst fliegen kann, ist ein Flugdrachen. Dies kam mir bei einem Fall in der Vergangenheit übrigens mal zugute. Es ging um einen Mord am Gardasee.«

      »Wirklich? Das klingt spannend. Das musst Du mir unbedingt einmal erzählen. An den Legenden über dich scheint also doch etwas dran zu sein?«

      »Nun ja, den einen oder anderen Fall hab ich schon gelöst, das will ich ja gar nicht bestreiten. Manchmal auch mit unorthodoxen Mitteln, wenn man so will. Ich werde dir die Geschichte vom Gardasee erzählen, sobald wir Zeit dafür finden. Ich konnte den Täter damals aus der Luft überwältigen.«

      »Wow! Klingt nach James Bond!«

      »Na ja, letztlich habe ich meinen Job gemacht. Du musst mir im Gegenzug erzählen, was es mit deinen Martial-Arts-Fähigkeiten auf sich hat. Angesichts des Milieus, in dem du ermittelt hast, kamen diese beizeiten sicher zum Einsatz?«

      Alessandra drehte ihren Kopf zum Seitenfenster.

      »Hin und wieder«, murmelte sie.

      »Bescheidenheit ist eine lobenswerte Tugend«, sagte Montebello und lächelte anerkennend.

      Er bog auf eine lange, zwei Kilometer lange Gerade ab, die direkt zum Flughafen führte. Die Straße war ausschließlich für den Flughafen gebaut worden und wirkte wie ein verlassener Highway in den endlosen Weiten Nordamerikas. Auf halber Strecke kamen die beiden Ermittler an einer großen, bronzefarbenen Erdkugel vorbei, die fünf Meter im Durchmesser maß und auf einem quadratischen Betonsockel ruhte. Ein wahrlich gigantisches Symbol. Der Globus war umringt von einem roten Banner, auf dem in goldener Schrift »Welcome to Umberto Nobile Airfield« geschrieben stand.

      »Recht beeindruckend«, fand Alessandra. »Da scheint jemand mächtig stolz auf seinen Flughafen zu sein.«

      Mauro nickte.

      »Ja, definitiv.«

      Der Flughafen konnte von jeder Person frei befahren werden. Es gab kein Tor und auch keine Schranke. Montebello erklärte Alessandra, was es damit auf sich hatte.

      »Hier werden nicht nur Charter- und Transportflüge angeboten, sondern auch Rundflüge für Privatpersonen. Darüber hinaus gibt es eine kleine Flughafenkantine, die von den Leuten besucht wird, die sich Starts und Landungen ansehen wollen oder sich nach ihren Rundflügen eine Tasse Kaffee gönnen möchten. Ich war selbst ein paar Mal mit meiner Familie dort.«

      »Du hast eine Familie? Wie schön.«

      Alessandras grüne Augen begannen zu leuchten.

      »Ja, meine Frau Micaela und einen gemeinsamen Sohn, Jarno. Er ist neun Jahre alt, feiert aber morgen seinen zehnten Geburtstag.«

      »Wie schön! Familie ist etwas Wunderbares. Ich hoffe, dass du morgen etwas Zeit für ihn an seinem Ehrentag finden wirst.«

      »Das hoffe ich auch.«

      Die junge Ermittlerin war für einen Moment ins Schwärmen geraten, wurde aber schnell wieder ernst: »Ich selber habe es bis heute nicht einmal geschafft, eine halbwegs stabile Beziehung aufzubauen – geschweige denn, an Nachwuchs zu denken. Tja, das liegt wohl am Beruf. Umso erstaunlicher, dass es bei dir klappt. Wie hast du das hinbekommen? Was ist der Trick?«

      »Ich hatte Glück, würde ich sagen. Das große Glück, in Micaela jemanden gefunden zu haben, der seelisch stark genug war, dem Stress zu trotzen und genug Vertrauen in mich zu setzen, dass ich Tag für Tag heil zurückkehren würde. Anders wäre es nicht gegangen. Allerdings darf ich dir sagen, dass in mir mittlerweile der Gedanke reift, in den Innendienst zu wechseln, seitdem unser Sohn auf der Welt ist. Unser Boss, di Grassi, würde mich dort übrigens gern sehen. Er möchte längst in Rente gehen und sucht verzweifelt nach einem würdigen Nachfolger.«

      »Di Grassi will in Rente gehen? Oh, das wäre schade. Er ist so ein sympathischer Mann. Und irgendwie lustig. Allerdings würde ich dir den Job natürlich auch gönnen. Aber erst, nachdem du mich eingearbeitet hast, abgemacht?«

      Montebello lachte.

      »Abgemacht!«

      Die beiden erreichten den Flughafen und die Rauchsäule wirkte aus der Nähe noch deutlich bedrohlicher. Montebello parkte seinen Wagen direkt am Tower.

      Ein gut gekleideter Mann in einem dunkelgrauen Maßanzug mit modischem weißem


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