Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich

Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich


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dauerte dieser Zustand nicht so lange. Der Kapitän, der sich wohl denken konnte, wie den unglücklichen Passagieren drunten zu Mute sein musste, ließ, als der Regen aufgehört hatte niederzuströmen, die Luken öffnen, um wenigstens frische Lust einzulassen, und die Zwischendecks-Laternen hinunterschaffen, damit die Passagiere bei dem matten Schein derselben den engen Raum wieder ein wenig in Ordnung bringen und sich dann zu Bett legen konnten. An Deck wurden jedoch nur Einzelne nacheinander hinaufgelassen, um die Arbeiten der dort noch immer beschäftigten Matrosen nicht zu hindern – unter Deck konnten sie machen was sie wollten – wenigstens was ihnen die Schiffsgesetze erlaubten oder nicht verboten.

      Wie sich die Leute aber nur einmal von dem ersten Schreck erholt und sich vergewissert hatten, dass ihnen weiter keine unmittelbare Gefahr drohe, kehrte auch bei den meisten der frische, fröhliche Lebensmut zurück, und nachdem sie sich, soweit das die Umstände erlaubten, getrocknet, oder ihre Kleider gewechselt und das Zwischendeck selber von den umherliegenden Scherben und Sachen gesäubert hatten, sammelten sie sich unter den beiden Laternen, die neben der vorderen und hinteren Luke hingen, um die Erlebnisse des Abends zu besprechen, wie ihre verschiedenen Meinungen über die erlittene Havarie auszutauschen.

      „Schöne Geschichte das“, sagte ein breitschultriger Schneider, der wegen revolutionärer Umtriebe in Deutschland hatte landesflüchtig werden müssen und auch schon steckbrieflich verfolgt, aber noch glücklich an Bord der „CAPTAUBE“ entkommen war – „vortreffliche Geschichte das – aber das kommt nur von der Überklugheit der Herren Matrosen, die alles besser wissen wollen als andere vernünftige Leute. Ich hab' es dem Holzkopf von Steuermann schon heute Morgen gesagt, dass die Segel zu hoch wären und das Schiff nächstens einmal umkippen müsste – ob er mir nur darauf geantwortet hätte, und jetzt haben wir die Bescherung. – Mir ist eine Flasche Sirup ausgelaufen, und gerade über mein Kopfkissen weg und in meinen einen Stiefel hinein, und dem Bäcker da drüben haben sie eine Flasche Tinte in die Wäsche gegossen.“

      „Es ist wirklich schade, dass du nicht Kapitän geworden bist,“ sagte ein Lohgerber, der mit dem Schneider in einer Koje schlief, „und hier könntest du's gleich großartig betreiben, denn heut Abend sind uns in der einen Viertelstunde mehr Lappen über Bord gegangen, als du in deiner ganzen Lebenszeit wahrscheinlich unter den Tisch gesteckt hast.“

      „Ja, ihr braucht auch noch darüber zu spotten,“ sagte aber ein Instrumentenmacher, der seine kleine Familie und eine Anzahl fertiger Fortepianos an Bord hatte, um sie nach Amerika überzuführen; „oben sieht's schön aus, und dass wir diesmal so mit dem Leben davongekommen sind, können wir eben nur dem Kapitän Dank wissen. Wie wir aber mit den Maststumpfen nach Amerika hinüber kommen wollen, weiß ich nicht.“

      „Wir sind auch noch nicht davon,“ sagte da die tiefe, dumpfe Stimme eines alten, wetterharten Burschen, der jedenfalls schon mehr von der See gesehen, als einer der Übrigen, und in seinem ganzen Wesen, obgleich er nicht so gekleidet ging, kaum den Matrosen verleugnen konnte, an Bord der „CAPTAUBE“ aber als Passagier eingeschrieben war – „dahinten im Westen steht noch faules Wetter genug, und ich will keinen Zwieback mehr kauen, wenn ich nicht glaube, dass wir die Nacht noch 'was Tüchtiges auf die Mütze kriegen.“

      „Ach, Dummheiten“, sagte der Schneider, „jagen Sie einem keinen Schreck ein; das Wetter ist ja wieder recht still und freundlich geworden –“

      „Na, mir soll's recht sein“, meinte der Alte, „denn wenn's von da drüben herüberkäme, wo die Wolken jetzt so dicht und dunkel heraufziehen, und wo das erste auch schon hergekommen ist, dann könnten wir uns gratulieren. Mit den paar Lappen da oben wären wir nicht imstande, uns gegen den Wind noch einmal zu halten, und in Lee haben wir die fatalste Sandküste, die sich ein Mensch eben zu wünschen braucht. – Wer weiß, ob uns nicht schon vor Tag der Hals voll Wasser gelaufen ist!“

      „Das ist ja eine schreckliche Unke“, brummte der Lohgerber. „Hals voll Wasser laufen – ja wohl, wer das Maul aufmacht, hätte das Vergnügen schon vor einer Stunde haben können.“

      „Glauben Sie wirklich, dass es noch einmal anfängt?“ rief eine der Frauen, die dem Gespräch zugehört hatte und sich jetzt, mit einem kleinen Kind auf dem Arm, ängstlich zwischen die Männer hineindrängte, dem Alten zu.

      „Ach papperlapapp!“ rief aber der Schneider ärgerlich. „Herr Meier weiß eben auch nicht mehr davon wie wir anderen, und da uns noch nichts gemeldet worden, brauchen wir uns auch an nichts zu kehren. Die Matrosen werden die Geschichte schon wieder in Stand setzen; sie haben ja eine ganze Portion Notmasten und andere Stücke Holz, die sie zu Querbalken und Latten gebrauchen können, an Bord, und die Segel sind auch wieder zu flicken; das ist keine Kunst.“

      „Ehe der Morgen dämmert, sind vielleicht so viele Nähte (Die Stellen, wo die Planken zusammengefügt sind, heißen in der Schiffssprache Nähte) an dem alten Kasten auszubessern, dass alle Schneider der Welt eine Lebenszeit daran zu tun hätten,“ brummte der Alte wieder – „'s wäre mir lieb, wenn ich mich irrte. Hat jemand von euch hier ein Barometer?“

      „Einen Korkzieher habe ich bei mir“, sagte der Schneider, „aber ein Barometer nicht.“

      Die anderen lachten, und Meier, wie der alte Mann hieß, zog sich finster auf seine eigene Kiste in die vordere Ecke zurück, wo er, mit seinem Rücken an die Koje gelehnt und vollkommen im Schatten, keinen Anteil an dem Gespräch weiter nahm und sitzen blieb.

      „Wichtigtuer“, brummte der Schneider noch mürrisch hinter ihm her – „der Art Leute meinen immer, wenn sie nur recht 'was Unglückliches prophezeien können, nachher hätten sie Recht, und dann soll man sie für 'was Großes ansehen – Hals voll Wasser laufen – ja wohl und was sonst noch.“

      „Na, so viel weiß der Kapitän ja wohl auch noch“, sagte der Lohgerber, „und wenn der glaubte, dass Gefahr bei der Sache wäre, führ' er doch gewiss einfach ins Land und ließe uns aussteigen. Ich hab's in meinem Kontrakt, dass er uns sicher hinüber bringen muss.“

      „Herr Gott von Danzig,“ mischte sich der Schuster, der bis dahin ziemlich still und vor sich hinbrütend gesessen hatte, mit in das Gespräch, „Was die Kerle da oben an Deck herumtrampeln und einen Spektakel machen, als ob sie die Planken durchtreten wollten. Das tun sie uns doch nur justament zum Possen, gerad' über unseren Köpfen hin.“

      „Ich will einmal hinaufgehen und zuschauen, wie's oben aussieht,“ sagte der Schneider, indem er aufstand und seinen Hut hinter sich von der Kiste nahm; „wenn der Koch nur noch heiß Wasser in der Kombüse hätte, dass man sich einen Grog machen könnte – auf den Schreck und die Nässe wär' der famos.“

      „Donnerwetter, ja, Heidelberger, versuchen Sie's einmal“, rief der Schuster, von dem Gedanken ergriffen, „wenn Sie dem Burschen ein paar Groschen in die Hand drücken, tut er's auch, und nachher legen wir zusammen.“

      Der Schneider stieg mit dem doppelten Auftrag an Deck, und das Gespräch drehte sich unten indessen um allerlei häusliche Angelegenheiten, umgestoßene Senfbüchsen, ausgelaufene Milch- und Essigkrüge, zerbrochene Flaschen und Tassen und durchweichten Zwieback. Nur die Frauen drängten sich noch einmal ängstlich heran, wenn das Schreien und Stampfen der Matrosen an Deck gar zu arg wurde, und wollten wissen, ob der Sturm wieder angefangen hätte zu wehen. Von den Männern wurden sie aber gewöhnlich kurz abgefertigt, und die meisten waren auch durch das erneute Schaukeln zu unwohl geworden, sich in lange Gespräche einzulassen – wenn die Matrosen an Deck nur nicht gar solch' entsetzlichen Spektakel gemacht hätten!

      Oben an Deck wurde jetzt die große, vorn hängende Schiffsglocke in regelmäßigen Schwingungen angezogen, während zugleich Heidelberger, der Schneider, wieder nach unten kletterte, mit dem einen Fuße von der Leiter ab vorsichtig nach seiner Kiste fühlte und dabei sagte:

      „Herr du meine Güte, ist das eine Finster und ein Nebel da oben; keine Hand kann man vor Augen sehen.“

      „Vierzehn, fünfzehn, sechzehn, siebzehn, achtzehn –“ zählte der Lohgerber – „an was schlagen die denn da oben an? Die Uhr ist wohl mit ihnen durchgegangen.“

      „Nein“, sagte der Schneider, der an Deck


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