Aus dem Reiche des Buddha. Paul Dahlke

Aus dem Reiche des Buddha - Paul Dahlke


Скачать книгу
nieder und sprachen mit diesen tiefen, klangvollen Stimmen:

      „Herr, wenn wir unwissentlich mit einer der drei Pforten (Tat, Wort, Gedanke) gefehlt haben, so vergib uns.“ Worauf der Abt erwiderte:

      „Ich habe vergeben. So vergebt auch ihr mir.“

      So wird im Orden des Erhabenen gelebt, den der Erhabene selber „das unvergleichliche Feld um Verdienst zu erwerben“ nennt. Und wirklich sind ja diese Mönche, indem sie ständig allem Lebenden in einem Wohlwollen zugetan sind, die größten Wohltäter der Menschheit. Ein einziges Herz voll heiterer Entsagung trägt ja zum Wohle der Menschheit mehr bei als ein ganzes Leben voll rastloser Philantropie.

      Es war nun die Zeit gekommen, daß Suriyagoda mit der Robe bekleidet, d. h. selber Mönch wurde. Wie die anderen machte er von da ab alle Vormittage seinen Almosengang, indem er, das Gewand schicklich geordnet, gefaßten Sinnes, gesenkten Auges von Haus zu Haus ging und an den Türen schweigend wartete, bis ihm der Reis in die Almosenschale getan wurde. Kam dann der Geber, hatte den Reis in die hingehaltene Schüssel hineingetan und auf der Erde kniend, die gefalteten Hände vor dem Gesicht, seine Ehrfurcht erwiesen, so ging der Mönch schweigend weiter zur nächsten Tür, bis die Schale zur Genüge gefüllt war. Dann trat er den Rückweg zum Kloster an und verzehrte dort, stets unter dem gleichen Schweigen, sein Mahl an einem einsamen Orte.

      Eines Tages nun, als Suriyagoda schweigend dastand, gesenkten Blickes und auf die Gabe wartete, trat plötzlich ein Mensch auf ihn zu, der war nackt bis auf einen Eulenflügel, der seine Scham notdürftig deckte. Die Haut war Asche beschmiert und sah aus wie graues Leder; die Haare verfilzt wie eine schmutzige Kokusmatte; der Blick wirr und unheimlich.

      Der sprach leise aber heftig zum Mönch:

      „Du, es ist mir gegeben, in deiner Zukunft zu lesen. Ehre und Lob dem Allmächtigen! Du mußt durch eine große Liebe gehen.“

      Dann dicht vor Suriyagoda hintretend fuhr er lauter fort:

      „Wolltest du deine Augen nur einmal heben, so könnte ich dir sagen, wo und wie.“

      Suriyagoda verharrte unbeweglich. Es überkam ihn etwas Unheimliches, einer jener Schauer aus unbekannten Regionen, unter denen er als Knabe so oft gelitten hatte; jene Schauer, die den in Weisheit noch nicht gefestigten immer wieder fragen lassen: „Gibt es doch wohl etwas hinter dieser Welt hier, das über uns herrscht?“

      Er fühlte instinktiv, wenn er den Blick heben und das Auge dieses Menschen treffen würde, so würde es ihn greifen, ihn ansaugen, er würde fallen — einer grundlosen Tiefe zu.

      Indem erschien der Anhänger, um den Reis in die Schale zu schütten. Als er den Fakir sah, winkte er mit der Hand und rief „husch, husch!“, wie man Krähen von einer Schüssel scheucht. Worauf der sich eilig abwandte, aber knurrend und schnüffelnd, wie ein Jagdhund, der eine Spur gewittert hat und sie nicht verfolgen darf.

      Am selben Abend, als Suriyagoda, bevor er zur Ruhe ging, vor dem Abt niederkniete und ihm Ehrfurcht bezeugte, bat er ihn um die Erlaubnis, in Zukunft, wenn er den Anhängern und Anhängerinnen predigte, hinter einem Palmblatt-Fächer sitzen zu dürfen. Er wollte sich dadurch davor schützen, daß sein Auge auf irgend etwas träfe, was ihm Liebe erregen könnte, denn er dachte: „Wofür bin ich schon als Knabe in den Orden des Erhabenen getreten, wenn ich doch die Qualen und den Schmutz der Liebe durchmachen muß? Es ist besser, ich schütze mich beizeiten.“

      Nun war Suriyagoda von schöner Gestalt, schlank aber kräftig, von feinem Gesicht, mit vollem, freiem Auge und von hoher Anmut bei allem was er tat und redete. Daher war die Predigthalle stets am vollsten, wenn er den Anhängern und Laien predigte.

      So fragte der Abt, weshalb er denn von jetzt ab hinter dem Fächer predigen wolle? worauf Suriyagoda stockte und errötete, dann aber die Sache mit dem Fakir berichtete.

      Der Abt lächelte ein wenig und gab ihm die Erlaubnis. Dann aber, als leisen Tadel, fügte er den Spruch des Erhabenen hinzu: „Ist dieses, wird jenes; ist dieses nicht, wird jenes nicht,“ womit er sagen wollte, daß ein jeder Mensch aus dem jetzigen Moment heraus sich das nächste selber schaffe, je nachdem was er tut, was er redet, was er denkt. Und wie bei einem rollenden Stein ein Moment der Bahn das nächste bestimmt, und dieses wieder das nächste, so auch beim Menschenleben. Nicht in den Händen eines Schwärmers oder der Gestirne liege unsere Zukunft, sondern in den Händen dieses Jetzt hier, das ich selber bin.

      So predigte von jetzt ab Suriyagoda Jahr für Jahr hinter einem Palmblattfächer. Die Prophezeiung des Fakirs hatte er längst vergessen, aber der Fächer war ihm so zur Gewohnheit geworden, daß er überall der Fächerprediger hieß.

      Einstmals, am Upósatha-Tage des Vessak-Monats veranstaltete der König eine große Feier zu Ehren des Erhabenen. Die ganze Straße von Anuradhapura bis Mihintale, zwei Wegstunden lang, war mit gelben und weißen Blüten bestreut. Überall am Wege hingen Fahnen und Banner.

      Zur festgesetzten Stunde verließ der König seinen Palast in der Nähe des Jetavanarama-Dagoba mit dreiunddreißig Elefanten. Auf ihnen ritten die Adeligen, immer je vier in einer Reihe; an der Spitze aber der König auf dem Königselefanten, der von Gold und Edelsteinen glänzte.

      Dieser Elefant war so einer, von dem man sagt: „Er hat seinen Rüssel preisgegeben.“ Denn ehe ein Elefant nicht im Kampf den Rüssel preisgibt, leistet er nicht das höchste. Hat er aber den Rüssel preisgegeben, so kann ihm nichts mehr widerstehen.

      Hinter den Elefanten folgte die Mönchschaft vom heiligen Bo-Baum und der anderen Klöster Anuradhapuras in Sänften; dahinter aber das Volk zu Fuß.

      Wie ein einziger Sadhu-Ruf ging es von der Hauptstadt bis hin nach Mihintale.

      Als nun der Zug am Ambastalla-Dagoba angekommen war, da stiegen alle, selbst der König, ab; denn hier ist der heiligste Platz Ceylons nahe: die Höhle, in welcher Mahinda, König Açokas Sohn, der Apostel Ceylons, sein Leben in Heiligkeit, d. h. heil von Leidenschaften und Lüsten, verbrachte. Das Felsenbett auf dem Boden dieser Höhle ist heute noch zu sehen.

      Hier nun stießen auch die Mönche von Mihintale, Suriyagoda mit ihnen, zum Zuge.

      Vom Ambastalla-Dagoba stieg alles, der König an der Spitze, zum Mahasaya-Dagoba hinauf, auf jenen schwarzen Fels, in welchen flache Stufen hineingehauen waren. Wer aber unten die schneeweißen Gewänder auf dunklem Grunde leuchten und die goldenen Banner und Standarten in der Sonne funkeln sah, der meinte, es wäre das schönste Schauspiel, das Menschen überhaupt schaffen sowohl wie betrachten könnten.

      Nun hatte es vor kurzem einen starken Regenfall gegeben und in den Löchern der Steinstufen standen noch Wasserreste. Als nun der König, Upatissa war sein Name, in feierlicher Langsamkeit hochschritt, da sah er in einer dieser Lachen ein Insekt dem Ertrinken nahe. Sofort regte sich Mitleid mit dem Lebendigen in ihm; er machte Halt und, indem er den flimmernden Pfauenwedel in die Pfütze hineintauchte, rettete er das Tierchen vom Ertrinken.

      Als das umstehende Volk das sah, da wurden die Sadhu-Rufe noch viel freudiger. Denn wie der König es liebt, ein frommes gesetzes-freudiges Volk zu haben, so liebt auch das Volk, einen frommen König zu haben.

      Mit dem Stillstehen des Königs ging eine Stockung durch den ganzen Zug und ein jeder fragte, was geschehen sei, wobei dann, sobald Antwort kam, das Sadhu-Rufen immer wieder aufs neue hochflackerte, wie ein Feuer, das über trocknen Grasgrund hüpft.

      Auch Suriyagoda ließ seinen Palmblattfächer, der groß war wie ein Schild und ohne den er nie seine Zelle verließ, sinken und sah sich um. Dabei fühlte er ein paar Augen auf sich gerichtet und verbarg sich sofort wieder hinter seiner Wehr. Aber einige aus dem Volke hatten ihn gesehen und raunten sich zu: „Der Fächerprediger! Es ist der Fächerprediger!“ Er stand nämlich bei diesen Leuten in hoher Achtung. Denn wer einen reinen Lebenswandel führt und sich bezähmt, der verdient und erhält Achtung.

      Nachdem nun der König und der ganze Zug den Mahasaya-Dagoba, ihn zur rechten Hand habend, feierlich umwandelt und auf allen Altären Blüten niedergelegt hatte, kehrten der Hof nach Anuradhapura und die Mihintale-Mönche in ihre Klausen zurück.

      Am


Скачать книгу