Halbzeitland. Gordon Müllenbach
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Gordon Müllenbach
Halbzeitland
Eine Naufragie
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Inhaltsverzeichnis
Übertyre durch das Oberstübchen
Auf der Arbeit ist nichts Gutes passiert
Die berühmten fünf Worte zu viel zu der Ninja in der Bagdad-Bahn
Das Verließ
gewidmet Bilal al-Abed
Graues Kanaan
“Unklar, durch was wir durchgehen,
Unwissend, wonach wir suchen,
Erleben wir, dem Gewicht eines ganzen Lebens
gewachsen zu sein.“
aus `Das Poetische Theater am Synapsenspalt´
„Wer die Kunst will, schafft die Zerstörung,
Und der große Morgen, der durch Zerstörung gebahnt,
Wird immer nur zu der Zukunft der anderen.“
aus `Mond-Seance - der Boskoop des
Diskontinuums´
Endstation Kleinstadt
Öjwind erschrickt milchbleich, als er aus dem Fenster blickt. Durch die Dunkelheit zieht eine schwere Dampflok und stampft unter Volldampf und mit lautem Hornpfeifen auf die Hängebrücke über der Straßenschlucht. Öjwind erschauert ziellos. Der ungeronnene Tross aus aufbrausendem Konstrukt töst scheppernd unter dem klaren Sternenzelt und flößt ihm eindringlich und unheilvolle Furcht ein.
Des Nachts gelangen Öjwind die unsichtbar gebliebenen Gestalten des Tages an den Türrahmen. Sie blicken hinein und gehen wieder. Wie zerschlagen, liegt Öjwind zwischen den Laken und hat die Finger beider Hände miteinander verschränkt, zu einem Symbol verhakt vor dem Gesicht.
Er steht auf und bepinkelt, nackt im Stehen, den weichen Velourteppich, was ihn allerdings schämt, wie er beim Aufreiben mit einem frischen Bettbezug bemerkt.
Fiebrig geht Öjwind zurück zu dem Futon. Eine leere Flasche auf dem Schreibtisch hat die Mütze des Tages auf dem Hals. Öjwind nickt kurz ein, erwacht aber, als er von einer Kerze träumt, welche die Matratze des Futons entzündet, auf welcher er gerade schläft.
Oh, und die Ahnungslose!
erinnert Öjwind sich,
Die eine Kerze entzündet und fragt, ob man nach der langen Fahrt nicht auf der Couch ausruhen möchte.
Er kreucht an das kleine Fenster des Zimmers, welches in einer Wohnung im Dachgeschoss liegt, welche er jeden Tag, ohne Fahrstuhl, hindurch acht Etagen und die letzten, geschmälerten Treppenstufen herauf, betritt. Der Mond scheint groß in den Raum. Öjwind kann den Stadtrand mit dem Wasserturm sehen,
Nein!
Auf dem Tisch im Nebenzimmer brennt eine Kerze und steht in einem vertrockneten Tannenkranz auf einem quadratischen Festdeckchen mit weihnachtlicher Motividria. Der Tisch ist schwarz und kniehoch.
Stundenlang hockt Öjwind in einer Lederjacke auf dem Tisch, deren Metallknöpfe er dabei abschneidet, und konzentriert sich an dem Licht der Kerze, kippt unabsent nach hinten um und liegt auf dem Boden wie frierendes Gelee in einem schweren Umhang,
Nur entweihende Sprachgewänder,
Öjwind steht auf und tritt ausgelaugt in den Flur der Wohnung. Er will in den anderen Raum, drüben, auf das Bett,
Denkbar, dass ich mich dann besser fühle!
Er nimmt den brennenden Kerzenstummel vom Tisch und tritt im zappendusteren Nassraum vor den Spiegel, kann aber das grimmig verkniffene Gesicht, welches sich ihm so verdichtet, Leben und Sein ausleuchtend, einflößt, nicht wiedererkennen,
Werd` ich den oder die wohl einmal, wenn auch später und ganz woanders, als Omen unter Omen kennen oder lieben lernen?
Albmemorativ und unbannbar für Fotopapier oder -pixel, gespiegelt von einer imaginativ futur-dynamischen Installation, steht Öjwind breitbeinig und mit dem Gesicht zur Mauer im Flur und legt die Hände erhoben an die Wand, bis er sich durchfilzt fühlt,
Sonnenbekämpfung!
Er geht in die Küche, setzt sich auf einen ausklappbaren Küchenstuhl und verknotet einige verwendete Teebeutel am Faden miteinander,
Nein, meine Hände zittern gar nicht!