Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich

Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich


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ist, von Bord geht und nicht wiederkommt. Wenn die Ratten und der Klabautermann ein Schiff verlassen, dann gnade Gott der Mannschaft!“

      „Na, die Geschichte muss uns der Koch nachher einmal ein bisschen näher auseinandersetzen“, sagte der Instrumentenmacher, der ungemein gern Geschichten erzählen hörte, „jetzt macht nur, dass ihr mit eurer Mischung fertig werdet, denn der Schreck vorhin und die Nässe sind mir dermaßen in die Glieder geschlagen, dass mich's ordentlich wie im Fieber schüttelt. Dagegen ist ein guter Grog die beste Medizin, und ich habe hier auch noch eine famose Flasche Rum.“

      „Bravo“, sagte Heidelberger, „solche milde Beiträge lassen wir uns gefallen – der Wohltätigkeit werden keine Schranken gesetzt, und eure Becher her, ihr Leute. Wer ist denn da hinten noch so seekrank? Herr du meine Güte, würgt der Mensch –“

      „Das ist der Nadler aus Nummer Sieben“, lachte der Lohgerber; „so wie sich das Schiff anfängt zu bewegen, liegt der auf der Nase.“

      „So gebt ihm einen Schluck von der Mischung hier“, meinte der Instrumentenmacher gutmütig, „das wird ihn wieder auf die Beine bringen.“

      Des Nadlers Frau wurde gerufen, um ihrem Mann etwas von dem Grog zu bringen, der aber stöhnte und ächzte, weigerte sich zu trinken und bat, man solle ihn lieber über Bord werfen. Die anderen lachten und nahmen weiter keine Notiz von dem Seekranken.

      Die Becher wurden indes fleißig gefüllt und geleert; der Schreck von heut Abend war manchem in die Glieder geschlagen, und von allen Seiten kamen Flaschen und Krüge mit Rum gefüllt aus den verschiedenen Kojen vor, dass der Koch noch zweimal in die Kombüse musste, mehr heißes Wasser herbeizuholen. – Der Steuermann trank ebenfalls gern ein Glas, und wenn es ihm auch nicht einfiel, das mit den Zwischendecks-Passagieren zu tun, ließ er es doch geschehen, dass ihnen der Koch gefällig sein durfte – noch dazu an dem heutigen Abend. Auch Meier hatte sich bei der Bowle eingefunden, von der er aber oft fort und nach oben ging, um nach dem Wetter und Wind zu sehen.

      Der Koch, der dem Grog fleißig zugesprochen, übrigens eine sehr bedeutende Quantität davon vertragen konnte, hatte indes den aufmerksam und vergnügt lauschenden Passagieren die Sage vom Klabautermann ausführlich erzählen müssen. Es war ein kleiner gemütlicher Geist, ein Überbleibsel noch der alten Heinzel- oder Wichtelmännchen, der im Innern des Schiffes, aber immer nur einzeln und einsam, sein Quartier aufgeschlagen und die weitesten Reisen mit dem einmal erwählten Fahrzeug machte. Bei gutem Wetter ließ er sich dabei weder hören noch sehen, und kam nicht vor; wenn aber dem Schiff Gefahr drohte, rief er aus den Masten herunter den Leuten zu, zu reefen, oder warnte sie auch wohl vor drohenden Klippen und Bänken, und nur, wenn das Schiff rettungslos verloren war, nahm er sein kleines Matrosenkistchen, das er, wie jeder andere Seemann, bei sich führte, unter den Arm und zeigte sich gewöhnlich noch einmal, ehe er ging, denen an Bord, die er während seiner Anwesenheit am liebsten gehabt. Nachher war er fort, und was aus ihm wurde, konnte niemand sagen.

      Heut Abend aber war er fortgegangen. Er, der Koch, der ihm immer die gebührende Ehrfurcht erwiesen, und dem er deshalb auch gut geblieben war, hatte ihn mit eigenen Augen gesehen, und wenn einer von ihnen wieder das Land sehe – meinte der Mann mit leiser, unheimlich flüsternder Stimme – sei es ein Werk des Himmels.

      Die Passagiere, die den Koch dicht umdrängten, hatten im Anfang über das „Märchen“ gelacht und ihren Spaß damit gehabt; als der Mann aber so gar ernsthaft dabei blieb und das überdies finstere und faltige Gesicht noch weit mehr zusammenzog und die Kunde, die auch sie so nahe betraf, so geheimnisvoll flüsterte, dass man ihm wohl ansehen konnte, wie er selber jede Silbe glaube, wurden doch auch manche der vorher noch ganz Beherzten und Ungläubigen stiller – das Lachen verstummte, und die noch immer unheimlich durch die Nacht tönenden Schläge der Schiffsglocke über ihren Häuptern mahnten sie dabei, dass allerdings nicht alles an Bord sei, wie es eigentlich sein solle.

      „Aber es gibt doch keine Geister“, sagte endlich der Instrumentenmacher, der das ihm fatale Grausen zuerst abzuschütteln suchte mit einem allgemeinen Beweisgrund gegen jede derartige Erzählung.

      „So? – gibt es nicht?“ erwiderte ihm der Koch, ohne von seinem Becher aufzuschauen – „und mich haben sie wohl nicht einmal an der Weser drüben zehn Meilen ins Land hinein gesetzt, ohne dass ich wusste wie?“

      „Zehn Meilen ins Land?“ rief der Schneider erstaunt.

      „Zehn Meilen ins Land“ bestätigte der Seemann, den Becher jetzt bis auf den letzten Tropfen leerend und wieder zum Füllen gegen Heidelberger vorstreckend, „und die Geschichte war merkwürdig genug. Wir lagen mit der „ROBERT FULTON“, einem andern deutschen Schiff, auf dem ich damals meine Reise als Koch machen sollte, unter Bremerhaven vor Anker und warteten auf den letzten Lichter, der mit Fracht von Bremen herunter kommen musste. Abends nach dem Essen schickte mich der Kapitän mit dem Kajütsjungen und zwei Leuten an Land, um in dem nächsten Dorf eine Partie Eier und Hühner und andere Sachen für die Kajüts-Passagiere und den Kapitänstisch einzukaufen. Der eine von den Leuten, die ich mit hatte, war aber ein alter Matrose, der damals schon seine sechzig Jahre auf dem Rücken haben mochte und die ganze Zeit, von Kindheit auf, zur See zugebracht hatte, und der behauptete, dass ihm an dem nämlichen Abend der schwarze Mann an Bord erschienen sei.“

      „Der schwarze Mann?“ rief der Lohgerber, der mit offenem Munde der Erzählung lauschte.

      „Ja, der schwarze Mann,“ bestätigte der Koch, „auch so ein Wesen, das sich nur sehen lässt, wenn es mit einem von uns zu Ende geht, und der alte Bursche, sonst immer einer der Flinksten und Muntersten von allen, ließ den Kopf hängen und sprach kein Wort. Wir anderen jungen Burschen lachten ihn jetzt aus, neckten ihn, dass er einen Schluck zu viel genommen und den Pumpstock für den schwarzen Mann angesehen habe, und ich – ein junger Kehrdichannichts, der ich damals war – trieb es am tollsten, ja behauptete zuletzt sogar, es gäbe gar keine Geister, weder schwarze noch Klabautermänner, und rief, wenn wirklich welche da wären, sollten sie sich mir auch einmal zeigen, und dann wollte ich an sie glauben. Der Alte bat mich zwar nun, ich möchte still sein; wenn ich älter würde, erführ' ich das alles überdies noch zeitig genug; mit ein paar Gläsern Grog im Kopf machte ich mir aber aus der ganzen Sache nichts und trieb es toller als vorher. Unter der Zeit war es ziemlich dunkel geworden; das Dorf lag jedoch keine fünfhundert Schritt vom Fluss ab und ein breiter Fahrweg lief von der Landung gerade darauf zu, so dass wir gar nicht irre gehen konnten. Wir machten also unser Boot fest, stiegen ins Land und fanden auch glücklich den Platz, wo wir kauften, was wir brauchten, und dann mit den Sachen den Rückweg antraten.

      „Ziemlich schwer zu tragen hatten wir übrigens und gingen deshalb einzeln hintereinander her auf der Straße, ich hintennach, weil ich auf das Ganze sehen musste. Gerade halbwegs zwischen dem Dorf und Fluss lag ein kleines Erlendickicht, vielleicht hundert Schritt breit, wie denn überhaupt die ganze Entfernung vom Dorf bis nach der Weser ja kaum einen Büchsenschuss betrug. Als wir nun mitten im Erlenbusch drin sind, hör' ich links neben mir, vielleicht zehn Schritt vom Wege ab, den Alten fluchen und mich rufen; er wäre von der Straße abgekommen und hätte ein paar Hühner verloren. „Na, ja“, sag' ich, „und in der Dunkelheit – wie sollen wir die nur wieder finden!“, und dann rief ich ihm zu, er möchte stehen bleiben, wo er wäre, ich wollte zu ihm kommen. Den Korb, den ich trug, behielt ich übrigens umhängen und drängte mich durch die kleinen Büsche der Stelle zu, wo ich ihn noch immer hören konnte; – auf einmal war alles still. – „Steffen“, sagte ich – keine Antwort – „Steffen, wo steckst du denn – mach' keine Dummheiten –“ keine Antwort.

      „Jetzt wurde mir's unheimlich zu Mute, und was ich heute mit dem Alten gesprochen, fiel mir wieder ein; dann dachte ich aber auch daran, dass er mich wahrscheinlich zu fürchten machen wollte, weil ich nicht an Geister geglaubt hatte, und nun fing ich an zu lachen und rief ihm zu, so dumm wär' ich nicht, dass ich mich bange machen ließe. Wenn er das Maul nicht auftun wollte, damit ich ihn im Finstern fände, möcht' er stehen bleiben wo er wär', und arbeitete mich dann wieder rasch zurück auf die Straße – mit dem schweren Korb war's auch in den doch ziemlich dichten Büschen eben nicht angenehm zu marschieren.

      „Die Anderen konnten übrigens kaum hundert Schritt vor mir sein, und da mir's doch jetzt, wie


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