Halbzeitland. Gordon Müllenbach

Halbzeitland - Gordon Müllenbach


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ruft der Chefredakteur, „und in ein paar Monaten werde ich nur noch in H.“, betont er, „eine kleine Stelle haben.“

      Freibeuterisch mobbt der Chefredakteur den Kopf eines Mitarbeiters und frisst die Kekse aus den Händen Öjwinds, deutet dann dem nächsten an, ihm die Hände an den Hals legen zu wollen, „Und in wenigen Minuten,“ er dreht Öjwind die Schreibtischleuchte in Verhörmanier in das Gesicht, „habe ich Feierabend.“

      „Die Initiatorin der Initiative hier ist neulich angezeigt worden,“, sagt der Chefredakteur warnend, „weil sie auf dem Motorrad Fahrradfahrer erschreckt hat, von denen sie vermutete, dass sie zur Mafia gehören. Bevor wir uns einen Job bei der Amtskirche kaufen und so losweiden, na ја. Jedenfalls, christo-zentrisch wirkt dieses leichenlose Mordinstrument bei der Höhe nicht! Es geht ja fast bis unter die Decke. Wieso will diese Motorradklerikerin uns tatsächlich die Leitkultur-Nischen plattfahren? Sagt einmal die Gratispriesterin Marke Aureole Universaldilettantin deponiert Spendengefäße in dem Café? ۔Also, wir wollen hier keine von den eisernen Alraunen á la mode Stauffenberg junior zum Altar. Ich sage euch, Jetflieger, Hockenheimringer, Rennbootfahrer und vornehmlich die Distanz-Kleinkaliber-Gewehrschützen, aber auch diese Jagdschein- und Sarganfertiger, diese ´Mission erfüllt` - Visagen bei abgenommenem Helm, die den Wumm abgehen lassen und originales Material verlangen: frische Libido-Burnouts, wirkliche Midlife-Krisen und unolympische Kühlschrank-Disziplinen. Ah! Der Volontär Öjwind, nimmt keiner mehr den Hörer ab zurzeit bei den Anthroposophinnen von ihrem nicht-technisch, gehobenen oder haben die nur noch drei Tage die Woche Publikumsverkehr seit ihrer Palastrevolution per Ausleseprüfung - Platz Zweiundzwanzig von zweihundert geprüften Bewerberinnen bei vierundzwanzig Lehrstellen? Ja, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem sozialistischen Sekretariat! Wie bitte? Ich soll noch eine Nummer ziehen: klicker, klicker, ssst, ratsch, oh! Die Nummer Siebenhundertzweiundsechzig und dazu, synchron auf der schleppendsten Lotterie-Uhr der digitalen Arbeiter- und Amtsgeschichte: Sechshundertelf, und nebenan im Gerichtsgebäude entfernen sie gerade die Rentnerin, die mit der Handgranate in der Vorhalle steht, weil ihre Sache nicht gut lief oder angeblich schon abgeblasen ist. Zwei Arten der reinen Buttermilch-Hoffnung, entweder ein Ticket mit dem kleineren solidarischen Nenner zu finden, oder in einem berauschenden Klangkonzert die Tonverabreichung von der Sechshundertachtundsiebzig bis zu der Sechshundertdreiundneunzig, die phänomenal tonale Hymne in derselben Klangart, ein achtzehnfaches Gongen von der Siebenhundertvierundvierzig bis zu der Siebenhundertzweiundsechzig, zig schon vorher geflohenen zu Dank verpflichtet für dieses berauschende Vereinzelungserlebnis, Ding-Dong, Ding-Dong, Platz Elf und los, dawai-dawai zu der rabotei, vorbei an dem dritten Sicherheitsbeamten, den mit eingerechnet, der oben bei dem Arbeitsberater im vierten die Fenster geschlossen und auf Kipp gestellt hat: `Kann ich nicht kontrollieren, ob Sie die nochmals öffnen, wenn ich weg bin´, zu Platz Elf: Bitte! Einen Termin für die Sozialbearbeiterin, die schon den ganzen Tag am Einbürgerungstest feilt! Und zum ..., bitte? Ach, in Büro Vierzehn bei den Herren Zivilbeamten von der Kripo-Ausländerbehörde vielleicht? Der kleine, elektrokalorische Volontär Öjwind für den Chefposten auf dem technologischen Rechnersessel, offenbar für gar nichts zu haben heute? Früher ist alles besser gewesen, da haben die Leute nämlich noch quelle-idee-rouge Zeitungen gehabt, um etwas von dem Bauernhof von nebenan zu erfahren oder den Kollektiven einer anderen Metropole, die denkbar genauso anlief wie der eigene rote Schal um den Hals!“

      Der Chefredakteur springt vor den Augen der Anwesenden auf den Versammlungstisch und fängt, stehend, an zu singen:

      DIE DREIZEHNTE GERION-KALIFATRIE

      „Hola, ich bin noch nie in einem KZ gewesen, Mister Lao Dse-Junior!

      Gieß uns die frohe Neuro-Tat in den Kolben

      Die uns gestern schon in das Neuro getreten hat!

      Wir sind polytoxikoman in Shivas Tempel

      Multitransparenter En-Er-Gie-Gen-Es-Is

      Zentralisiert wird unsere Isolation!“

      Er zerwirft eine Serie von Porzellanuntertellern vom Versammlungstisch an der Wand.

      „Nur im Zerbrochenen finden wir Zugang und Anschluss!

      In Kleidern, die von Sand und Wind leicht abgetragen

      Und durchpflügt in der hinreißenden Dämmerung

      Von den geflügelten Rädern.“

      Er turnt im Flick-Flack vom Redaktionstisch herab auf die Flöre des Großraumteppichs.

      „Und den Tröpfcheninfektionen Hypnotisierter,

      Bevor Ungefragte Verträge und unnötige Konflikte

      Aus dem Gleichgewicht stürzen!

      Nochmal der Zalmoxis-Bote aus

      Hype it! Peenemünde!“

      Der Chor der quaoarischen Ratten erscheint am Kreuzweg zum Klassengang. Geweiht betreten die abgekochten, gedunsenen, angedünsteten und aufgeschwemmten Ratten die quaoarische Bühne und beginnen ein Chanson.

      „Balance und Überfluss,

      Balance und Überfluss

      Sind die Imperien der Freiheit

      In den Quantenschäumen der turbokapitalen Kirchweih“

      Der Chefredakteur rollt eine der Zalmoxis'- Ausgaben zu einer Rolle zusammen und psalmodiert.

      „Wir sind rechtlose Brezel Schatten in unserem Glück

      Das ganze Jahrhundert hat regiert

      Kein Quäntchen Jota hat's int'ressiert

      Der alte Drache beginnt

      Gebaut von einem Wiesel

      Fliegenflügel zerbersten am Glas“

      Er schlägt einem Zeitungshändler, der an einem der Rechner sitzt, mit der Zeitschrift auf den Kopf.

      „Das Stückchen Sieg im Strom der Worte

      Alles groß, geil und gut!“

      Der Chor der quaoarischen Ratten,

      „Alles groß, geil und gut!“ (2 *)

      Der Chefredakteur,

      „Im flairgefrästen Pfauenthron

      In den Paradiesen der replikabolen Retrostaaten,

      In den Weltwasserkonzilen des kollektiven

      Unterbewusstseins,

      Der blaugold-mythologische Ökon!“

      Arie der quaoarischen Oberratte mit polyphonem Kanon,

      „Oh seht, ein graues Klassikpferd säuft aus dem Klo und krepiert.“

      Der Chefredakteur,

      „Versiegende Hydren voll strukturalisiert,

      Krakeele in Israele,

      Universelle Synopsen,

      Ultraprivilegierter Phänomene:

      Konsensuale Halluzination!

      An den alten Schwellen nur neue Ufer

      Zu den eiligen, medialen Panoramen

      Welcher Nationen auch immer!“

      Alle quaoarischen Ratten zusammen,

      „Wer gebar uns den Grund der Bewegung

      Und die prima Bewegungskraft

      Wer die passive Ordnung so urkinetisch und wer

      Die aktive Macht?“

      Ein gigantisches Kulissenbild wird an schweren Stahlseilen herabgelassen, auf dem sich ein Paar gewundene Schamott-Ton-Eleysen Piech Spiraldvis, gleich sternhagelvollen Füllhörnern in gegenseitiger Inthronisation, auf einem Schild schnurstracks


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