Mozart. Karl Storck

Mozart - Karl Storck


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beträchtliche Arbeitsleistung, wenn die ihm überwiesene opera seria in drei Akten »Mitridate re di Ponto« (Dichtung von Cigna-Santi) rechtzeitig fertig werden sollte.

      Jetzt, wo der Knabe nicht mehr als flüchtig durchreisendes Wunderkind dastand, sondern als ein ernst um die Teilnahme des Publikums sich bewerbender und eine soziale Stellung im Leben anstrebender Musiker, wiederholten sich auch in Italien die Kabalen und Intrigen der Neider. Aber der Vater wehrte sich, nach Kräften für seinen Sohn, der seinerseits sich mit großem Geschick bemühte, soweit es irgend ging, allen Wünschen der Künstler entgegenzukommen. Es hat etwas Rührendes, zu sehen, wie das hohe Verantwortungsgefühl, das Wolfgang in künstlerischen Dingen von Kind an beseelte, hier mit der Größe der Aufgabe so wächst, daß seine ganze Natur ernster wird. Seine Briefe legen davon Zeugnis ab. Der Vater verstand ihn aber ja so gut, daß er jegliches Mittel wußte, das Schwierigkeiten beseitigen, vor Überanstrengung schützen und anregend wirken konnte. So mahnt er die Freunde in Salzburg, seinem Knaben doch recht spaßhafte und lustige Briefe zu schreiben. Mozart ist auch da sein ganzes Leben lang derselbe geblieben; in seinen Briefen kehren oft die Stellen wieder, daß er um Verschonung von unangenehmen Dingen bittet, weil er komponiere und deshalb ein heiteres Gemüt brauche. Auch das ist bezeichnend für seine Kunst. Und es ist jedenfalls das höchste Zeugnis für die Spannkraft seiner Natur, daß er dann doch auch in den widerwärtigsten Verhältnissen leicht den Schwung hinauf fand in das paradiesische Gefilde eines sonnigen Empfindens.

      Schließlich wurden alle Hemmnisse siegreich überwunden. Die Proben konnten noch rechtzeitig beginnen, die Sangeskräfte, wenn es auch nicht die ursprünglich vorgesehenen waren, bewährten sich als vorzüglich. Obwohl der Primo uomo erst am 1. Dezember in Mailand eingetroffen war, konnte die erste Probe mit vollem Orchester doch bereits am 17. Dezember stattfinden. Damit war das günstige Schicksal der Oper entschieden. Freudig schrieb der Vater nach Hause:

      »Bevor die erste Probe mit dem kleinen Orchester gemacht wurde, hat es nicht an Leuten gefehlt, welche mit satirischer Zunge die Musik schon zum Voraus als etwas Junges und Elendes ausgeschrien und sozusagen prophezeit, da sie behaupteten, daß es unmöglich wäre, daß ein so junger Knabe, und noch dazu ein deutscher, eine italienische Oper schreiben könnte, und daß er, ob sie ihn gleich als einen großen Virtuosen erkannten, doch das zum Theater nötige chiaro ed oscuro unmöglich verstehen und einsehen könnte. Alle diese Leute sind nun von dem Abend der ersten kleinen Probe an verstummt und reden nicht eine Silbe mehr. Der Kopist ist ganz voll Vergnügen, welches in Italien eine gute Vorbedeutung ist, indem, wenn die Musik gut ausfällt, der Kopist manchmal durch Verschickung und Verkaufung der Arien mehr Geld gewinnt, als der Kapellmeister für die Komposition hat. Die Sängerinnen und Sänger sind sehr zufrieden und völlig vergnügt, absonderlich die Primadonna und Primouomo wegen des Duetts voller Freude.«

      Der Erfolg der am 26. Dezember unter Mozarts Leitung stattfindenden ersten Aufführung übertraf aber dennoch alle Erwartungen. Und am 5. Januar 1771 konnte Leopold Mozart seiner Frau schreiben:

      »Die Oper unseres Sohns geht mit allgemeinem Beifall fort und, wie die Italiener sagen, ist dalle stelle. Nun sind wir seit der dritten Aufführung bald im Parterre bald in den Logen Zuhörer und Zuseher, wo jedermann mit dem Sgr. Maestro zu reden und ihn in der Nähe zu sehen begierig ist. Denn der Maestro ist nur verbunden, drei Abend die Oper im Orchester zu dirigieren, wo beim zweiten Klavier der Maestro Lampugnani akkompagniert, welcher, da der Wolfgang nicht mehr spielt, nun das erste, der Maestro Melchior Chiesa aber, das zweite Klavier spielt. Wenn man mir vor ungefähr fünfzehn oder achtzehn Jahren, da Lampugnani in England und Melchior Chiesa in Italien so vieles geschrieben und ich ihre Opernarien und Sinfonien gesehen, damals gesagt hätte, diese Männer werden der Musik deines Sohnes dienen, und wenn er vom Klavier weggeht hinsitzen und seine Musik akkompagnieren müssen, so würde ich einen solchen als einen Narren ins Narrenhaus verwiesen haben. Wir sehen also, was die Allmacht Gottes mit uns Menschen macht, wenn wir seine Talente, die er uns gnädigst mitteilt, nicht vergraben.«

      Kräftiger noch als die zwanzig Aufführungen vor vollbesetztem Hause, die das Werk nacheinander fand, bestätigt diesen Erfolg die Tatsache, daß mit dem Cavaliere filarmonico, wie man ihn im Volke nannte, für die übernächste Stagione eine neue Oper vereinbart wurde, für die das Honorar auf 130 Goldgulden erhöht wurde.

      Nachdem sie sich in Vergnügungen mancherlei Art, unter denen ein Abstecher nach Venedig an erster Stelle stand, von der anstrengenden Tätigkeit erholt hatten, machten sie sich am 12. März auf die Heimreise und kamen am 28. März 1771 wieder in Salzburg an. Mit besonderer Freude vernehmen wir, daß auch die Salzburger Bekannten fanden, daß Wolfgang, wenn er auch reifer und an Erfahrung bereichert zurückkam, doch der kindliche, bescheidene und unschuldige Knabe geblieben war, als der er die Heimat verlassen hatte.

      In Salzburg begrüßte sie gleich eine neue große Auszeichnung. Der italienische Erfolg hatte bereits auf Deutschland gewirkt. Im Auftrage der Kaiserin Maria Theresia wurde Wolfgang beauftragt, zur Vermählung des Erzherzogs Ferdinand mit der Prinzessin Maria Riccarda Beatrice, einer Prinzessin von Modena, eine theatralische »Serenata« zu komponieren. Da diese Vermählung bereits im Oktober des Jahres 1771 stattfinden sollte, konnten die Mozarts auf keinen langen Aufenthalt in der Heimat rechnen. Immerhin reichte die Zeit aus, daß sich Mozart zum erstenmal verlieben konnte. Es war natürlich eine harmlose, kindische Spielerei, wie die vielfachen geheimnisvollen Andeutungen in den Briefen an die Schwester von der nächsten Reise bezeugen.

      In Salzburg hatte Mozart als Konzertmeister, um seiner amtlichen Stellung zu genügen – freilich war diese ohne Gehalt –, nur einige Kompositionen für die Kirche und eine Sinfonie geschaffen. Dann ging es am 13. August wieder nach Mailand, wo die Vermählung stattfinden sollte. Der Termin war auf den 15. Oktober festgelegt. Da das Textbuch zur Serenata erst am Anfang September in die Hände Mozarts gelangte, begreifen wir, daß Wolfgang in den Briefen nach Hause sich darüber beklagt, daß ihm die Finger vom Schreiben weh tun. Aber »ober unser ist ein Violinist,« heißt's in dem Briefe vom 24. August, »unter unser auch einer, neben unser ein Singmeister, der Lektionen gibt, in dem letzten Zimmer gegen unser ist ein Oboist, das ist lustig zum Komponieren.« Diese Bemerkung über die musikalische Nachbarschaft, die manchen wohl zur Verzweiflung gebracht haben würde, ist keineswegs ironisch gemeint; sie zeugt nur wieder dafür, daß Mozarts eigentliches Lebenselement, die Luft, in der er am leichtesten atmete, Musik war. Da das Verhältnis zu den Sängern das denkbar beste war, ging die Arbeit glatt vonstatten und wurde rechtzeitig fertig. Bei dieser Gelegenheit stand Mozart als Rivale neben Hasse, dem berühmtesten damaligen Vertreter der italienischen Oper, der die Festoper (Metastasios »Ruggiero«) komponierte, und neidlos erkannte der Greis an: »Dieser Jüngling wird uns alle vergessen machen.« Der Beifall, den Wolfgangs Serenata »Ascanio in AIba« bei der Erstaufführung am 17. fand, bestätigte Hasses Voraussage, und der Vater konnte nach Hause berichten: »Mir ist leid, die Serenata hat die Opera von Hasse so niedergeschlagen, daß ich es nicht beschreiben kann.« Zum Erfolg kam diesmal ein reiches Geschenk.

      Es ist übrigens recht lehrreich, zu erfahren, wie es um dieses kaiserliche Wohlwollen, für das Wolfgang sich durchs ganze Leben zu Dank verpflichtet fühlte, in Wirklichkeit bestellt war. Erzherzog Ferdinand war auf den Gedanken gekommen, den jungen Komponisten in seine Dienste zu nehmen, wodurch er die höchsten Wünsche des Vaters Mozart erfüllt hätte. Auf die Anfrage bei der Kaiserin Maria Theresia gab diese ihrem Sohne in einem französischen Briefe folgenden Bescheid: »Sie bitten von mir, daß Sie den jungen Salzburger in Ihren Dienst nehmen dürfen. Ich weiß nicht als was, da ich nicht glaube, daß Sie einen Komponisten oder unnütze Leute nötig haben. Allerdings, wenn Ihnen das dennoch Vergnügen macht, will ich kein Hindernis sein. Was ich sage, ist, daß Sie sich nicht mit unnützen Leuten beschweren und niemals Titel an solche Leute, als ständen sie in Ihren Diensten. Das macht den Dienst verächtlich, wenn diese Leute dann wie Bettler in der Welt herumreisen; übrigens hat er eine große Familie.« (12. Dezember 1771. Arneth, Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde I, S. 92.) So wissen wir doch, warum der junge Mozart überall umsonst nach einem Dienste suchte. Es war eben viel leichter, dem als Künstler gefeierten Genie einige freundliche Worte ins Gesicht zu sagen, als ihm in Taten wahrhaft wohlwollend sich zu bezeigen.

      Als die


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